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Eine Verbeugung. Die Knie wenige Zentimeter von dem Fußboden entfernt. Der Kopf so weit wie es geht nach unten gestreckt. Die Hände halten die Enden ihres Kleides fest. Danach gab es einen Kuss auf die Wange. Es war Samstag, nur noch wenige Wochen bis der Sommer ein Ende nahm. Vor mir saß sie. Meine Mutter. Königin von England. Die Frau, die als eine Gottheit angesehen wird. Sie starrt mich von ihrem Sessel an, er ist rot mit goldenen Verzierungen. Ihr Blick ist durchdringend, gar unangenehm. Sie nickte einer Wache zu, der dann das Zimmer verließ und die Tür schloss. Einige Minuten lang, sagte sie nichts. Das macht sie immer, wenn ich oder mein Zwilling etwas angestellt haben. Warten bis man selbst etwas zugibt oder anfängt zu weinen und dann klar ist, dass man für etwas schuldig ist. Doch diesmal hatte ich keine Ahnung was passiert ist. Jedenfalls, habe ich nichts getan, was dem Land oder unserer Familie schaden könnte. »Also. Irgendwas Neues. Mutter?«, traute ich mich zu sagen. Sie nickte.
»Und was?«
Keine Antwort. Sie verschränkte ihre Hände und legte sie auf ihren Schoß.
»In letzter Zeit war es so. Naja. Komisch. Du kannst mir doch nicht erzählen, dass du die Füße still halten konntest.«
Sie meint die Schule. Ich bekomme alle zwei Monate für eine Woche so eine Art Training. Sollte ich mal Königin werden, ist das was ich dort bekomme, schonmal ein Anreiz.
»Traust du mir das nicht zu?«, sagte ich.
»Du warst schon länger nicht mehr dort. Ich dachte du würdest dich zu irgendwas weigern.«
»Deswegen sollte ich kommen? Weil ich nichts gemacht habe?«
Sie schaute zu ihren Händen und musterte dann wieder mein Gesicht. Die Stille war unangenehm. Es war unangenehm seiner Mutter nicht in die Augen sehen zu können. Wobei, dies noch das Leichteste war. »Ab dem 15ten Lebensjahr fand eine Gartenfeier für mich als ersten Thronfolgers statt. Ich möchte, dass du genau dasselbe bekommst.«
Ich hörte ihr aufmerksam zu und nickte. »Ich möchte es aber dieses Jahr etwas anders haben. Du darfst planen.«
»Ich darf aussuchen welche Kuchen es gibt?«
»Das kann nicht das Einzige sein, an was du denkst Cecile. Aber ja, du darfst alles aussuchen.«
Mit einem Grinsen stehe ich auf und nehme einen Stift in die Hand. »Das wird ein Spaß.«

Ich sitze auf dem Sofa mit einem Stift in der Hand und denke nach. In Erinnerung blieb mir der dumpfe Ausdruck meiner Mutter, wie sie wartet. Wartet auf eine Beichte. Dabei verlief die Woche ganz normal für mich und Mrs. Crocombe. Ohne Widerspruch erfüllte ich meine Pflichten und Aufgaben. So wie es meine Eltern möchten. Ich spiele mit dem Kugelschreiber und lege ihn hin, als die Tür aufging. Eine Dame kam rein, hochgesteckte, blonde Haare und eine schwarze Dienstuniform. »Eure Hohheit, Euer Essen«, sagte sie höflich mit einer Verbeugung. Sofort stehe ich auf und nehme ihr das Tablett ab und lächle sie an. »Danke Madame. Sie dürfen gehen.«
Doch dann fiel mir etwas ein. »Moment«, hielt ich sie auf. Die Bedienstete blieb stehen und musterte mich. »Wie kann ich euch dienen, Eure Hohheit?«
»Ich brauche Ihre Hilfe. Bald soll eine Feierlichkeit stattfinden. Mir zu Gute. Doch ich habe wenig Ahnung, wie man dies organisiert, also die Gartenfeier. Man wird mir doch sicherlich helfen, oder?«, fragte ich vorsichtig, denn meine Mutter hat überall ihre Ohren und Augen und wenn sie weiß, dass ich keine Ahnung von dem Organisieren einer Feier habe, ist mir das ziemlich unangenehm. »Nun ja, Prinzessin. Bevor ihre Mutter Königin wurde, waren die Feierlichkeiten für die Majestät immer eine Überraschung. Sie hat eine Liste geschrieben, mit Dingen, die sie mag und das wurde dann mit eingeschlossen. Ob es dieses Jahr so wird, sollte der Planer wissen«, erklärte sie.
