1. Türchen - Adventskalender

1.6K 194 30
                                    

Louis Pov

Ich saß am gedeckten Frühstückstisch und wartete darauf, dass Harry endlich fertig wurde im Badezimmer. Doch scheinbar ließ sich mein Freund heute extra viel Zeit oder zumindest kam es mir so vor. 

  "Guten Morgen", ertönte die Stimme des Lockenkopfes nach einer gefühlten Ewigkeit des Wartens, während er sich dem Tisch näherte und sich mir gegenüber auf seinem Platz niederließ. Lächelnd griff er nach der von mir befüllten Teetasse, um einen Schluck zu trinken. Neugierig, aber auch erwartungsvoll blickte ich ihn an, weswegen der Blick meines Gegenübers irritiert wurde. "Schmeckt gut", sagte er zögerlich. Da das nicht die Worte waren, die ich hören wollte, zog ich eine Augenbraue hoch. "Tut mir leid, Louis, ich habe über Nacht nicht die Fähigkeit erlangt Gedanken zu lesen."

  "Heute ist der 1. Dezember", informierte ich Harry, was jedoch nicht gegen sein fragenden Gesichtsausdruck half. 

  "Ich weiß", sagte er. 

  "Hast du nichts vergessen?"

  "Nicht dass ich wüsste. Aber wenn du etwas weißt, an das ich mich scheinbar nicht erinnere, darfst du es mir gerne verraten." 

  "Am 1. Dezember macht man das 1. Türchen eines Adventskalenders auf." Harrys Gesichtsausdruck zur Folge schien ihm endlich eingefallen zu sein, worauf ich wartete, weswegen ich lächelte. 

  "Ich hab ganz vergessen, dass ich Gemma noch ihren Adventskalender bringen muss. Danke für die Erinnerung. Ich fahr nach dem Frühstück direkt zu ihr. Möchtest du mit?" Mein Lächeln fiel. 

  "Nein, danke", antwortete ich, wobei ich nach meiner Tasse griff. 

  "Alles in Ordnung?"

  "Klar, alles super. Ich gehe eine Rauchen", informierte ich Harry, ehe ich mit meiner Tasse aufstand. 

  "Ich dachte, du wolltest aufhören." Als Antwort zuckte ich lediglich mit den Schultern. "Was ist mit dem Frühstück?"

  "Keinen Hunger." Bevor Harry weitere Fragen stellen konnte, schloss ich die Küchentür hinter mir. Aus dem Wohnzimmer holte ich meine Zigarettenschachtel, ehe ich die Terrasse ansteuerte, wo ich mich auf die Gartengarnitur fallen ließ. Vermutlich konnte Harry mein Verhalten gerade nicht nachvollziehen, was auch in Ordnung war, denn er hatte nichts verkehrt gemacht. 

Er hatte mich vor einiger Zeit gefragt, was ich mir in einem Adventkalender wünschen würde. Als wenige Tage später dann auch noch ein Paket kam, welches ein Bastelset für einen Adventskalender beinhaltete, war ich davon ausgegangen, dass Harry ihn für mich machen wollte. Gemma hatte er im Zusammenhang mit einem Adventskalender nie erwähnt, wodurch ich nicht ahnen konnte, dass es sich um ein Geschenk für seine Schwester handelte. 

Obwohl es bei sieben Kindern deutlich einfacher und vermutlich auch günstiger gewesen wäre, Adventskalender zu kaufen, hatte meine Mum sich jedes Jahr aufs neue die Mühe gemacht meinen Geschwistern und mir einen zu basteln. Selbst als ich und später auch Lottie und Fizzy ausgezogen waren, hatten wir in Doncaster an ihren üblichen Stellen noch unsere Adventskalender. Er war eine Tradition, die mit dem Tod meiner Mum endete. 

Ich lehnte mich zurück und blickte hoch in den Himmel. 

  "Lou?", ertönte Harrys zögerliche Stimme hinter mir. Ich reagierte nicht, weswegen sich Schritte näherten. Harrys Hände legten sich auf meine Schultern. Gleichzeitig lehnte er sich von hinten über mich, wodurch sein Gesicht in meinem Blickfeld erschien. Sein Gesichtsausdruck wurde besorgt. "Was ist los?" Als Antwort schüttelte ich lediglich den Kopf. Einige Sekunden blickte der Lockenkopf mich einfach schweigend an, ehe er sich vorlehnte und einen Kuss auf meiner Stirn platzierte. Ich schloss für einen Moment die Augen. Als ich sie wieder aufschlug, hatte Harry seine Position verlassen. Er umrundete die Couch, auf der ich saß, und kniete sich vor mir auf den Boden, um von dort nach meinen Händen zu greifen. Sanft küsste er meinen Handrücken, dann richtete sich sein Blick auf mein Gesicht. "Es hat mit deiner Mum zu tun, oder?"

  "Du hast doch gesagt, dass du keine Gedanken lesen kannst." 

  "Aber ich kenne dich halt sehr gut nach sieben Jahren Beziehung." Sanft drückte er meine Hände. "Möchtest du mir erzählen, was los ist?" 

  "Ich möchte gerade nicht reden." 

  "Okay", erwiderte der Größere lediglich, wofür ich ihm sehr dankbar war. Harry war da, wenn ich ihn brauchte, doch er zwang mich niemals zu einer Antwort. Es gab Tage an denen er mich einfach stundenlang festhielt ohne auch nur ein Wort der Erklärung zu erhalten. Er verließ sich darauf, dass ich es selbst erkannte, wenn ich mit meinen Gedanken alleine nicht mehr klar kam, und kannte mich gut genug, um zu bemerken, wann es Zeit wurde, doch einzuschreiten. Schweigend erhob er sich vom Boden, setzte sich zu mir und legte einen Arm um meine Schulter, ehe er mich sanft näher an sich zog. Ich kuschelte mich an seine Seite, legte den Kopf auf seine Schulter und schloss die Augen, während Harrys Hand durch meine Haare fuhr. 

Einige Minuten saßen wir einfach nur dort ohne ein Wort zu sagen. Meine Gedanken kreisten nun jedoch um Harry und darum, was für ein Glück ich hatte, ihn meinen Freund nennen zu dürfen. Schließlich konnte ich es nicht vermeiden, dass sich ein Lächeln auf meine Lippen schlich. 

  "Verrätst du mir den Grund dafür?", erkundigte sich Harry, wobei er mit der Fingerspitze über meine Lippen fuhr. 

  "Nach sieben Jahren Beziehung solltest du den Grund kennen", erwiderte ich. Noch immer lächelnd öffnete ich die Augen und blickte zu Harry hoch ohne den Kopf  von seiner Schulter zu nehmen. 

  "Sagst du ihn mir trotzdem?"

  "Ausnahmsweise." Ich hob meinen Kopf von seiner Schulter und streckte Harry mein Gesicht entgegen. Lächelnd kam er meiner stummen Aufforderung nach und küsste mich kurz. "Ich liebe dich", sagte ich, woraufhin ich einen zweiten Kuss erhielt. 

  "So ein Zufall, ich liebe dich nämlich auch." Gerade als ich meinen Kopf zurück auf die Schulter meines Freundes legen wollte, entschied dieser aufzustehen, was ich mit einem Grummeln kommentierte. "Wo wir gerade beim Thema sind. Komm mit, ich möchte dir war zeigen." Harry hielt mir seine Hand hin, die ich seufzend ergriff. 

   "Und das kann nicht noch ein paar Minuten warten?"

  "Grundsätzlich schon, aber ich kann mich besser entspannen, wenn ich mir keine Gedanken mehr über deine Reaktion machen muss." Ich ließ mich von Harry auf die Beine ziehen, dann folgte ich ihm zurück ins Haus, wo wir das Schlafzimmer ansteuerten. 

Über der Kommode hing ein Ast, der mit etwas Tannengrün dekoriert war. Am Ast waren Bänder befestigt, an deren Enden sich zusammengerollte Zettel befanden. 

  "Ich wollte dir keine sinnlosen Dinge schenken, die später eh nur irgendwo herum liegen und irgendwelche Hygieneartikel oder einfach Süßigkeiten fand ich auch doof, also habe ich mich für diese Variante entschieden. Auf jedem Zettel steht ein Grund, warum ich dich liebe, wobei es wirklich schwierig war, mich für 24 Gründe zu entscheiden. Vielleicht habe ich hin und wieder auch mal geschummelt und mehrere Gründe auf einen Zettel geschrieben." Ich drehte mich zu Harry um und warf mich in seine Arme. 

  "Womit habe ich nur so einen fantastischen Freund wie dich verdient?", murmelte ich in den Stoff seines Pullovers hinein. 

  "Naja, mindestens 24 Gründe, warum du mich verdient hast, findest du im Adventskalender." 

  "Ich liebe dich", lächelte ich glücklich, hob meinen Kopf und küsste Harry. 


Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.
Larry Adventskalender 2020Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt