Von Plüschhunden & Schuldgefühlen

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Ich nehme ein schrilles Piepen in meinen Ohren wahr. Langsam versuche ich meine Augen zu öffnen. Außer einem Zittern, welches meinen Körper durchdringt, sitze ich stocksteif da. Ich kann weder meine Arme noch meine Beine bewegen. Was war soeben passiert? Ich versuche meine Gedanken zu ordnen, doch es gelingt mir nicht. In meinem Kopf herrscht nur eine beängstigende Leere. 

Erst Sekunden - vielleicht Minuten später - realisiere ich das Geschehene. Wie in einem ein Film laufen die Bilder in meinem Kopf ab. Mir wird übel und ich versuche panisch durch Schnappatmung wieder Luft in meine Lunge zu befördern. 

In diesem Moment wünsche ich mir einfach nur, dass ich die Zeit zurückdrehen könnte. Zurück zu meinem Lieblingssong, den ich im Radio gehört hatte, zurück zu der fröhlichen Stimmung, die im Auto geherrscht hatte. Ausgelassen hatten mein kleiner Bruder und ich dazu gegrölt. Mit heruntergekurbelten Fenstern waren wir über die Landstraße gefahren und hatten den warmen Sommertag genossen. 

Eine Tür wird geöffnet, eine Stimme sagt irgendetwas. Es hört sich alles so weit entfernt an, als wäre eine Glasscheibe zwischen meiner Welt und der anderen. Erst jetzt realisiere ich, dass ich immer noch hinter dem Steuer meines alten Opel Corsa sitze. Wie benebelt drehe ich meinen Kopf in Richtung der Stimme. Ganz langsam nur, da sich jede Bewegung anfühlt, als würde mir jemand mit einem Hammer auf den Kopf schlagen. Ich erkenne die geöffnete Fahrertür. Dort steht ein Mann in einer dunkelblauen Uniform, der mit mir spricht. Ich verstehe nur Wortfetzen des Gesagten. 

„Hallo...können sie mich hören?" Ich nicke vorsichtig auf seine Frage. Dann richte ich meinen Blick wieder nach vorne. Zum ersten Mal blicke ich aus der Windschutzscheibe nur um das zu sehen, wovor ich mich fürchtete. Panik rast durch meine Knochen und ich werde von sämtlichen Emotionen überwältigt. Schock, Reue, Trauer und Schuld. 

...Schuld...

Es war meine Schuld! All das hier war einzig und allein meine Schuld...dass vor mir ein silberner Trümmerhaufen steht, der mal ein Auto gewesen war...dass soeben eine Person auf eine Krankentrage gehoben wird und mit einer schwarzen Decke zugedeckt wird...Es war meine Schuld. Ich spüre, wie mir die heißen Tränen die Wangen hinabfließen. 

Samy! Wie ein eiskalter Blitz fährt es mir durch den Körper. Ich versteife mich und drehe mich angsterfüllt zum Kindersitz auf der Rückbank um. Leblos sitzt mein fünfjähriger Bruder da, mit einer großen Platzwunde am Kopf. Seinen Plüschhund hält er noch immer in den Händen. Mein Herz zieht sich bei seinem Anblick vor Schmerz zusammen. Ich schluchze auf fühle mich einfach nur noch verloren. In meinem Inneren brodelt ein immenser Selbsthass. Nie wieder würde ich diese Schuldgefühle loswerden. 

Nur einen Augenblick lang war ich abgelenkt gewesen. Nur für wenige Sekunden hatte ich meinen Blick von der Straße abgewendet. Doch das war schon zu lange gewesen. Es hatte ausgereicht um von meiner Spur abzukommen und mit über 100 Stundenkilometern in ein gegnerisches Fahrzeug zu knallen. 

Und das Allerschlimmste war - Ich war noch am Leben.

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