Prolog

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Es verlassen mich alle. Selbst dann, wenn ich schon niemanden mehr habe. Selbst sie ignoriert mich jetzt. Wie soll ich das alles schaffen, wenn sogar sie mich hasst?

Als meine Stiefmutter ohne zu klopfen die Tür öffnete, sah ich zu ihr auf und versuchte zu lächeln. Sie allerdings beachtete mich erst gar nicht und hob' die wie immer in meinem Zimmer verstreut liegende Wäsche auf. Beim hinausgehen betrachtete sie mich kurz, sagte allerdings nichts und schloss geräuschlos die Tür. Ich atmete aus und kniff meine Augen zu. Heute war alles für mich zu hell.

Als mein Handy anfing, lauthals neben mir This Is War von 30 Seconds To Mars abzuspielen, war ich so erschrocken, dass ich es gegen die Wand warf und es geradewegs in den Papiereimer fiel. Seufzend stand ich auf und wühlte in zerknüllten, zerrissenen oder sogar geschredderten Blättern, wovon mehr als die Hälfte Briefe waren, die ich ihr immer schicken wollte. Schließlich fand ich mein Handy ganz unten unter einem leeren Puddingbecher. Bah, Pudding. Ich hasse dieses Zeug. Ich fuhr mir durch meine Haare, sah mich erst etwas verloren um und setzte mich letztendlich wieder auf mein Bett. Eine neue Nachricht. Vielleicht war es sie? In meiner Eile löschte ich fast alle SMS, anstatt die neueste zu lesen.

Lieber CallYa-Kunde, ihr Guthaben beträgt noch 0,67 Euro. Wir bitten sie, ihr Guthaben bald zu erneuern. Ihr CallYa Team.

Ich seufzte traurig. So hatte das keinen Sinn. Das alles hier. Meine Jacke im Wohnzimmer vergessend nahm ich meinen Schlüssel vom Haken und ging raus. Es regnete und eine Gruppe von blonden Mädchen lief kichernd durch den Park, unter jeder der großen Kastanien Schutz vor dem Regen suchend. Wie sie mich nervten. Überall diese schlecht blondierten Bräute, die mit ihren „ABFFIUEs“, wie sie es sagten, „Einfach alles“ überstehen konnten mit ihren „Bäbüühs“. Jedes Mal regten sie mich auf. Und auch jetzt wieder, als sie mich ansahen, mit ihren mit viel zu viel Wimperntusche geschminkten Augen und leise tuschelten. Konnten sie sich nicht einfach um ihren eigenen Scheiß kümmern?

Mit kaltem Blick verfolgte ich sie mit meinen Augen, bis sie um eine Ecke verschwanden. Dann zog ich mir die Kapuze meines dicken Sweatshirts über den Kopf und macht mich auf den üblichen Weg. Durch den matschigen Park, an den Clubs, aus denen laute Musik und Gelächter drangen, vorbei durch die kleinen, liebevoll gepflegten Gärten. All das kotzte mich einfach nur an. Alles Heuchelei, überall nur Lügerei. Jede Nacht sah man die gleichen Kerle durch den Park laufen, immer mit einem anderen Mädchen, denen sie ihre Liebe schworen. Ab Schulschluss waren die Clubs ein reiner Schlampenmagnet, und in der Masse der leicht bekleideten, angetrunkenen 16- jährigen übersah man dann die, die nicht nur da waren, um sich flachlegen zu lassen. Jeden Vormittag kamen die Frauen der Bürohengste aus ihren Häusern gekrochen um sich um ihren schönen Garten zu kümmern, die doch eigentlich nur dafür da sind, um von den endlosen Streitereien und der unzähligen Schlägereien in den Häusern, die sich hinter ihnen verborgen, abzulenken.

Da war sie, die kleine und eigentlich unbedeutende Brücke, die einen Weg über den Bach, den die meisten hier fälschlicherweise als Fluss bezeichneten, zu ermöglichte. Die großen, groben Steine, aus der sie gebaut war, versteckten sich unter einer dicken, festen Schicht Schmutz und Staub vor der Welt. Irgendwo beneide ich sie ja. Ich setzte mich in die Mitte des ebenso aus grauen Steinen bestehenden Geländers der Brücke und beobachtete die kleinen Fische, wie sie glücklich im Strom schwammen. Es muss schön sein, in solch einer Harmonie zu leben. Ein Fisch, der sich etwas von den anderen entfernt hatte, hing mit seinen Flossen in Algen, die in Nähe des Ufers wuchsen, fest. Der arme Kerl. Ich sprang von dem Geländer und wollte dem Kleinen zur Hilfe kommen, doch er hatte sich schon selbst befreit und beeilte sich nun, wieder zu den anderen zu kommen. Ich seufzte und setzte mich auf einen etwas größeren Stein direkt am Wasser.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 15, 2015 ⏰

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