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Er hatte seine Arme neben meinem Kopf an die Wand gestützt und sah mir tief in die Augen. Sehr tief.
Ein paar Minuten war es still zwischen uns und ich wagte erst recht nicht irgendetwas zu sagen. Schließlich ergriff Thomas nach einer gefühlten Ewigkeit das Wort.
„Wer war der Kerl?!" fragte er mit einem leicht gereizten Unterton und einem Hauch von Eifersucht. Ohne es zu merken machte ich einen verwirrten Gesichtsausdruck wegen meiner Erkenntnis, dass er eifersüchtig sein könnte. Doch Thomas dachte wohl, ich wüsste nicht von wem er sprach.
„Dieser Kerl von vorhin mit dem du...Essen gehst."

Irgendwie sah er traurig, angewidert, verwirrt und eifersüchtig aus. Alles zugleich.
„Dylan..." ich machte eine Pause damit er sich seinen Namen merkte und ihn nicht immer »Kerl« nannte...„Hat gesehen wie ich weinend aufs Klo gelaufen bin und hat mich dann später gefragt ob ich mit ihm Mittag essen möchte." stellte ich klar.
Man sah ganz eindeutig wie sein Kiefer arbeitete.
„Du triffst dich nicht mit ihm!"
Meine Augen weiteten sich.
„Was?!!" brüllte ich. Wieso wollte er mich nicht mit ihm essen gehen lassen?
„Thomas das hast du nicht zu entscheiden! Und wieso interessiert's dich überhaupt?"
„Weil du mir gehörst, verstanden? Mir" sagte er in einem beunruhigenden leisen Tonfall.

„Ich bestimme mit wem du dich triffst und mit wem nicht."

Wieso?
„Wieso Thomas? Ich gehöre dir nicht und du bestimmst gar nichts über mich, kapiert?!"
Ich wartete seine Reaktion gar nicht erst ab damit er es mit einem weiteren Spruch kontern konnte. Ich drückte ihn also von mir weg und lief zur Türe hinaus.
Mit schnellem Schritt ging ich zu meinem Schließfach.

Verwirrt und wütend öffnete ich meinen Spind. Thomas glaubte wirklich das ich ihm gehörte? Wieso? Seit wann? Ich hatte so viele Fragen an ihn, war aber zu wütend und zu stolz wieder zu ihm zu gehen. Angst hatte ich tatsächlich gar nicht, dafür war meine Wut auf ihn viel zu groß. Ich würde zu diesem Treffen hingehen!
Die Klingel läutete wieder und ich setzte mich in Bewegung.

Ich dachte nochmal an die ganze Situation. Wie wir uns gegenseitig in die Augen geschaut hatten...
Wie ich zwischen seinen zwei starken Armen gefangen war aber auch gar nicht entkommen wollte...
Abrupt blieb ich stehen. Ich wiederholte den Gedanken in meinem Kopf immer und immer wieder und hörte dabei auf mein Bauchgefühl.

Ich wollte nicht entkommen.

Ja...
Warum?
Vielleicht, weil es sich gut angefühlt hatte so nah bei ihm zu sein?
Vielleicht, weil es mir gefallen hatte von ihm gefangen zu sein?
Vielleicht, weil ich es schön fand, dass ich anscheinend ihm gehörte?
Je mehr ich darüber nachdachte desto klarer wurde es mir.
Genauso wollte ich es doch!
Mir gefiel der Gedanke, dass Thomas eifersüchtig auf Dylan sein könnte.
Doch was hieß das jetzt? Mochte ich Thomas? Liebte ich ihn sogar?
Nein!
Schnell vergaß ich den Gedanken wieder und widmete mich unserer Englisch Lehrerin die gerade hereinkam und direkt anfing über Liebe und ihre Bedeutung zu sprechen.
Will die mich eigentlich verarschen?!?
Ich drehte mich um und suchte nach Thomas.
Doch er war nicht da.
Eigentlich nichts Neues, er schwänzt schon öfter den Unterricht.
Ich drehte mich wieder nach vorne und versuchte trotz des beschissenen Themas aufzupassen.

Irgendwie wollte ich bei Thomas sein. Seine ruhige, mehr oder weniger zärtlichere Art von vorhin...
Ich erinnerte mich an das Gefühl als er mir vor den Schließfächern gedroht hatte. Nicht an das Gefühl der Angst der Drohung...mehr das Gefühl das ich gehabt hatte als er so nah an meinem Ohr war. Nah bei mir. Die Gänsehaut die ich bekam...
Ich wollte, dass er mir wieder so nah war. Ich hatte schon fast ein Verlangen danach!

Bin ich eigentlich verrückt?!? Wieso um alles in der Welt wollte ich Thomas Sangster bei mir haben?
Dylan! Auf ihn sollte ich mich jetzt konzentrieren und auf nichts anderes. Unterricht...? Neeee lieber auf Dylan.
Doch als ich an ihn dachte verspürte ich plötzlich eine nicht mehr so große Freude mit ihm in der Mittagspause zusammen zu sein.
Schweren Herzens musste ich mir eingestehen, dass ich jetzt lieber bei Thomas gewesen wäre. Aber das ging nicht. Alleine, weil ich seinem Befehl, nicht mit Dylan zu essen, nachgekommen wäre und dafür wäre ich dann wieder zu stolz gewesen.
Was war denn los mit mir? Sehe ich mich so sehr nach ein bisschen Zärtlichkeit, dass ich selbst Thomas Sangster dafür in Betracht zog?
Erst jetzt merke ich, wie einsam ich war. Es machte mich traurig.