»Wo finde ich den Planer?«, frage ich.
»In der Stadt, er hat einen Laden. Abbey & Ratched.«
»Danke. Jetzt können Sie gehen.«
Nun war sie weg. Gerne hätte ich mich länger mit ihr unterhalten, denn ich finde ihr Lächeln sehr sympathisch und die Stimme äußerst angenehm. Doch befreundet sein, mit einer "Dienerin"? Gefiel dem Regelbuch leider überhaupt nicht. Trotzdem war ich immer netter zu den Angestellten des Palasts. Sie tun viel für uns und ohne sie wäre ich wahrscheinlich ein reines Durcheinander. Ich nahm das Besteck in die Hand und fing an das Kotelett zu mustern. Es war perfekt gekocht, genau wie das Püree. Ich verschling das Gericht auf zehn Minuten. Draußen tobte der Wind. Heute hatten meine Schwester Cynthia und ich einen Ausritt geplant, doch Cynthia hasste Wind. Sie nahm immer Papier und Stift zum Zeichnen mit und das Wetter sollte dabei ihr bester Freund sein. Ich verstand es nie so richtig. Beim Regen wird das Papier nass und bei Nebel kannst man nicht sehen was man zeichnet. Wind war vielleicht mit das Beste was du haben kannst. Ich versuchte nicht weiter darüber nachzudenken. Ich drehte mich einmal im Kreis, um meine Bücher zu betrachten. Irgendeines zog ich aus dem Regal und las den Titel flüsternd vor. Schweden und die feminine Königin. Ein Klassiker. Das Buch las ich alle paar Monate. Es erinnerte mich an die Zeit, an der ich noch nicht geboren war. Frauen waren nur ein Spielzeug und wurden nicht geachtet. Und dann kam das Jahr 1980, an dem die Thronfolge geändert wurde und Männer nicht mehr vorgezogen wurden. Ohne diese Regel, wäre Mutter nicht der Monarch, sondern Onkel Erik. Ich steckte das Buch zurück ins Regal und widmete mich wieder dem Fenster. Samstage waren für mich immer verträumt. Sie waren oft langweilig und brachten nichts voraus. Mein Vater, König Philip von Schweden, spielte mit meinem kleinen Bruder Hendrik. Er zeigte ihm gerade, wie man einen Ball hin und her kickt. Mein Vater ist einer der einzigen Männer im Schloss, die Wert auf Klamotten legen. Er trug ein weißes Hemd, mit einem dunkelblauen Jackett und einer beigen Hose. Seine Haare hatte er sich leicht nach hinten gestylt. Mein kleiner Bruder trug Shorts und ebenfalls ein Hemd. Seine Augen verfolgten den Ball und dann tritt sein kleiner Fuß dagegen und der Ball wanderte knapp neben das Tor. Vater machte ein mitleidendes Gesicht. Dann bemerkte er mich am Fenster. Seine Mundwinkel zogen sich zu einem Lächeln. Dann hob er Hendrik auf seinen Arm, damit er mir zuwinkt. Ich winke zurück. Ich hörte ein Klopfen, bewegte mich aber kein Stück weg. »Cecile.«, schrie eine Stimme. Sie gehörte meiner Schwester Cynthia. Sie hielt eine Leine in der Hand. »Bock?«, grinste sie und hielt sie mir vor die Augen. »Auf was?«, fragte ich skeptisch. Sie verdrehte die Augen und setzte sich aufs Fensterbrett. »Wir wollten heute reiten gehen. Bevor es anfängt nur noch zu regnen, dachte ich mir wir reiten zum Fluss. Oder wir binden den neuen Koch an einen Stuhl, entscheide du.«
»Ich bin fürs Reiten. Moment, Credence ist weg?« Ich war etwas enttäuscht, denn ich mochte ihn gern. Cynthia und ich besuchten ihn immer in der Küche und tranken sogar Kaffee mit ihm. Sie riss die Augen weit auf. »Wusstest du das nicht? Er hat gekündigt.« Sie stand auf und zog an meinem Kleid.
»Warum? Er fühlte sich doch wohl bei uns, oder?«
Meine Schwester zuckte mit den Achseln. Dann nahm sie meine Hand und ging mit mir Richtung Stall.

Die MajestätWo Geschichten leben. Entdecke jetzt