So sind Vampire wirklich

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Manche sagen, Vampire seien intelligente Lebewesen, die einer überzeugenden Argumentation durchaus zugänglich sind. - Das stimmt. Ihre Intelligenz ist derer der Menschen mindestens ebenbürtig. Dazu verfügen sie über eine außergewöhnlich lange Lebenserfahrung. Ihr Verhandlungsgeschick ist dem der fähigsten Kaufleute oder kundigsten Unterhändler oft weit überlegen. – Vergessen werden sollte aber nie, dass ein Vampir nur darauf zurückgreift, wenn sein Gegenüber eine ernsthafte Bedrohung für ihn darstellt. Warum sollte er mit einem Menschen verhandeln, dem er mit Leichtigkeit das Genick zu brechen vermag oder – schlimmer noch – den er mit einem Fingerzeig auf eine willenlose Marionette seines Geistes reduzieren kann?

Maximilian von Haller,
Sonderbeauftragter des Kaisers
für den Kampf gegen die Widergänger


*

„Können wir Euch nicht eine Jungfrau anbieten", fragte der Magistrat des Ortes und verbeugte sich so tief es seine beleibte Gestalt zuließ. Die Geste sollte sein Gegenüber von dem Zittern ablenken, mit dem er ihm entgegentrat.

„EINE Jungfrau?" Die Kreatur, die sich Graf nannte, rieb sich nachdenklich die Schläfe. Sie kam näher und beugte sich vor. Seine Hand mit Fingernägeln lang wie Dolche, fasste den Magistrat am Kinn und brachte ihn dazu dem Monster ins Gesicht zu schauen.

„Heute Nacht werde ich im Blut aller Jungfrauen dieses Dorfes schwelgen", zischte sie ruhig und beobachtete dabei sein Opfer. „Gemeinsam werden wir uns allen Sünden hingeben, von denen mir die Wollust, die Liebste ist. Um mich nachsichtig zu stimmen, erwarte ich, dass jede Einzelne mir den Lebenssaft von einem Bewohner dieses jämmerlichen Ortes kredenzt. Dann will ich die Übrigen verschonen."

Er packte den Mann, dessen Panik er riechen konnte, an der Kehle und schleuderte ihn wie eine wertlose Sache in eine Ecke. Nur langsam rappelte sich der Magistrat auf und lehnte sich stöhnend an die Wand.

Der Graf in seinem schwarzen Gewandt stand in der Mitte des, vom Kampf verwüsteten, Kirchenschiffs und schmiedete in seinen Gedanken bereits neue Pläne. Mit einem Lächeln wandte es sich wieder dem Abgesandten des besiegten Dorfes zu.

„Ihr dürft mir dankbar sein", erklärte er mit Blick auf die elende Figur. „Euch werde ich verschonen. - Ihr sollt allen Flecken auf meinem Weg nach Buda berichten, was sich hier zugetragen hat. Deshalb werdet Ihr dem Blutbad, das ich unter Euresgleichen anrichten werde, beiwohnen. Vielleicht findet Ihr ja sogar Gefallen daran."

Es dauerte einen Moment, bis der Magistrat begriff, was er gehört hatte. Eine Woge der Erleichterung schwappte durch seinen Geist. Er würde leben. - Augenblicklich schämte er sich für diesen Gedanken, angesichts des Todes von so vielen. Aber ER würde leben.

Diesen Dämon konnte man nicht aufhalten. Dass die Kreatur ihn in Mitten dieser heiligen Mauern empfing, war Beweis genug, dass Kreuze und Weihwasser ihr nichts anhaben konnten. Dem Pfaffen hatte sie den Knoblauch, den man überall aufgehängt hatte, in den Rachen gestopft, bis dieser daran erstickt war. Sein lebloser Körper hing von der Kanzel herab, die Augen immer noch mit entsetzlich geweitetem Blick auf den Ort seines größten Irrtums gerichtet. Das Blut derer, die es mit Waffen versucht hatten, troff von den Mauern und eine rote Spur, die der Graf bei jedem Schritt auf dem Boden hinterließ, zeugte davon, dass auch sein dunkles Gewandt davon durchtränkt war. Er hatte sie abgeschlachtet wie Tiere.

Langsam blickte der Magistrat auf. Wie mochte es sich anfühlen über jegliche Furcht erhaben zu sein? Er sah es... Dort! Vor sich.

„Geht nun und bringt mir die Mädchen!", befahl der Vampir.

*

Das Entsetzen kannte keine Gnade. Wer nicht rechtzeitig geflohen war, den hatten die Zigeuner, die dem Grafen folgten, in eine Scheune gesperrt. Und das war fast das gesamte Dorf. Schon vor Tagen hatte das Heulen der Wölfe ein großes Unheil angekündigt. Seitdem hatte niemand es gewagt die Wälder zu betreten, besonders nicht bei Nacht. Da die nächste größere Siedlung bei Tage nicht zu erreichen war, waren sie geblieben. Jetzt, als der Magistrat beobachtete, wie ein weiterer Mann aus der Scheune geführt wurde, um den Tod durch die Hände der Schergen des Grafen zu erleiden, fragte er sich, ob die Wölfe nicht die bessere Wahl gewesen wären.

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