Be Brave

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Stumm und mit gesenktem Kopf laufe ich durch die Flure meiner Schule. So bin ich unsichtbar. Genau das, was ich möchte. Ich bin das stille Mäuschen in der hintersten Ecke, nicht der Nerd, dem man seine Brille von der Nase reißen und die Sachen aus der Hand schlagen kann.

Bryce Davis, der Quarterback unserer Schule hat es besonders auf die sogenannten Nerds, Streber und wie man sie sonst noch nennt, abgesehen. Er ist fast schon gefürchtet und so ziemlich jeder meidet es, ihm über den Weg zu laufen.

Während ich zu meinem nächsten Kurs gehe, werde ich wieder einmal Zeuge davon, wie Bryce einen der Nerds einschüchtert, um seine Hausaufgaben abzuschreiben. Ich halte nicht viel von Klischees. Aber Bryce ist die Verkörperung jedes 0815- Sportlers in einem Klischeebuch. Dumm, groß, muskulös und beliebt. Sogar die Unterdrückten stehen auf ihn.

Neben mir scheint es nur eine Person zu geben, die gegen den Charme des Quarterbacks immun zu sein scheint. Hailey Grayson. Cheerleaderin, Beautyqueen und Single. Warum sie letzteres ist, frage nicht nur ich mich, sondern die gesamte Schule. Besonders Bryce, der bestimmt gerne mit der Siebzehnjährigen ausgehen würde. Oder mehr.

Angeekelt verziehe ich das Gesicht, als ich darüber nachdenke, wie die beiden im Bett liegen. Und es liegt nicht nur daran, dass ich mir den Körper von Bryce ohne Kleidung vorstelle.

Während nämlich die Frauenwelt dem Charme des Bryce Davis verfallen ist, hat Haileys Schönheit mich völlig in die rosarote Welt der Liebe verschlagen.

Dass ich nicht auf Männer stehe, habe ich schon früh gemerkt. Spätestens als ich die Titanic gesehen habe und Jack Dawson völlig verstanden habe, als er Rose verfallen ist, war mir klar, dass ich „nicht normal" bin. Obwohl normal relativ ist.

Seufzend lasse ich mich auf meinen Platz fallen. Kunst ist eines der wenigen Fächer, die ich absolut nicht leiden kann. Ich kann nicht einmal einen geraden Strich zeichnen, geschweige denn eine Obstschale abmalen, die irgendein Künstler im 17. Jahrhundert gemalt hat. Und doch ist genau das der Auftrag.

Kunst ist eines der wenigen Fächer, in denen ich in Haileys Nähe sitze. Und gleichzeitig ist Kunst wohl das einzige Fach, in dem ich nicht in Haileys Nähe sitzen möchte. Sie ist eine wahre Künstlerin. Ihre Obstschale sieht aus, als hätte Paul Cézanne sie selbst gemalt. Während sie ihr Kunstwerk bereits abgibt, kämpfe ich damit, die gottverdammte Obstschale perfekt zu zeichnen.

Als Hailey an mir vorbeigeht, steigt mir der Duft ihres Parfüms in die Nase. Ich muss mir ernsthaft ein verliebtes Lächeln verkneifen. Dieses Mädchen raubt mir nicht nur den Atem, sondern auch meinen Verstand. Und nur mit dem ermögliche ich mir eine strahlende Zukunft.

Abends stelle ich mir oft vor, wie ich in zehn Jahren auf einem Klassentreffen erscheine, meinen Schlüssel für den neuen Porsche in meiner sündhaft teuren Tasche verstaue und in meinem mehrere hundert Dollar Kleid in den Raum trete. Alle drehen sich um und Hailey läuft lächelnd auf mich zu, küsst mich sanft und gesteht mir ihre unsterbliche Liebe.

Durch die Schulklingel werde ich aus meinen Gedanken gerissen. Wenn nicht im Bett, dann habe ich diese Tagträumereien, wenn mir Haileys wundervoller Geruch in die Nase steigt.

Zu meinem Pech, oder Glück, meidet Hailey es nicht, an mir vorbeizugehen. Und ich verfluche mich jedes Mal aufs Neue, dass ich ihrem süßen Duft verfalle wie ein Wasserfall, wenn es steil bergab geht.

Seufzend erhebe ich mich und verlasse den Raum. Eine letzte Stunde, dann endlich kann ich diese Schule verlassen und die Stille meines Zuhauses genießen. Vorausgesetzt, meine Eltern wollen nicht wieder, dass ich tausend Aufgaben gleichzeitig erledige.

Mein letzter Kurs für diesen Tag ist Geschichte. Ein Fach, das mich momentan wirklich interessiert. Meistens ist Geschichte wirklich zum Einschlafen, doch da es momentan um den zweiten Weltkrieg geht, bin ich doch recht interessiert und engagiert.

Be Brave- Rose und HaileyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt