Kio No Jukan

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Mein Blick lag auf der vorbeiziehenden Landschaft, welche sich vor dem Zugfenster erstreckte. Weite Felder, über denen Nebelschleier hingen, rasten an meinen Augen vorbei und die Sonne wurde von vereinzelten Wolken verdeckt. Es war noch früh am Morgen, weswegen eine angenehme Stille herrschte. Langsam verlor der Zug an Geschwindigkeit und kam am nächsten Bahnhof zum stehen.

Wieder ertönte die lustlose Stimme einer Frau aus den Lautsprechern:
"Wir haben den Toyama Hauptbahnhof erreicht. Der Ausstieg befindet sich in Fahrtrichtung links."

Auf dem Bahnsteig standen nur wenige Menschen, was mich zu dieser Uhrzeit nicht wirklich verwunderte. Ich schloss für einen Moment die Augen und lehnte meinen Kopf an die kalte Fensterscheibe. Wenn ich nicht eben schon meinen zweiten Kaffee getrunken hätte, wäre ich auf der Stelle eingeschlafen. Die kühle Morgenluft str[style][/style]ömte in den Zug, nachdem sich die Türen geöffnet hatten und jagte mir einen Schauer über den Rücken.
Ich hasste Kälte.

"Entschuldigung?" Ich hob meinen Kopf und blickte nach rechts. Dort stand ein Junge, etwa in meinem Alter und mit dem schönsten Lächeln, das ich jemals gesehen hatte. Er deutete auf den freien Doppelplatz zu meiner Rechten.
"Ich kann mich doch setzen..oder?"
Sein Lächeln wurde ein wenig breiter und mir fiel auf, wie tief und beruhigend seine Stimme klang.
Ich hingegen brachte nur ein leises "Ja" als Antwort zustande. Meine Stimme brach währenddessen, sodass ich klang, als wäre ich ein Mittelschüler, der gerade seinen Stimmbruch durchlebte

Mein Kopf wurde heiß und ich war mir ziemlich sicher, dass sich mein sonst eigentlich blasser Hautton, in einen tiefen Rotton angenommen hatte. Mein Gegenüber kommentierte mein mehr als peinliches Verhalten nur mit einem kleinen Schmunzeln. "Dankeschön."

Er stellte seine Tasche auf den freien Sitz und setzte sich anschließend auf den Platz am Fenster. Ich wandte meinem Blick hektisch ab und trank ein paar große Schlucke Wasser, in der Hoffnung, die Röte aus meinem Gesicht würde auf diese Weise verschwinden.
Ein wenig unbeholfen kramte ich meine Kopfhörer aus meiner Jackentasche und steckte sie steckte sie mir in die Ohren, startete meine Lieblingsplaylist und lehnte mich nach hinten.
Der Zug setzte sich wieder in Bewegung und die Landschaft begann erneut an mir vorbei zu fliegen.

Ich kannte den Jungen neben mir nicht, aber irgendetwas an ihm faszinierte mich. In der Spiegelung des Fensters, konnte ich ihn sehen. Er saß einfach nur da, seinen Blick auf sein Handy gerichtet und einen großen Becher Kaffee in der Hand, dessen Geruch sich langsam im Abteil verteilte.
Seine kurzen, dunkelbraunen Haaren hingen ein wenig in sein Gesicht. Man sah ihm an, dass er heute morgen keine Zeit gehabt hatte, sie zu stylen, aber dennoch stand ihm diese 'Frisur' unfassbar gut.

Ich hätte ihn ansprechen können.
Ich hätte ihn nach etwas banalem fragen können, wie der Uhrzeit oder wohin er fuhr, um auf diese Weise vielleicht ein Gespräch zu beginnen.
Aber ich blieb still.

Sekundenlang, minutenlang, stundenlang, saßen wir nebeneinander, ohne auch nur ein Wort zu wechseln. Worüber denn auch?

Wir waren schließlich Fremde.

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Koi no yokan

Das Gefühl, wenn man auf jemanden trifft und weiß, dass man sich in ihn verlieben könnte.
Keine Liebe auf den ersten Blick, sondern vielmehr eine Vorahnung, dass die Gefühle für diese Person wachsen werden, wenn man sich wiedersieht.

old rails - new lanes | DaisugaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt