Es ist der 11. Oktober, International Coming Out Day.
Ich reiste in die Vergangenheit zurück und überlegte wie das alles so bei mir angefangen hatte. Wie und wann ich darauf kam, dass ich auf Frauen stand, wie sich alles entwickelt hatte über die Jahre, meine Gedanken, meine Gefühle dazu und allgemein der Umgang mit diesem Gefühl eventuell von der Norm abzuweichen weil ich nicht Heterosexual bin. Desto weiter ich zurück blickte desto eher spielten sich manche Momente und Geschehnisse in einer ganz anderen Perspektive ab. Früher war ich so unsicher und hatte ein Selbstbewusstsein wie ein Stein und mit den Jahren bin ich so viel selbstsicherer geworden, mit meinem Körper (Halleluja ist die Pubertät vorbei) aber auch mit der Sicht auf mich selbst, andere Menschen und die Welt. Ich sehe ein kleines, pummeliges Mädchen in Jungenklamotten vor meinen Augen, weil sie angeblich keine Mädchenklamotten tragen sollte, da sie dafür eh zu dick sei, ihr Selbstbewusstsein war so gering, wahrscheinlich hatte sie selbst keine Definition von diesem Wort, welche sie auf sich projizieren hätte können. Sie hatte sich nie getraut mit Menschen zu reden, war lieber alleine, als unter Menschen zu sein. Natürlich wollte sie immer irgendwie dazu gehören doch es fiel ihr so schwer, da es in dieser großen Welt so gemein zu ging, sodass sie sich lieber in ihre Fantasiewelten der Bücher verkroch. Mit der Zeit strengte sie sich echt an, irgendwie dazu gehören zu können, doch es gab immer Leute die schlanker, intelligenter oder cooler waren als sie. Mit der Zeit nahm sie etwas ab, doch sie war immer noch nicht zufrieden mit sich selbst, ihre Brille die sie ihr Leben lang schon Verfolgte, machte es ihr nicht leichter, sich hübsch zu finden, die schlaueste war sie auch nicht und viele Freunde hatte sie ebenfalls nicht, da es ihr immer noch schwer fiel mit den Menschen eine Bindung aufzubauen, geschweige denn genug vertrauen hegte, um den Menschen eine Chance zu geben, da sie nie eine wirkliche starke Freundschaft hatte. Sie war einfach immer der gute Durchschnitt, fiel nicht auf und ging so in der Menschenmasse unter.
Was sie immer glücklich machte war das Tanzen, da sie das echt gut konnte und sie einfach so viel Spaß daran hatte. Dort traf sie auch immer ihre beste Freundin, die sie leider nur so selten sah, da sie nicht in der selben Klassenstufe waren. Beim Tanzen fand sie ihre zweite kleine Familie, dort gab es eigentlich nie irgendeinen Streit oder irgendein mobbing gegen sie, sie konnte einfach sie selbst sein.
Trotzdem fühlte sie sich größtenteils einfach nur fehl am Platz suf dieser großen Welt.
Als sie dann auch noch mit 15 anfing zu begreifen, dass sie noch mehr ein Außenseiter war, da sie gar nicht an Jungs interessiert war, verschloss sie sich den Menschen nur umso mehr. Es dauerte einige Monate bis sie es für sich selbst akzeptierte und noch einige Monate mehr bis sie es wagte es laut auszusprechen, dass sie auf Mädchen stand.
Sie träumte immer davon, endlich 18 zu sein, sodass sie ausziehen kann, ihr Leben so leben kann wie sie es möchte. Niemand würde ihr sagen was sie zu tun und zu lassen hat, sie könnte machen was und wann sie möchte... doch dieser Wunsch lag immer so weit in der Zukunft, da sie doch noch 3 Jahre lang warten müsste.
Die Angst vor Ablehnung wegen ihrer Sexualität war einfach so groß, dass sie sich fragte, ob sie es überhaupt irgendjemanden erzählen sollte, schließlich war sie doch in ihrer kleinen Welt so glücklich. Doch irgendwann war dieses Bedürfnis so groß dass sie es endlich jemanden erzählen wollte....
Es war Weihnachten, sie war vor einigen Tagen 16 geworden und die Feiertage waren voll mit so viel Versprühter Liebe. Sie platzte fast, da sie das große Geheimnis nun länger als ein Jahr für sich behalten hatte, also schrieb sie ihrer besten Freundin und outete sich das erste mal einer Person gegenüber, vor deren Reaktion sie am meisten Angst hatte.
Was ist wenn sie nichts mehr mit mir zu tun haben möchte, da ich auf Frauen stehe?
Was ist wenn sie es nicht akzeptiert oder es jetzt mega komisch wird zwischen uns?!
Die Angst machte sich so breit in ihr, dass sie anfing zu zittern. Doch zum Glück hatte sie eine wahre und wundervolle Person als beste Freundin, welche so süß darauf reagierte, wie sie es sich nicht mal erträumt hatte
