Ich habe eine Geschichte zu erzählen.
Nein, sie ist wahrhaftig kein Märchen, aber ich würde sie dennoch als Liebesgeschichte bezeichnen. Eine tragische noch dazu.
Es beginnt mit zwei Wassernymphen, Klytia und Leukothea. Die Schwestern tanzten jede Nacht von jedem Tag über das seichte Wasser umgeben von Lilien und Lotusblumen. Jeden Morgen, wenn sie der erste Sonnenstrahl erreichte, stürzten sie sich zurück ins Wasser, wie es das Gesetz der Wassernymphen vorschrieb.
Eines Tages brachen Klytia und Leukothea diese Regel, sie waren zu neugierig endlich das Sonnenlicht erblicken zu können. Sie saßen gemeinsam am Flussufer und sahen dem Sonnenaufgang entgegen als Apollo mit seinem Streitwagen über den Himmel ritt. Er sah auf die beiden herab und lächelte ihnen entgegen. Sie bewunderten ihn und dachten, dass sie noch nie etwas so göttliches gesehen hatten.
Schon bald gestand Apollo seine Liebe für Klytia. Sie trafen sich jeden Tag am Flussufer und Klytia hätte nicht glücklicher sein können, bis Apollo auf Leukothea traf und von ihrer Schönheit geblendet war. Klytia war eifersüchtig auf die Liebe, die ihr so brutal entrissen wurde und so erzählte sie ihrem Vater, dass Leukothea das Gesetz gebrochen hatte. Leukothea wurde bei lebendigem Leibe begraben und Klytia erzählte niemals, dass auch sie das Gesetz gebrochen hatte.
Die folgende Nacht verbrachte Klytia wieder an der Wasseroberfläche. Sie tanzte mit den anderen Nymphen und ein weiteres mal wartete sie bei Sonnenaufgang am Flussufer auf Apollo. Die Sonne schien und Apollo ritt mit seinem Streitwagen über den Himmel, doch er warf nicht einen einzigen Blick zu Klytia, denn er wusste, dass sie ihre Schwester verraten hatte.
9 Tage und 9 Nächte lang stand Klytia am Flussufer, ohne Essen und ohne Trinken während sie die Sonnenauf- und Untergänge beobachtete. Sie sah Apollo jeden Morgen, wie er den Himmel entlang ritt, doch er schenkte ihr nicht einen einzigen Blick und lächelte sie nie wieder an.
Klytia's Beine schlugen Wurzeln in dem losen Sand, ihr smaragdfarbenes Kleid wurde zu grünen Blättern und ihr Gesicht, welches sie immer der Sonne entgegen streckte, wurde zu einer Blüte.
Diese Blume wächst noch heute in der losen Erde, regt sich langsam um sich mit der Sonne zu bewegen.
Die Sonnenblume.
Ich weiß, ich weiß, es ist eine uralte, langweilige Geschichte. Aber sie war wahr. Ich war mir dessen bewusst, denn ich war eine Helianthi. Helianthi waren die Nachkommen von Klytia und Leukothea; in menschlicher Form.
Wir alle besaßen helle, blonde Haare und braune Augen, mir wurde immer gesagt diese Merkmale sollten sie Sonnenblume repräsentieren.
Was uns letztendlich von Menschen unterschied? Wir liebten in unserem Leben nur ein mal, nur eine einzige Person.
Sobald wir eine Person liebten, erhielten wir das Mal von Klytia. Eine Kennzeichnung auf unserem Körper an dem uns die Person die wir liebten, das erste mal berührt hatte. Ich hatte dieses Zeichen das erste mal auf der Schulter meiner Mutter gesehen, ich vermutete, dass mein Vater sie dort angetippt hatte. Ich hatte nie die Chance gehabt meine Mutter danach zu fragen. Sie starb vor 5 Jahre, kurz nach meinem Vater. Aber zumindest hatte sie sich nicht in eine Sonnenblume verwandelt, ihre einzige große Liebe hatte ihre Liebe erwidert.
Denn das war was geschah, wenn Helianthi nicht innerhalb von 9 Tagen und 9 Nächten von der von ihnen geliebten Person zurück geliebt wurden. Wir wurden zu einer Blume.
Und das war der Grund weshalb ich versuchte mich nicht zu verlieben, versuchte jegliche Bindung an Menschen so gut es ging zu unterbinden.
Nachdem ich mit 14 Jahren zur Waise wurde, war ich zusammen mit meinem Zwillingsbruder Felix nach New York gezogen um dort mit meinen einzigen lebenden Verwandten, meinem Onkel Peter und meiner Tante Amelia, zu leben. Den beiden gehörte ein lokaler Blumenladen in dem wir manchmal am Wochenende aushalfen.
Unter der Woche ging ich zur Schule und an ein paar weiteren Tagen unterrichtete ich Ballett als Teilzeitjob in einem kleinen Tanzstudio in meiner Nähe. Meine Tante sagte mir immer es wäre das Wassernymphenblut in meinen Venen, welches uns Helianthi von Natur aus anmutig erscheinen ließ, also dankte ich meinen Vorfahren für diese Fähigkeit die mir dabei half etwas Geld für das College dazu zu verdienen. Ich verabscheute sie gleichzeitig dafür, dass sie mich dazu gemacht hatten, was ich nun war.
Ich hatte schon so oft gehört, das zu lieben das größte Gefühl sein sollte, das existierte. Aber ich hatte Angst davor. Ich wollte nicht als eine einsame Sonnenblume enden. Wenn ich mich verliebte, dann musste es zum richtigen Zeitpunkt mit der richtigen Person passieren, oder gar nicht. Meine Tante sagte mir immer, dass es so nicht funktionierte. Sie sagte ich könnte mir die Person, den Ort und die Zeit nicht aussuchen, dass es einfach passierte wenn es passieren wollte.
Doch ich verstand es nicht.
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Helianth
Romance„Die Sache ist doch die: Wahrhaftige Liebe wird immer weh tun. Aber wahrhaftige Liebe wird auch immer den Schmerz wert sein, den sie mit sich bringt. Sie ändert die Sichtweise eines Menschen und egal wie sehr man es sich manchmal wünscht; man vergis...