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Zeichen und Wunder

von Joules

Dass Weihnachten, der kerzenerhellte, verschneite Advent, eine Zeit voller Wunder war, hatte Hermine schon immer gewusst. Dass auf seltsame Weise alles möglich war, wenn sich die winterliche Kälte über das schneebedeckte Land legte, wenn funkelte Flocken durch die eisigklare Luft tanzten und auf den Tannenspitzen glitzerten, wenn helle wächserne Kerzen die Fenster des hochaufragenden Schlosses von Hogwarts erleuchteten, Wunder wahr wurden, das war Hermine schon immer irgendwie klar gewesen. Doch dass ein einziger Tag im Advent ihres sechsten Schuljahres so viel würde, dass Zeichen und Wunder geschehen würden, sobald der harte, klare Winter Einzug ins Land erhalten, seine dunklen Farben auf Haff und Land legen würde: Damit hatte sie nicht gerechnet.

Es war ein Tag Anfang Dezember, unverkennbar verschneit, wie Hermine feststellte, als am Abend die ersten kristallenen Flocken dieses Jahres im frostigen Winterwind auf und ab tanzten. Sie saß auf einer Treppe, dessen steinerne, marmorne Kühle sich durch den dünnen Stoff ihrer Jeans fraß, und starrte hinaus in das abendliche Winterdunkel, glitzernde Tränen in ihren Augen. Es war finster im leeren Klassenzimmer, nur spärliches Vollmondlicht fiel durch das Fenster vor dem sie kniete, ein wie fließender Strahl aus metallenem Silber, der dunkle Schatten an die alten Gemäuer des Raumes warf. Doch fernab von der Düsternis um sie herum waren es ihre bitteren Tränen, die Hermines Sicht verschleierten, sie das Schneegestöber jenseits der dicken Fensterscheiben bloß erahnen ließen. Mit aller Mühe unterdrückte sie ein Aufschluchzen, ein Zucken ihrer Schultern blieb jedoch, so sehr sie auch versuchte, dem Schmerz, der tief in ihrer Brust stach, Einhalt zu gebieten. Sie biss sich auf die Lippe, doch unablässig rannen die Tränen über ihre erhitzten Wangen, die in der Wut, die zuvor noch in ihr gebrodelt hatte, rosigrot gefärbt waren. Ja, Wut war es gewesen, flammende Wut und donnernder Zorn, der in ihr gelodert hatte, wie ein ewiges, alles auslöschendes Feuer. Wut, Zorn und Angst, die sie verspürt hatte, als sie, Minuten zuvor nur, ebenjene Treppen herunter gerannt war, mit tränennassen Spuren im Gesicht, die verräterisch auf ihrer Haut geglitzert hatten.

Denn das Bild, jenes Bild, dass sich ihr hoch oben im Gryffindorgemeinschaftsraum geboten hatte, schien wie in ihren Schädel eingebrannt zu sein: Schon als sie versuchte, nur für einen winzigen Augenblick die Augen zu schließen, war es da gewesen: Das Bild von Ron und Lavender, eng umschlungen, inmitten einer jubelnden Menge, gefangen in einem leidenschaftlichen Kuss.

Doch kaum hatte Hermine an Fuß der Treppe Platz genommen, hatte sie mit einem Mal gänzliche Kraft verlassen. Die Wut war wie erloschen, als hätte jemand einen Trog voll Wasser genommen und die lodernden Flammen im brennenden Keim erstickt. Der Zorn war, so schnell, wie er gekommen war, verblichen und hatte der Angst Platz gemacht. Der bitteren Angst, allein zu sein, während alle anderen jemanden hatten, der sie in die warmen Arme schloss. Die Angst, zu vereinsamen, während all ihre Freunde, jemanden gefunden hatten, der für sie mehr bedeutete, als eine bloße Freundschaft es je hergeben konnte.

Abermals zuckten Hermines Schultern in einem leisen Aufschluchzen, doch sie hielt jäh inne, als sie auf einmal aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm.

Hastig wischte sie sich mit dem dunkeln Saum ihrer Robe über die Wangen, wie um die nassen Spuren, die von ihrem Schmerz zeugten, fort zu wischen, doch sie musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, wer dort zögerlichen Schrittes die Treppenstufen herunterkam.

„Was willst du, Harry?", Hermines Stimme war unerwartet krächzend und obwohl sie versuchte, ihren Schmerz mit Härte und Trotz zu kaschieren, schwang dieser doch in ihrem Ton mit.

Der Gryffindor, der zunächst vorsichtig Stufe für Stufe passiert war, nahm nun gleich zwei auf einmal, blieb dann jedoch in sicherem Abstand zu ihr stehen. „Ich hab..." Hermine merkte ihm an, dass ihm sichtlich unwohl war, dass er kaum, nur unbeholfen, damit umgehen konnte, dass seine beste Freundin weinte. „Ich hab bloß einmal nach dir sehen wollen", erklärte Harry dann und fügte leise hinzu: „Schauen, ob du okay bist."

Zeichen und Wunder I ONESHOT I HarmioneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt