Eines Nachts...

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Schüsse knallen, Menschen schreien, Sirenen heulen, Blaulichter erhellen die Dunkelheit der Nacht, Leute rennen und das Gefühl der Panik eskalierte in meinem Körper, denn ich war mittendrin. Um mich herum war schon seit langem Panik ausgebrochen aber seit die Menschenmenge meinen Bruder mit sich gerissen hatte, stand ich einfach nur da, von Panik erfüllt und doch ganz still. Dann fiel ich in bodenlose Tiefe... und schrak hoch.

Da war er wieder, der Moment in dem ein Teil meines Herzens zerbrochen war, seitdem alles anders war, der mein Leben veränderte, tief eingebrannt in meinem Gedächtnis. So oft geträumt, dass ich das Gefühl hatte, dass dieser Moment auf meiner Netzhaut eingebrannt war. Wieder und wieder träumte ich von dem Moment, als ich meinen Bruder verlor. Immer wenn ich dachte, dass ich einigermaßen darüber hinweg war, erwachte ich nachts schweißgebadet. Eigentlich kannte ich das schon aber diese Mal war es anders. Es war das erste Mal in meiner neuen Wohnung, in der ich seit circa einem Monat lebte, mit der ich endlich mein altes Ich hinter mir lassen wollte, neu anfangen, raus aus dem Haus, das mich daran erinnerte was passiert war, wer fehlte, wer nicht da war, warum seit dem Tag ein Teil meines Herzens fehlte, dass sich in Trauer gewandelt hatte, langsam verstümmelte.

Mein Bruder, mein ein und alles war weg und das schlimmste war: ich hatte nie die Bestätigung bekommen, dass er tot war, denn man hatte seinen Körper nicht gefunden. War er bei der Explosion ums Leben gekommen oder von den panisch fliehenden Menschen zertrampelt worden? Ich wusste es nicht und es zerfraß mich. Mehr als der Tod meiner Eltern als ich zwei war, denn er war unwiderruflich. Autocrash-beide tot. Damit konnte ich umgehen aber nicht mit Liams Tod, er war nicht real und das seit sechs Jahren, seit ich mit fünfzehn mit ihm im Urlaub im Ausland war. Die Erinnerungen überrannten mich und eine Träne kullerte mir über die Wange. Ich stand auf um mir etwas zu trinken zu holen. Während ich in die Küche ging und mir ein kaltes Glas stilles Wasser einschenkte, dachte ich an damals. An die Zeit vor dem Tag. Als noch alles normal war. Mein normal, mein gewöhnlich. So gewöhnlich es halt ist wenn man bei seiner Großmutter aufwächst. Doch jetzt ging es auch ihr immer schlechter. Erst der frühe Tod ihres Ehemanns, dicht gefolgt von ihrer Tochter mit Mann und dann vor sechs Jahren mein Bruder. Seit ich ausgezogen war um eine Ausbildung an zu fangen, war sie alleine. Sie- die einzige, die mir geblieben war. Auf leisen Sohlen schlich ich in mein Zimmer um meine Mitbewohnerin nicht zu wecken und zog mir etwas über. Die Wohnung engte mich ein u dich musste raus. Ich schnappte mir meinen Hausschlüssel, schlüpfte in meine Schuhe und zog mir eine Jacke über, denn obwohl es schon Frühling war, sank die Temperatur nachts noch deutlich ab. Leise schloss ich die Tür um dann mit schnellen Schritten die Treppe hinunter zu huschen. Als ich die Tür öffnete schlug mir kühle trockene Luft entgegen und ich schloss die Augen um gierig die angenehme Luft ein zu saugen. Zügig lief ich los und schon nach den ersten Schritten verlangsamte sich der Kreisel in meinem Kopf und meine Gedanken fingen an sich zu sortieren. Als ich beim Park angekommen war fiel ich in einen leichten Trab und joggte um den See. Als ich einmal herum war hatten meine Gedanken wieder eine normale Geschwindigkeit angenommen und ich hielt erschöpft inne. Immerhin war es mitten in der Nacht. Ich steuerte die nächste Bank an und setzte mich. Obwohl ich eigentlich schlafen sollte war ich hellwach, auch wenn sich meine Gedanken wieder beruhigt hatten. Autos fuhren die Straße entlang und je früher es wurde desto mehr menschliche Laute mischten sich in die Stille. Ein Hund bellte, ein Mann fluchte, ein Baby schrie. Und dann ging die Sonne auf. Während der letzten zwei Stunden war es kontinuierlich heller geworden und ich war einfach sitzen geblieben. Warum wusste ich nicht, aber irgendwas hatte mich dazu bewegte einfach sitzen zu bleiben, ob es die Ruhe war oder das Gefühl es einfach tun zu müssen. Ich sahs einfach nur da, dachte an Gott und die Welt und genoss die Ruhe. Während die Sonne über den See aufging begann die Welt langsam aber sicher zu erwachen. Hunde gingen im Park mit ihren Besitzern spazieren, Jogger absolvierten ihren Frühsport und die ersten Anzugmenschen eilten geschäftig Seite an Seite mit ihrer Aktentasche durch den Park. Das alles beobachtete ich, immer noch in derselben Position wie als ich angekommen war, als mich etwas dazu bewegt mich umzudrehen, was es war konnte ich im Nachhinein nicht sagen aber Tatsache war, dass ich es tat. Und sofort stiegen mir Tränen in die Augen, denn obwohl so viel Zeit vergangen war, sein Aussehen sich verändert hatte sagten mir nicht nur meine Augen, dass ich Recht hatte. Nein auch der Teil meines Herzens schlug wieder und ich rannte los. Da war er. Alles drehte ich und das Gefühl des Glückes wollte mich erdrücken. Er war wieder da. Er war wieder da. Der einzige Gedanke der in diesem wunderbaren Moment Platz in meinem Kopf hatte.

Eines Nachts... ||abgeschlossen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt