Party

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Ich lächelte gezwungen.
"ja, genau, geht mir auch ständig so", ich legte noch ein fake Lachen dazu, welches sich furchtbar falsch anhörte. Wahrscheinlich war es aber sowieso egal, weil er es wegen des Lärms der anderen Gäste nicht hören konnte.
Ich musste hier raus. Sofort. Eine halbe Stunde habe ich schon mit diesem Kotzbrocken verbracht und ihm subtil zu verstehen gegeben, dass ich keine Lust auf ihn habe. Nur dass er meine Hinweise gar nicht beachtet hat.

Ich legte meine Hand auf seinen schwitzigen Arm. "Also Paul"
"ich heiße Stefan", das erste Mal an diesem Abend verrutschte sein Lächeln und er sah nicht mehr so fröhlich aus.
"also Stefan, ich würde echt gern mit dir weiter quatschen, aber meine Freunde haben mir grade geschrieben.", log ich. Ich hatte noch nicht mal aufs Handy geschaut. "sie warten draußen auf mich." Ich versuchte meinen traurigsten Blick aufzusetzen.

Stefan nahm die Hand, die ich ihm auf den Arm gelegt hatte, in beide Hände. Sie waren mega schwitzig und mich musste mich davon abhalten, sie wegzuziehen und an meinem Rock abzuwischen.

"Musst du denn wirklich schon gehen?", er sah mich flehend an. "Wir reden doch erst seit einer halben Stunde.

Die längste halbe Stunde meines Lebens.

"ich könnte dir nochmal einen Drink kaufen. Du musst ja nicht mit deinen Freundinnen heim. Wenn du willst, kann ich dich danach heimbringen, oder..." Er beendete den Satz nicht. War wahrscheinlich auch besser so, denn sonst wäre ich ausgeflippt.
"Es tut mir wirklich Leid, aber ich muss los." Und so stand ich auf, nahm meine Tasche und ging Richtung Ausgang. Ich drehte mich um und winkte. "Man sieht sich." Hoffentlich nie wieder.
Ich wartete seine Antwort gar nicht ab und ließ ihn und seinen fassungslosen Gesichtsausdruck einfach zurück. So schnell wie möglich versuchte ich mich durch die Masse an Partygästen vorbeizuschieben, sodass er gar nicht auf die Idee kam, mir nachzurennen.

Ich seufzte, als ich die Tür aufstieß und in die kalte Nachtluft hinaustrat. Warum konnten manche Jungs einfach keine Hinweise verstehen? Und warum müssen sie überhaupt die ganze Zeit irgendwelche Leute angraben?
Wohlwissend, dass ich auf diese Fragen nie eine Antwort bekommen würde, ging ich durch die Rauchschwaden, die von den Rauchern draußen verursacht wurden. Sie standen in kleinen Grüppchen rund um das Clubgebäude. Einer stand sogar alleine weit von den anderen entfernt in einer unbeleuchteten Ecke. Er hatte dunkle Haare, die ihm ins Gesicht hingen, und war gegen eine alte Holztür gelehnt, die aussah als würde sie jeden Moment durchbrechen und ihn in das Innere des leerstehenden Gebäudes fallen lassen.

Unsere Blicke trafen sich kurz. Er sah gut aus. Trotzdem wandte ich mich schnell ab, weil es sonst peinlich werden würde.  Ich wühlte in meiner Tasche nach meinem Geldbeutel, um ein Taxi zu bestellen, als ich plötzlich ein Geräusch hinter mir hörte.
Sofort drehte ich mich um. Als Frau alleine unterwegs zu sein, sorgte dafür, dass mein Adrenalinspiegel nie ganz unten war und ich jederzeit bereit war waegzurennen. Ich versuchte auszumachen, was das Geräusch verursacht hatte, fand jedoch nichts. Gar nichts.

Der Typ der vorher in der Ecke gestanden hatte, war auch nicht mehr da. Er war einfach so verschwunden. Die alte Holztür war zu, nicht durchgebrochen. Ansonsten war auch alles still. Die anderen Raucher hatten von all dem anscheinend nichts mitbekommen, da sich von ihnen keiner regte.

Ich sah noch mal die Ecke genauer an, fand aber gar nichts. Sie war von zwei Seiten von einer Gebäudewand umgeben, die drei Stockwerke in die Höhe ging.
Er konnte nur durch die Tür verschwunden sein. Die war allerdings mit einem dicken Holzbalken verschlossen. Niemals hätte der Typ sie in der Sekunde, in der ich mich umgedreht hatte, es geschafft  darin zu verschwinden. Geschweige denn den Holzbalken von innen wieder an die richtige Stelle zu setzen.

Aber wie? Wie war er dann verschwunden? Wenn er nicht über eine Mauer oder durch die Tür abgehauen sein konnte, was war denn dann passiert? Ich zog die Augenbrauen zusammen.
Einige Raucher starrten mich an, weil ich schon seit ungefähr einer Minute an derselben Stelle in der Mitte der Straße stand. Ich setzte mich in Bewegung, direkt auf die Hauptstraße zu. Dabei kreisten meine Gedanken immernoch um den Typen, der einfach verschwunden war.

Ich wank ein Taxi heran und stieg ein. Der Taxifahrer sah mich kurz durch den Rückspiegel an, richtete seinen Blick aber gleich wieder auf die Straße und fuhr los, nachdem ich ihm meine Adresse genannt hatte. Ich lehnte mich zurück und meine Gedanken wanderten zurück zu dem Typen.

Er konnte weder durch die Tür, noch durch die Wand abhandengekommen sein. Und an mir vorbei wäre er in der Zeit nie gekommen. Außerdem hätte ich ihn ja gehört.

Unwillkürlich musste ich an ein Zitat von Arthur Conan Doyle denken. Wenn du das Unmögliche ausgetilgt hast, das, was bleibt, so unwahrscheinlich es auch sei, muss die Wahrheit sein. Nur was war in meinem Fall das, was bleibt?

Den ganzen Heimweg dachte ich darüber nach, bis ich irgendwann zu dem Schluss kam, dass ich mich getäuscht hatte. Den Jungen hatte es nie gegeben. Ich hatte ihn mir nur vorgestellt, weil ich ein bisschen zu viel getrunken hatte, und sowieso schon im Fluchtmodus war, da ich Angst hatte. Warum sollte sich denn ein Typ auch einfach in eine dunkle Ecke allein hinstellen? Das machte doch niemand.
Das Geräusch dagegen könnte es natürlich gegeben haben. Vielleicht war irgendetwas in dem baufälligen Haus runtergefallen, unwahrscheinlich war das nicht.

Ich gab mich mit der Antwort zufrieden und zweifelte sie auch nicht an. Darüber nachdenken tat ich in den nächsten Wochen trotzdem. Er hatte so real ausgesehen.

Vielleicht fing ich aber tatsächlich an, zu halluzinieren. Möglich wäre es.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 13, 2020 ⏰

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