„Entschuldige, was hast du bestellt? Ich verliere mich immer wieder in deinen wunderschönen Augen, Süße." Einige Sekunden war ich sprachlos und nur in der Lage dazu den blonden Barista mit offenem Mund anzustarren, im Gegenzug offenbarte er mir selbstbewusst seine strahlend weißen Zähne. Wärme stieg mir ins Gesicht und Wut brodelte in mir auf. Sein selbstgefälliges Grinsen konnte er sich sonst wohin schieben. „Wow, ich glaube ich wurde noch nie so schlecht in meinem Leben angegraben, daran solltest du definitiv noch Pfeilen. Abgesehen davon habe einen Pumpkin Spice Latte bestellt, du Idiot." Zufrieden setzte ich ein zuckersüßes Lächeln auf und knallte ihm die Münzen auf den Tresen.
Ein stämmiger Mann mit grauem Haar erschien aus dem Hinterraum und schaute kurz mich, und danach seinen Kollegen an. „Hey, gibt es hier ein Problem?" Freundlich lächelte ich auch ihn an.
„Inzwischen nicht mehr.", sagte ich. „Oder?"
Aus dem breiten Grinsen verzogen sich seine Lippen zu einer dünnen Linie. „Nein Chef, hier ist alles in Ordnung." Eisern hielt er jedoch meinem Blick stand. Schulterzuckend verschwand der ältere Mann wieder im Hinterraum. Ein paar Sekunden verharrten wir in diesem komisch, aber durchaus amüsanten Starrwettbewerb, ehe ich mich abwand, um Platz für den nächsten Kunden zu machen.
In weniger als 2 Minuten stellte er das heiße Getränk samt Rückgeld auf den Tresen.
„Hier, dein Pumkin Spice Latte." Mit gespielt freundlichem Grinsen griff ich nach dem Pappbecher und drehte mich zur Tür.
Wenn das nicht ein toller Start in den Tag war.
Draußen angekommen schlug mir der kühle Wind ins Gesicht und ließ mich erschaudern. Meine ersten Wochen in Lacewell waren nicht nur die aufregendsten, sondern auch die kühlsten meines Lebens gewesen. Wenn das so weitergeht, sollte ich mir doch eine Winterjacke und Handschuhe zulegen, dachte ich während ich mit fröstelnden Händen nach meinem Stundenplan suchte. Als ich ihn endlich gefunden hatte, warf ich einen Blick auf meinen ersten Kurs. Kunstgeschichte. Ich setzte ein Lächeln auf, umklammerte den heißen Becher, nahm einen kleinen Schluck und machte mich auf den Weg zum Campus. Dort angekommen ragte das riesige Gebäude vor mir in die Höhe und hinterließ mir eine Gänsehaut. Die Lacewell University. Seit dem Tod meiner Mutter war es immer mein größter Traum gewesen hier zu studieren. Harte und lange Jahre lagen hinter mir, in denen ich für meinen Traum kämpfte.
Ich schaffe das Mom. Ich schaffe das für -
Ehe ich den Gedanken zu Ende führen konnte, rempelte mich jemand von der Seite an. Mein Arm wurde zur Seite geschlagen und bevor ich es verhindern konnte, flog mein Pumpkin Spice Latte in die Luft. Entsetzt folgten meine Augen den Becher, dessen Inhalt durch die Luft schleudert. Im hohen Bogen fand der Pappbecher samt Getränkereste den Arm des Typen, der mich angerempelt hatte. Schockiert presste ich eine Hand auf meinen offen stehenden Mund. Wie erstarrt bewegte ich mich nicht, während der Typ sich langsam zur mir umdrehte. In meinem Kopf ratterte es. Mist, das hat mir jetzt noch gefehlt.
„Was zur Hölle!?", entfuhr es dem Dunkelhaarigen. Überraschung und Wut flackerten in seinen Augen auf, als er den orange braunen Fleck auf seinem Pullover sah. In der zwischenzeit gab ich es auf nach den richtigen Worten zu suchen und prustete los. Als ich mich langsam wieder eingekriegt hatte, wanderte mein Blick von dem Becher auf dem Boden über den riesigen Fleck, in das Gesicht des Fremden. Noch immer waren seine Züge hart. Seine kalten Augen trafen meine und schlagartig wurde mir warm. Zum zweiten mal diesen Tages spürte ich, wie meine Wangen anfingen zu glühen.
„Oh", war alles was ich neben einem wohl unpassenden Kichern herausbekam.
„Kannst du nicht besser aufpassen? Scheiße!", fluchte er und zog sich den Pullover über den Kopf. Mein Blick blieb an dem Schwarzen Shirt hängen, das gerade etwas hochgerutscht war. Doch bevor ich der nackte Haut des Fremden noch mehr Aufmerksamkeit schenken konnte, fiel das Shirt wieder dahin, wo es hingehörte. Erst jetzt kam es mir in den Sinn, wie kalt ihm sein müsste.
Schnell wickelte ich den flauschigen Schal von meinem Hals und machte ein paar schritte auf ihn zu. „Oh man, dir muss eiskalt sein!" Gerade wollte ich den Schal um ihn legen, als mir klar wurde, was er da gerade gesagt hatte. „Warte mal, was!?" Ich riss meinen Kopf hoch, um in anschauen zu können. „Das war jawohl nicht meine Schuld! Wer hat mich denn angerempelt?" Verärgert zogen sich meine Brauen zusammen. „Hättest du nicht mitten im Weg gestanden, wäre ich auch ohne Probleme ins Gebäude gekommen", sagte er und blickte zu mir herunter. Zornig machte er eine Handbewegung in Richtung der Universität.
„Scheiß drauf! Für sowas habe ich keine Zeit." Blitzschnell machte er kehrt, stopfte seinen nassen Pulli in den pechschwarzen Rucksack und verschwand in dem großen, braunen Gebäude.
Perplex sammelte ich den Pappbecher auf und warf ihn in den nächsten Mülleimer. Noch immer verwirrt kramte ich nach meinem Smartphone und warf einen schnellen Blick auf die digitale Uhr. Neun Uhr sechsundzwanzig. Gerade wollte ich das iPhone wieder in meine Tasche fallen lassen, als mich ein Geistesblitz traf. Hastig drückte ich erneut auf den Knopf, um sicher zu gehen, dass ich mich nicht verlesen hatte.
Nein. Nein, nein, nein! Nicht auch das noch. Das darf nicht passieren. Nicht heute!
In weniger als vier Minuten würde meine erste Vorlesung beginnen. Achtlos schmiss ich das Handy in meine Tasche und rannte los. Eilig lief ich durch die riesigen Flure der Universität und durchkämmte die untere Etage nach meinem Vorlesungssaal. Hinter der nächsten Ecke bremste ich ab und entdeckte eine ältere Frau.
Vermutlich eine Dozentin, dachte ich als ich mich ihr mit schnellen Schritten näherte. Noch immer aus der Puste und feuchten Händen fragte ich nach dem Weg. „Entschuldigen Sie, können sie mir sagen, wo ich Vorlesungssaal sechs finde?" Zögerlich lächelte ich sie an. Freundlich erwiderte sie mein Lächeln. „Den Flur entlang und dann links." Dankend nickte ich ihr zu und setzte mich wieder in Bewegung. Hastig lief ich die letzten Meter des Flures und bog links ab. Tatsächlich verbarg sich hinter der Ecke Vorlesungssaal sechs. Erleichtert eilte ich zur Tür und öffnete sie. Rasch betrat ich den Saal und blieb direkt wieder stehen. Mindestens 30 Köpfe drehten sich zu mir um.
„Was ist denn jetzt schon wieder?", ein älterer Mann, vermutlich ende 50, drehte sich nun auch zu mir herum. „Und wer sind sie?", fragte er mich. Ich räusperte mich. „Mein Name ist Eve. Eve Bradford, Herr Professor..." Fragend sah ich ihn an.
„Sie können mich Professor Long nennen. Und Sie, Miss Bradfort? Gehen sie in diesen Kurs?"
„Ja... Ich... Es tut mir leid. Ich habe den Saal nicht finden können," stammelte ich vor mich hin. Schon wieder kroch mir die gehasste Wärme in die Wangen. „Nun gut, Sie sind einige Minuten zu spät. Wir haben bereits eine Hausaufgabe besprochen und die Schüler haben sich untereinander aufgeteilt. Wie gut, dass sie nicht als einzige zu spät dran waren." Mit einer Handbewegung wies er mich an, in der rechten Ecke des Raumes platz zu nehmen. Mein Blick wanderte über unzählige Studenten bis er bei der Stelle angekommen war, auf die Professor Long hingewiesen hat. Ungläubig starrte ich auf den freien Platz, den er mir zugewiesen hatte. Daneben ein mir nur allzu bekanntes Gesicht. Die grünen Augen, die sich vor einigen Minuten erst in meinen Kopf gebrannt haben, schauten zu mir hoch. Seine Lippen verzogen sich zu einem spöttischen Lächeln. "Das kann doch nicht wahr sein", zischte er zornig in die Stille.

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Almost Mine
Romance„Die Emotionen sprudelten über, meine Gefühle explodierten und ich spürte einen Knall nach dem nächsten. In diesem Moment wünschte ich mir nichts sehnlicher, als im Besitz von Hermines verdammten Zeitumkehrer zu sein, um die letzten Sekunden immer u...