Nach Englisch hatte ich Kunst. Als ich den Kunstraum betrat, fiel mir auf, dass Thomas schon wieder nicht da war. Das er zwei Stunden hintereinander schwänzte passierte doch eher seltener und nur, wenn etwas passiert war. Nichts schlimmes natürlich.
Er wird wohl wieder beim Direktor sitzen.
Ich ging zu meinem Platz neben Jack, einer von Thomas Freunden. Aber noch nicht mal er war da.
Ich muss ziemlich verdutzt dort gestanden haben als mich meine Lehrerin ansprach.
„Harper ist alles in Ordnung? Du siehst aus als ob du einen Geist gesehen hast."
Wohl eher nicht gesehen...
„Tut mir Leid Mrs. Chi...ich habe etwas vergessen. Kann ich es noch schnell holen?"
„Schätzchen das ist Kunst! Was willst du da vergessen?"
„Bitte, es ist wichtig!"
Sie überlegte kurz. Ich hoffte das sie mich rauslassen würde damit ich Thomas suchen konnte.
„Na gut." entschied sie sich.
Ein Lächeln konnte ich mir nicht verkneifen.
„Dankeschön!"
Und schon ging ich schnellen Schrittes zum Büro des Direktors.

Als ich es vor mir sah wurden meine Schritte immer langsamer und leiser.
So gut ich auch hinhörte, es kam kein Ton aus dem Raum. Thomas konnte also nicht dort drinnen sein.
Frustriert drehte ich mich um.
Dann schoss mir ein Gedanke durch den Kopf. Was, wenn er irgendetwas schreiben musste? Also drehte ich mich wieder um und klopfte an die Türe. Ein leises »Herein« war zu hören.
Ich öffnete die Tür und dirt saß er.
Unser Schuldirektor Mr. McBridge.
Ich spürte wie mein Körper aus Frustration nach unten sackte.
„Entschuldigen Sie bitte Mr. McBridge...ich dachte nur Thomas wäre vielleicht hier. Wissen Sie wo er ist?"
„Thomas...? Thomas Sangster...? Nein tut mir Leid."
Am liebsten hätte ich angefangen zu heulen.
„Oh naja dann...trotzdem Vielen Dank. Bitte entschuldigen Sie noch einmal vielmals."
Als ich die Türe wieder schloss überlegte ich.
Wo könnte er sonst sein? Ist er überhaupt noch in der Schule oder schon längst über alle Berge? Beim überlegen ging ich weiter. Ich ging auf den Schulhof. Dort war niemand und ich wollte wieder reingehen.

Doch dann sah ich Thomas.

Er stand vor einer Wand...alleine. Er sah ziemlich aufgewühlt aus, hielt keine Sekunde still, lief immer auf und ab. Manchmal hatte er seine Hände in seine Haare gekrallt. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte ich gesagt, dass er weinte.
Alles in allem sah er furchtbar aus.
So emotional hatte ich ihn noch nie gesehen.

Gerade als ich einen Schritt weiterging schrie Thomas plötzlich auf und schlug mit beiden Händen auf die harte Steinmauer ein, die er natürlich unmöglich bezwingen konnte.
Aus seinen Fingerknöcheln lief das Blut doch er hörte nicht auf. Er schlug immer weiter.
Mir tat der Anblick weh.
„Thomas hör auf!". Ich lief zu ihm doch er hörte nicht auf.
„Thomas verdammt nochmal, lass das! Du blutest!"
Mit seiner linken Hand hörte er auf dich seine rechte machte stolz weiter.
„Thomas!!" schrie ich so laut wie ich konnte. Erst dann hörte er auf. Er drehte sich nicht zu mir um. Völlig außer Atem schaute er auf die Steinmauer vor sich, die jetzt an zwei Stellen etwas eingedötscht war.

Wir beide blieben still.
Was sollte das? Wieso hämmerte er auf eine Steinmauer ein wie Hulk?
Ganz vorsichtig legte ich meine linke Hand auf seine rechte Schulter.
„Thomas..?" sagte ich so leise, dass ich Angst hatte er könnte mich nicht verstehen. Doch er hörte mich.
Thomas bekam wieder einen kleinen Aggressionsanfall, drehte sich um und schlug meine Hand weg.
„Wieso fasst du mich an du kleine Schlampe?! Habe ich dir gesagt das du mich anfassen sollst?!? Warum bist du nicht im Unterricht und zeigst den Lehrern was für ein Einstein du bist?!"
Mit jedem Satz wich ich schnell zurück doch Thomas kam mir nach, so dass wir in der Mitte des Schulhofes standen als er fertig war.
„Weil ich dich gesucht habe." sagte ich fast flüsternd, uneinig mit mir selber ob er es hören sollte oder nicht.
Aber anscheinend musste ich mich das gar nicht fragen denn auch das hörte er.
Sein Gesicht veränderte sich nicht, dafür ging er einen kleinen Schritt zurück und machte große Augen.
„Wieso?" fragte er in einem normalen Ton. Es klang sogar ziemlich verwirrt und irgendwie verletzt.
„Ich...ich...ich weiß nicht...ich dachte dir wäre etwas passiert oder...so."
Thomas sagte gar nichts mehr und ging wieder zurück in die Schule.
Verdutzt blieb ich da stehen. Nach einer Minute guckte ich auf mein Handy.
Noch eine halbe Stunde bis Kunst vorbei war.

Dann war Mittagspause.


Leudiiis!!! Als ich dieses Kapitel geschrieben habe war ich sogar in einer ähnlichen Situation, auch das meine Deutschlehrerin an diesem Tag mit dem Thema Liebe angefangen hat... basiert alles auf einer True Story😂
Das nächste Kapitel wird komplett neu! Das habe ich noch nirgendwo veröffentlicht deswegen bin ich total gespannt ob es euch genauso gut gefällt wie mir... (bis jetzt ist das nächste Kapitel mein Liebling😌)

Schwarzer Glückskeks Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt