𝐂𝐚𝐫𝐦𝐮𝐞𝐥 • you never had me

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♡ SAMUEL

Du hattest mich nie.
Carlas Worte hörte ich seit Tagen immer und immer wieder in meinem Kopf. Ich bekam sie einfach nicht mehr aus meinen Gedanken und konnte nicht aufhören, an sie zu denken. Schon oft hatte ich mich gefragt, ob Carlas Vater nicht hinter ihrem plötzlichen Desinteresse an mir Schuld hatte. Aber dann fragte ich mich, ob es nicht einfach wirklich vorbei war.

Manche Geschichten sind möglicherweise einfach nicht dafür bestimmt, fertig geschrieben zu werden.

Meine Hand griff zu meinem Handy auf dem Tisch. Ich wählte den Chat mit Carla aus und starrte auf die zuletzt geschriebenen Nachrichten. Sie stammten von Carla, die sich nach meinem gespielten Verschwinden erkundigte, wie es mir ging. Ich schrieb kein einziges Mal zurück, aber nun verspürte ich das deutliche Verlangen, noch einmal mit ihr zu sprechen. Und wenn es das letzte Mal sein sollte.

Lange überlegte ich, was ich schreiben wollte, entschied mich dann aber für eine kurze Nachricht.

Ich will mit dir reden. Bitte komm zu mir nach Hause. Niemand wird davon erfahren.

Ich zögerte, schickte die Nachricht dann aber doch ab. Während ich darauf wartete, dass sie kam, bewegte ich mich nicht. Ich starrte nur die gegenüberliegende Wand an und dachte an das Gespräch auf dem Polizeirevier. Ich hatte das Gefühl gehabt, dass das zwischen Carla und mir... echt gewesen war. Ob sie das auch dachte wusste ich nicht, aber die Hoffnung blieb bestehen.

Jetzt wollte ich entgültig wissen, ob wir noch eine Zukunft hatten oder nicht. Beides würde ich akzeptieren müssen.

Zwei Stunden später rechnete ich nicht mehr damit, dass sie kam. Aber dann klingelte es an der Tür. Mit klopfendem Herzen stand ich auf und öffnete diese.

Carla wartete davor. Sie trug immer noch die Schuluniform von Las Encinas und ging ohne eine Begrüßung an mir vorbei ins Innere. Ich ließ sie und schloss die Tür wieder hinter ihr.

,,Du bist gekommen", stellte ich fest. Ich wusste, dass sie immer noch etwas wütend war, weil ich mein Verschwinden nur vorgespielt hatte, um Carla zum reden zu bringen. ,,Ich wollte mich bei dir bedanken, dass du Polo..."

,,Verraten hast. Ich habe ihn verraten", sagte sie und ich verstand sogar, wieso das Überwindung kostete. Carla und Polo waren immerhin mehr als vier Jahre zusammen gewesen. Und sie wusste von Marinas Mord und hatte so lange für ihn gelogen. Irgendwo verstand ich es sogar, auch wenn mein Hass gegenüber Polo überwog.

Ich nickte langsam. ,,Du hast das richtige getan."

,,Ich habe es nicht für dich gemacht, Samuel. Ich habe es gemacht, weil ich es für das richtige gehalten habe. Jetzt weiß ich nicht mehr, ob das stimmt."

,,Dein Vater...?"

Carla zuckte die Schultern und ihr gerade noch so verletzlicher Gesichtsausdruck wurde wieder hart. ,,Was interessiert es dich? Du hast mir vorgemacht, dass du verschwunden, vielleicht sogar tot seist. Ich habe dir tagelang Nachrichten geschrieben und versucht, dich zu erreichen. Ich bin nicht nur auf Polo sauer, sondern auch auf dich. Und jetzt willst du mit mir reden? Wieso?"

Zunächst schwieg ich. Was sollte ich zu diesen Vorwürfen auch sagen? Sie entsprachen der Wahrheit, aber der Plan von Guzmàn und mir war einfach nur perfekt gewesen. Aber hier ging es nicht um Polo oder Guzmàn, sondern um Carla und mich.

