Femme fatale

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"Lavendel" Dies war der der Duft, welcher in der Luft lag, als sie an mir vorbei ging. Es war ein ganz normaler Arbeitstag. Meine Frühschicht endete gegen 14 Uhr und ich wollte noch meinen Einkauf erledigen. War ja schon Freitag. Mein Einkaufszettel umfasste nicht sehr viel. Für einen Ein-Personen-Haushalt reicht es, dachte ich mir, als ich las, dass ich noch Paprika, