Um ein paar Zentimeter größer stand ich meinem Leibwächter gegenüber. Trotzdem überragte er mich, so dass meine Stirn ihm gerademal bis zum Kinn reichte. Ich zeigte ihm gerade eine Musikbox, die meiner Großmutter, der ehemaligen Königin gehörte. Damit war es das größte Andenken, was meine Mutter von ihr besitzt. Die Melodie war wunderschön und die Prinzessin war entzückend. Sie hob ein Bein und streckte ihre Arme raus. In beiden Händen hielt sie jeweils eine erblühte Rose. Wir gingen weiter. An einem Gemälde blieb er stehen. »Ihr und Eure Schwester?«, fragte er.
»Wer denken Sie bin ich?«, fragte ich und lächelte.
Dann schaute er mir ins Gesicht. Er schien jede Sommersprosse und jedes rote Haar unter die Lupe zu nehmen. Dann schaute er kurz auf das Dekolleté und entschuldigte sich, weil man das bei einer Frau nicht macht. »Ihr sitzt rechts«, sagte er zielsicher.
Ich nickte erstaunt. Er war der Erste, der es richtig erriet. Jeder Gast, verwechselte und, wobei es anders ja nicht ging. Wir teilten sogar die selben Muttermale an denselben Stellen.
»Beeindruckend. Hat bis jetzt niemand geschafft.«
»Wirklich nicht?«
»Meine Mutter hatte immer Kleider, in denen unsere Namen auf Etiketten darauf gedruckt waren, weil sie uns bis wir 6 waren nicht unterscheiden konnte.«
»Wie kann man Euch unterscheiden?«
Ich zog mein Kleid ein bisschen von meiner Schulter.
»Entweder man lässt sich das Muttermal zeigen. Bei Cynthia ist es auf der rechten Seite. Oder man spielt einfach ein Ratespiel mit uns. Aber Cynthia ist ein bisschen größer als ich.«
Ich zog meinen Ärmel wieder etwas weiter nach oben. »Aber die Persönlichkeiten von Euch ist wahrscheinlich genau zu unterscheiden, stimmt's?«
»Zu hundertprozent«, stimme ich zu.
»Wodurch zum Beispiel?«, fragte André und ließ seinen Blick durch die Wände wandern.
»Sie liebt zeichnen, während ich Bücher liebe. Außerdem hält sie nicht so ab die Regeln der Familie, während ich bis jetzt noch keine gebrochen habe.« Ich schaue auf seine Dienstmarken und denke, dass er seiner Arbeit ebenfalls sehr treu bleiben muss.
»Regeln? Welche hat sie gebrochen.«
»Wenn sie mit meiner Mutter die Königin eine Pflicht antritt und zum Beispiel eine wichtige Person besucht, hat sie eine schlichte Farbe zu tragen. Grau oder beige. Wobei ein helles Blau auch noch erlaubt ist. Aber auf keinen Fall die selbe Farbe wie Mutter oder noch auffälliger, denn das ist respektlos. Während meine Mutter in einem schönen Rosé auftauchte, vermasselte Cynthia ihre Aufmerksamkeit mit dem grellsten Pink was der Schrank der Queen von England je aufbringen konnte. Oder die Sitzhaltung. Wusstest du, dass es unhöflich ist, wenn man als Mitglied der Königsfamilie seine Beine überkreuzt? Sie saß neben meiner Mutter und tat genau das mit Absicht. Weil sie Ärger mag.«
Mein Leibwächter blieb stehen und lächelte.
»Was ist?«, fragte ich ihn.
»Ihr habt mich mit du angesprochen.«
»Tut mir Leid«, sagte ich, wobei das eine Lüge war.
Er winkte ab.
»Könnten wir uns mit Du ansprechen? Wenn ich schon keine Privatsphäre habe, dann will ich nicht mehr das Gefühl haben, dass ein Präsident vor mir sitzt. Er lächelt und nickt daraufhin.
»Wenn es die Prinzessin wünscht.«
Erleichtert fuhr ich mit der Tour durch den Palast fort.Sonntage sind die einzigen Tage der Woche, wo die Familie gemeinsam isst. Heute wurde Vaters Lieblingsessen gekocht. Gefühlte Paprika mit tausenden Beilagen. Wir redeten zusammen, wie eine normale Familie. Schade, dass es so nicht jeden Tag ist. Cynthia benimmt sich, Mutter redet nicht über die Arbeit, mein anderer Bruder Montgomery regt sich nicht über seine Schule auf und Vater und Hendrik sind wie immer dieselben. »Wie ist es so, einen Leibwächter zu haben?«, fragte meine Mutter, nachdem sie die Paprika runtergeschluckt hatte. Unbewusste schaute ich durch den Raum und merkte, dass weit und breit kein André zu sehen war. »Angenehm«, antwortete ich und hoffte, dass sie nicht nach einem wunden Punkt suchte.
»Es gefällt dir?«, fragte Cynthia.
»Man füllt sich sicherer. Außerdem hat er mich heute mit der Gartenfeier in Ruhe gelassen.«
Cynthia schon eine Schüssel Salat auf ihre Seite, um sich etwas auf ihren Teller zu geben. Meine Mutter schien glücklicher zu sein, denn ihre Miene war bis vorhin noch skeptisch und sie sah aus als würde ihr jemand ein Stück Knoblauch unter die Nase halten. Sie verbannte Knoblauch aus dem Palast.
»Nun gut. Nächste Woche müsst ihr ja noch in die Schule, da will ich dich ja auch nicht unter Druck setzen. Wie war euer Ausritt gestern?«, fragte sie. Ich überließ Cynthia das Reden, damit ich in Ruhe essen konnte. Das mochte ich an meinen Eltern. Sie interessierten sich, obwohl sie viel zu tun haben für unsere Woche und unseren Hobbys. Dafür erzählten sie uns leider nicht so viel über das Leben als Königspaar. Nur über das Elternsein.
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Die Majestät
Teen FictionDie erste Thronfolgerin des Palasts wurde schon seit Jahren darauf vorbereitet, eines Tages eine Königin zu sein. Mit sechzehn hatte ihr niemand gesagt, wie schnell es gehen könnte. Schon bald würde sich ihr Leben auf den Kopf stellen und sie wird G...