,,Das zwischen uns... ich gebe zu, dass es anfangs nur war, weil ich die Wahrheit über Marina hören wollte, aber du bist mir wirklich wichtig geworden", sagte ich schließlich und nahm langsam ihre Hand in meine. Zu meiner Erleichterung hielt Carla still und entzog sie mir nicht. ,,Du bist mir alles andere als egal, Carla."

Sie sah mich an, schien zum ersten Mal in ihrem Leben nicht zu wissen, was sie sagen sollte. Ich wartete auf eine Reaktion. Ihre Hand war kalt, aber sie fühlte sich so vertraut an, dass ich sie nicht mehr loslassen sollte. Langsam zog ich Carla an mich heran, sodass uns nur wenige Zentimeter trennten. Ich blickte in ihre grünen Augen, die mich ausdruckslos ansahen.

Langsam beugte sie sich nach vorne und legte ihre Lippen auf meine. Der Kuss war weniger leidenschaftlich als die letzten, aber trotzdem wirklich schön. Einen Moment hielt ich inne, dann erwiderte ich ihn langsam. Meine Lippen bewegten sich auf ihren und ich zog sie an der Hüfte vollständig an mich heran.

Das hatte ich so sehr vermisst in den letzten Tagen und ich war wirklich erleichtert, dass sie mitmachte. Ich spürte ihre Zunge in meinem Mund und das Verlangen wuchs weiter. Meine Hände fanden den Weg zur Jacke der Schuluniform und ich zog sie ihr aus.

Auch mein T-Shirt landete kurz darauf auf dem Boden, danach Carlas Oberteil. Der Kuss schien ewig zu dauern und ich verlor mich in diesem. Seit Marinas Tod hatte ich so etwas nicht mehr gefühlt.

In diesem Moment wurde mir klar, dass ich Carla wirklich liebte. Wie das entstanden war konnte ich nicht mehr sagen, aber es war so. Niemand konnte das jemals ändern.

Meine Hände vergruben sich in Carlas blonden Haaren, was sie nicht zu stören schien. Sie zog mich nur näher an mich heran.

Plötzlich klingelte es an der Tür. Es war, als würde ich mich aus einer art Trance lösen.

,,Du solltest gehen", murmelte Carla und obwohl ich nicht wollte, löste ich mich widerwillig von ihr. Ich griff nach meinem T-Shirt und streifte es mir gerade über, als ich die Tür öffnete.

,,Samuel, ich muss mit dir reden", ertönte Rebekas entschlossene Stimme. Bevor ich protestierte, kam sie herein. Sie öffnete den Mund um weiterzureden, aber dann fiel ihr Blick auf Carla. Diese zog sich in einer erstaunlichen Ruhe wieder ein Oberteil an und knöpfte die Schuluniform wieder zu.

Rebeka starrte sie nur fassungslos an, dann mich. Sie wusste noch nie was ich an Carla fand.
,,Ah ich sehe schon. Die kleine Marquesa hat schon wieder oberste Priorität. Dann werde ich mal wieder gehen, um euch nicht zu stören"
Sie klang irgendwie... eifersüchtig. Möglicherweise hatten alle Recht damit, dass Rebeka noch nicht nur als einen guten Freund sah.

Zu meiner Überraschung erhob Carla das Wort. ,,Schon gut, ich wollte gerade gehen. Ich hätte nicht herkommen sollen."
Auf mich wirkte sie plötzlich etwas traurig. Ob ihr Vater ihr wirklich verboten hatte, mit mir zu reden? Eine andere Erklärung für ihr plötzlich so abweisendes Verhalten wollte mir nicht einfallen.

Ich hielt ihren Arm fest, als sie gehen wollte.
,,Was war das eben, Carla?", fragte ich sie ruhig.

Glücklicherweise mischte Rebeka sich nicht ein.

Carla sah mich an und kam mir so nahe, dass ich dachte, sie wolle mich wieder küssen. Das tat sie aber nicht.

,,Es tut mir Leid, Samuel", murmelte sie und sah nich wieder ernst an. Ich regte mich nicht.

Carlas Stimme klang leise.
,,Das war ein Abschiedskuss."

𝘌́𝘭𝘪𝘵𝘦 𝘖𝘯𝘦𝘴𝘩𝘰𝘵𝘴 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt