1.Kapitel

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Mayya

"Beeil dich!" Mühsam öffne ich meine Augen und schaue in das wütende Gesicht meiner besten Freundin Mila. Ich drehe mich nochmals zur Seite und ziehe die Decke über meinen Kopf. Aber Mila lässt mir keine Zeit zum weiterschlafen. "Steh. Jetzt. Auf! Schon vergessen, deine Familie kommt heute vorbei!", brüllt sie mir ins Ohr. Es trifft mich wie ein heftiger Schlag ins Gesicht. Wie konnte ich das bloss vergessen? Ich habe Mila noch nicht davon erzählt was damals passiert ist und warum ich weggezogen bin. Ich habe es auch nicht vor, weil ich versuche mit der Vergangenheit abzuschliessen.
Sofort springe ich auf und renne ins Bad. Langsam kündigt sich eine Panikattacke an. Ich setze mich auf den Klodeckel und versuche mich zu beruhigen. Dir wird nichts passieren. Ihr werdet nicht allein sein.
Ich gehe zum Waschbecken und spritze mir Wasser ins Gesicht. Wird schon, wird schon, wird schon! Alles ist gut! Ich bändige meine blonde Mähne zu einem Dutt und putze mir die Zähne. Danach gehe ich zurück in mein Schlafzimmer und werfe ein Blick auf die Uhr, die über meinem Bett hängt. 11.10. Ich habe noch 20 Minuten Zeit. Das schaffe ich locker. Ich öffne meinen Kleiderschrank. Nicht zu freizügige Sachen anziehen, flüstert mir meine innere Stimme zu. Ich weiss, erwidere ich.
Ich entscheide mich für einen grossen türkisfarbenen Hoodie und meine lieblings Boyfriendjeans. Sollte gehen. Plötzlich fällt mir ein, dass ich ja noch den Tisch decken und das Essen vorbereiten sollte. Ich eile in die Küche, in der ich eine perfekt gestylte Mila vorfinde. Im Gegensatz zu mir hat sie sich schick gemacht. Ihre braunen Haare hat sie offen gelassen. Sie trägt eine weisse Bluse und dazu eine schwarze Jeans, die ihre Kurven perfekt betont. Wie immer sieht sie wunderschön aus. Hoffentlicht tut er ihr nichts. Nein, sowas würde er nie tun. Ich versuche diesen Gedanken zu verdrängen.

Ich habe die Eltern meiner besten Freundin bereits kennengelernt.
Mila und ich kennen uns noch nicht so lange vor einem halben Jahr habe ich nach einer Mitbewohnerin für eine WG gesucht und bin dann schliesslich auf Mila gestossen. Wir haben uns von Anfang an super verstanden und sind dann auch ziemlich schnell zusammen gezogen. Kurze Zeit später wollte sie mir unbedingt ihre Eltern vorstellen und hat darauf bestanden auch meine kennenzulernen. Ich habe zuerst abgesagt, aber schliesslich konnte sie mich trotzdem überzeugen.
"Warum bist du nicht schön angezogen? Ich habe übrigens den Tisch gedeckt, schonmal den Salat gerüsstet und die Kartoffeln für den Gratin geschählt. Ich hoffe das ist okay", reisst mich Mila aus meinen Gedanken. "Natürlich ist das okay! Du bist so ein Schatz! Was würde ich nur ohne dich tun?", antworte ich ihr und weiche ihrer ersten Frage gekonnt aus. Sie hackt nicht weiter nach. Ich ziehe sie in eine feste Umarmung. Ich liebe dieses Mädchen und bin so unglaublich froh, dass sie meine beste Freundin ist.

Pünktlich um halb zwölf klingelt es an der Tür. Eine Panikattacke kündigt sich an. Es wird schon nichts passieren. Hoffentlich. Vielleicht sollten wir einfach so tun, als ob niemand da wäre.  Schon zu spät. Mila steht bereits an der Gegensprechanlage und drückt auf den Knopf, damit die Eingangstür unseres Blockes aufgeht. Ich gehe selbst zu unserer Haustür und öffne sie. Mila steht gespannt neben mir und wir warten zusammen bis meine Familie hochkommt. Plötzlich sehe ich den roten Haarschopf meiner kleinen Schwester Norah. Sie sprintet die Treppe hinauf und fällt mir in die Arme. Ich habe die Kleine so sehr vermisst. Ich drücke sie fest an mich. "Ich habe dich sehr vermisst, grosse Schwester", flüstert mir Norah ins Ohr. "Ich dich auch, kleine Schwester", flüstere ich zurück. "Hey, meine Grosse", höre ich meine Mutter Vanessa sagen. Ich löse mich von Norah und falle meiner Mutter um den Hals. "Hey Mum." "Du siehst gut aus", sagt meine Mutter und betrachtet mich. "Du auch", erwiedere ich. Sie sieht noch genauso aus wie vor einem halben Jahr, als ich sie das letzte Mal gesehen habe. Ihre blonden, gelockten Haare fallen ihr über die Schultern. Sie trägt ein blaues Sommerkleid und dazu Ballerinas. Sie sieht wie immer wunderschön aus. Wenn die wüsste, flüstert mir meine innere Stimme zu. Ich ignoriere sie und löse mich von meiner Mutter. Und dann seh ich ihn. Mein Stiefvater. Er grinst mich an. Ich strecke ihm meine Hand hin, aber er ignoriert sie und zieht mich in eine lange Umarmung. Ich hasse ihn! "Ich habe dich so vermisst, Mayya. Warum hast du dich nie gemeldet? Ich habe dir so viele Mails geschickt!", flüstert er mir zu. "Lass mich in Ruhe, Adrian!", flüstere ich zurück.
Nachdem ich allen Mila vorgestellt habe, gehen wir rein und setzten uns an den Esstisch. Ich verschwinde sofort in die Küche um den Gratin in den Ofen zu schieben. Ich stehe mit dem Rücken zum Kücheneingang und als ich mich umdrehe steht Adrian vor mir. Er lächelt mich an. "Hey meine Schöne!", flüstert er und kommt mir gefährlich nahe. "Nenn mich nicht so!", zische ich. Und dann passiert genau das, vordem ich micht am meisten gefürchtet habe.

Er greift nach meinem Handgelenk, zieht mich an sich heran und küsst mich auf den Mund. Ich stehe regungslos da. "Du musst schon mitmachen! Gefällt dir das nicht?", flüstert er. "Nein", presse ich hervor. "Das war nicht die Antwort die ich hören wollte!", sagt er wütend, "Dafür wirst du büssen!" Eine Träne kullert über mein Gesicht. Du darfst dich nicht wehren! Denk dran! Seine Hand gleitet über meinen Rücken zu meinem Po und fängt an ihn zu knetten. Die andere Hand löst er von meinem Handgelenk und fängt an meine Brust zu knetten. Ich könnte schreien! Aber du darfst nicht. Er fängt wieder an mich zu küssen und plötzlich spüre ich seine Hände zwischen meinen Beinen. "Na, gefällt dir das?!" Ich nicke stumm. Weitere Tränen kullern über meine Wange. Lieber du als sie.
"Papa, Papa! Kommst du? Ich will ein Spiel spielen! Spielst du auch mit Mayya?", sie kommt genau richtig. Sie ist meine Rettung. Mein Stiefvater löst sich von mir und geht auf meine Schwester zu. Ich wische mir die Tränen fort und lächle. "Klar, was willst du den spielen? Verstecken?" "Au ja, du zählst! Papa, versteckst du dich mit mir?" "Klar, mein Schatz."
Mein Vater ist, als ich fünf Jahre alt war, an Krebs verstorben. Ich kann mich kaum an ihn erinnern, schliesslich ist es bereits 15 Jahre her. Drei Jahre später lernte meine Mutter Adrian kennen. Der Albtraum begann. Als ich 11 war, heirateten die beiden und vor drei Jahren bekam meine Mutter Norah. Es wurde immer schlimmer.

Müde falle ich ins Bett. Meine Familie ist vor einer Stunde gegangen und Mila hat mir noch geholfen aufzuräumen.
Er hatte zum Glück nicht mehr die Gelegenheit mir zu nahe zu kommen. Er weiss wo du wohnst! Ich hasse ihn so sehr. Und ich bin auch wütend auf meine Mutter, dass sie nie gemerkt hat was er mir antut. Ich vermisse sie und Norah. Ich fülle mich schlecht, dass ich sie alleine gelassen habe. Aber ich musste das tun. Musste weg von Zuhause. Ich habe mich schon längst nicht mehr wohl gefühlt und war oft alleine mit ihm. Ich ging daran immer mehr kaputt. Ich bin kaputt und versuche zu heilen. Was verdammt schwierig ist. Niemand weiss davon, nur er und ich.

Ich öffne die Augen und muss gähnen. Neuer Tag, neues Glück. Ich bin gestern noch lange wachgelegen und konnte nicht einschlafen. Erst früh am morgen überkam mich der Schlaf.
Ich entscheide mich, heute rumzugammeln. Das heisst Serien schauen und Essen in mich hinein stopfen.
Also stehe ich auf und frage Mila, ob sie mitmachen will. Sie ist natürlich hellbegeistert. Ich hole Nacos und Cola aus dem Küchenschrank und wir setzen uns auf die Coach. Mila startet unsere Lieblingsserie Pretty little liars. Zu Mittag bestellen wir uns beim Chinesen. "Mmmmm. Solche Tage müssen wir wirklich öfters machen", sagt Mila mit vollem Mund. Ich muss grinsen und nicke.

Bis spät in die Nacht waren wir noch wach. Es hat so gut getan, Zeit mit meiner besten Freundin zu verbringen und zu quatschen. Heute ist mein Vorstellungstermin für eine Job in der Bibliothek. Eigentlich habe ich überhaut kein Interesse dort zu arbeiten, aber ich brauche Geld um mein Studium bezahlen zu können. Ich wollte schon immer Mode studieren. Eigentlich könnte ich Mama und Adrian um Geld bitten, aber das mch ich nicht. Erstens, weil ich es mir selbst erarbeiten will und zweitens, müsste ich das bestimmt bei ihm abarbeiten.
Um neun Uhr mache ich mich auf den Weg. Den Termin habe ich zwar erst um zehn Uhr, aber ich will heute definitiv pünktlich sein. Normalerweise bin ich total unpünktlich. Aber das heute ist mir extrem wichtig.
Ich trage eine beige Bluse, eine weisse Hose und dazu beige Boots. Meine Haare trage ich heute ausnahmsweise offen. Sie fallen mir Federleicht ums Gesicht und über meine Schulter. Ich hoffe, ich bin nicht overdresst.
Auf dem Weg hole ich mir noch ein Café und fülle mich super. Ausser die zwei Kilos, die ich mir gestern beim Mädelstag angegessen habe, liegen mir schwer im Bauch. Aber das ist mir egal. Ich habe diesen Tag gebraucht und ihn total genossen.
Um kurz vor zehn betrette ich die Bibliothek. Ich bin extra noch einen Umweg gelaufen, damit ichnicht zu früh da bin.
Sofort kommt ein junger Mann in meinem Alter auf mich zu und streckt mir die Hand hin. Tu einfach so, als würdest du die Hand nicht sehen! "Du musst Mayya Garcia sein. Ich bin Mr. Miller, aber du darfst mich Drake nennen. Mir gehört diese Biblithek. Es freut mich sehr, dass du hergekommen bist." Ich nicke nur, weil ich nicht weiss, was ich sagen soll und als er bemerkt, dass ich seine Hand nicht nehme, zieht er sie weg. Er ist genau die Art Mann von der ich micht fürchte und versuche mich fernzuhalten. Du braucht diesen Job, flüstern meine innere Stimme. Ich weiss, antworte ich. Ich werde mir bestimmt nicht meine Chance hier von Adrian versauen lassen. Sein ich Adrian kenne und seit er mir alles angetan hat, habe ich Angst vor fast allen Männern.
"Wir können in mein Büro gehen", reisst mich Drake aus meinen Gedanken. Ich nicke schon wieder. Er lässt mir den Vortritt und läuft dicht hinter mir. Plötzlich legt er seine Hand auf meinen Rücken und ich erstarre. Ich renn ohne Vorwarnung an ihm vorbei hinaus. Er folgt mir nicht zum Glück. Und dann breche ich in Tränen aus. Ich weiss das diese Geste überhaupt nicht sexuell gemeint war. Du weisst gar nichts. Ich versuche mich zu beruhigen. Ich brauch diesen Job!

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 10, 2021 ⏰

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