― 𝐃𝐀𝐁𝐑𝐈𝐀 ―
mit einem grinsen auf den lippen beobachte ich, wie sich seine hand unentschlossen wieder senkt. meine finger kramen bereits nach einer neuen kippe und mir entschlüpft ein frustriertes schnauben, als ich die schachtel leer in meiner jackentasche auffinde, während meine augen auf der schmalen gestalt des jungen verharren.
er hat sich wieder abgewandt und hastet die unter wasser stehende straße entlang, die kapuze schützend über den kopf gezogen und den blick mit hoher wahrscheinlichkeit auf den asphaltierten boden gerichtet. die laternen in dieser verdammten stadt sind wirklich zu nichts mehr zu gebrauchen. wenn man die lichtverschmutzung mal außer acht lässt.
nachdenklich lasse ich mein feuerzeug klicken. die stille flamme tanzt, bevor ich sie wieder erlöschen lasse. meine augen verlassen die straße nicht, selbst dann, als meine neue bekanntschaft schon längst hinter einer ecke verschwunden ist. nussknacker.
unten höre ich es poltern und ein fluchen.
meine mundwinkel heben sich ein weiteres stückchen. gelassen greife ich nach dem beutel zu meinem füßen, der vor langer zeit einmal in einem hellen weiß gestrahlt hat, und schnappe mir die jacke vom fensterbrett. dann durchquere ich den raum, lasse das fenster offen stehen. kiste stapelt sich auf kiste und in der ecke ist ein regal zusammengebrochen. wahrscheinlich werde ich mir das bei gelegenheit mal ansehen.
ohne auf meine lautstärke zu achten, schlendere ich die treppe hinunter. mein hemd ist durchweicht und klebt an meiner haut. bewegt sich bei jedem schritt unangenehm mit meinem körper. ich hasse den regen. er ist ein verräterisches zeichen und damit werde ich nie umgehen können.
»wo muss ich helfen?«, frage ich, habe das ende der treppe erreicht, springe über die absperrung und lasse beutel sowie jacke auf den boden fallen. der überschaubarer inhalt ersteres verteilt sich auf dem alten holz.
die alte frau hebt den kopf. rücken bleibt krumm, die augen lebendig. ihren namen kenne ich nicht. er ist mir egal. ich brauche ihn nicht. genau so wenig, wie sie meinen braucht. um banalitäten versuche ich mich schon seit langer zeit nicht mehr zu kümmern.
»du bist spät dran«, sagt sie vorwurfsvoll. meine mundwinkel präsentieren ihr ein grinsen.
»immerhin bin ich überhaupt da«, erwidere ich. »ist ganz schön scheiße, durch den verdammten regen zu laufen, kannste mir glauben.«
»du bist nicht aus zucker.«
»und du gegenüber kunden eigentlich nicht taub.«
das faltige gesicht verhärtet sich. würde man versuchen, jede falte zu zählen, wäre man wohl nächste woche noch nicht fertig. ihr körper ist alt, aber wie es mit ihrer seele aussieht, weiß ich nicht. wüsste es zu gern.
sie gibt mir keine antwort auf meine indirekte frage und erwartet habe ich keine. obwohl ich fragen habe. viele fragen. aber so läuft es im leben: zu viele fragen, keine antworten. nur wut und enttäuschung. vielleicht sind das die antworten.
ich gehe weiter auf sie zu. »was ist zusammengekracht?«
»gustav.«
frustration macht sich in mir breit. »ich habe gesagt, dass du ihn in ruhe lassen sollst, bis ich mit ihm fertig bin«, grolle ich genervt und bahne mir einen weg durch den regalen bis zur kasse.
gustavs einzelteile liegen kreuz und quer auf dem boden. ein karton ist auseinandergebrochen. seine überreste und schallplatten pflastern die unfallsstelle. »dieser beschissene stuhl«, murmle ich und gehe in die hocke. stütze die fingerspitzen auf dem boden ab. schaue kurz zu meinem gegenüber auf, werfe ihr einen vorwurfsvollen blick zu, der längst nicht so scharf ist, wie er hätte sein können.
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SCHALLPLATTENREGEN | pausiert
Teen Fiction❝wir sind die schallplatten in den regalen - versteckt und unscheinbar, aber so besonders, dass es jedem den atem verschlagen würde, wäre er bereit, unseren melodien zu lauschen.❞ 𝗮 𝗿 𝗷 𝗮 𝗻 sammelt nussknacker und hat eine nussallergie. 𝗱 𝗮...