03 | Aaron

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Obwohl ich gerade mal eine knappe Woche in Steinz bin, habe ich es jetzt schon satt. Ich bin wütend auf meine Eltern, auf die nicht vorhandenen Busverbindungen, auf die wenigen Möglichkeiten, die dieses Kaff zu bieten hat, und vor allem auf diese scheiß hölzerne Zimmerdecke, die so ziemlich das Einzige ist, das meine Augen die letzten Tage zu sehen bekommen haben. Nichts an diesem Raum lässt mich wie zuhause fühlen.

Ich wurde in das ehemalige Gästezimmer meiner Oma einquartiert, weshalb sich hier nichts außer einem schmalen Bett, einem Schrank und einem kleinen Tisch inklusive Stuhl befindet.

In meinem Zimmer in Wien haben zahlreiche Bilderrahmen und Poster die Wände verziert, haufenweise CDs, Computerspiele und Malsachen die Regale gefüllt. Meine ganz spezielle Deko bestand aus exquisiten Alkoholflaschen und einer Menge schwarzer Sneaker. Allesamt schwarz und doch grundverschieden.

Hier allerdings habe ich persönliche Habseligkeiten gar nicht erst aus den Kartons ausgepackt, weil ich sowieso nicht lange bleiben werde.

Seit meiner Ankunft starre ich Löcher in die Deckenverkleidung über mir, Musik dringt kontinuierlich aus den Kopfhörern an meine Ohren. Momentan läuft Tones and I, während ich nebenbei durch Instagram scrolle, was ich nicht tun sollte. Andauernd werden mir Storys von meinen Freunden angezeigt. Fast so, als wollten sie mich verhöhnen, denn sie sitzen beisammen, als wäre alles normal. Sie lachen, essen, saufen und rauchen gefühlt Tag und Nacht, obwohl ich nicht mehr dabei bin. Es macht den Anschein, als wäre ihnen meine Abwesenheit völlig egal und wenn ich ehrlich bin, tut mir das echt auf scheußliche Arte und Weise weh. Ein verräterisches Ziepen in meinem Unterleib bestätigt diesen Gedanken.

Denn während sie weiterhin beisammen sind und ihren Spaß haben, wurde ich einfach aus unserer Gruppe gerissen und an einen Ort verfrachtet, an dem ich niemanden mehr kenne. Scheiße, es macht mich verdammt traurig hier zu sein.

Doch anstatt diese Trauer zuzulassen, bin ich lieber wütend. Ganz deutlich spüre ich, wie es in meinen Adern brodelt, weshalb ich schnaubend das Handy ans Fußende werfe und mir die Haare raufe.

„Fuck! Scheiß Kaff, Alter. Grindiges, verschissenes Zimmer“, fluche ich vor mich hin, während mir die Augen zu brennen beginne. Ich presse die Lider fest zusammen, ebenso meinen Kiefer und zähle gedanklich bis zehn, um mich zu beruhigen.

Als ich die Augen wieder öffne, erschrecke ich mich beinahe zu Tode.

„Scheiße Mama, kannst du nicht anklopfen?“, fahre ich sie harsch an und ziehe mir dabei die Kopfhörer vom Schädel.

Sie schreckt zurück und stößt beinahe an den Sessel, der sich hinter ihr befindet. „T-tut mi-ir leid“, stottert sie und streicht sich nervös über ihre Bluse. „Ich habe angeklopft, aber du hast nicht reagiert. Und da dachte ich..“

„Was dachtest du?“, unterbreche ich sie mit aufbrausender Stimme. „Dass du einfach reinkommen kannst, wenn es dir beliebt?“

Obwohl Mama die Schultern strafft, sehe ich, wie sie schluckt und ihre Augen feucht werden, woraufhin ich sofort eine gewisse Reue verspüre. Obgleich ich natürlich grundsätzlich sauer auf sie bin, hat sie momentan nichts falsch gemacht und es somit auch nicht verdient, so von mir behandelt zu werden.

„Tut mir leid, Ma“, sage ich seufzend. „Kurzschlussreaktion. Du hast mich echt erschreckt.“

Wir blicken uns eine Weile an, doch keiner sagt ein Wort.

„Was gibt’s?“, frage ich also schließlich, um die Intention ihres Auftauchens zu ergründen.

„Ich hab’ Abendessen gemacht. Bitte setz dich doch zu uns und erzähl uns ein bisschen was.“ Sie nestelt an dem Stoff ihrer Bluse und macht somit ziemlich deutlich, dass Unsicherheit ihren Körper beherrscht.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 30, 2020 ⏰

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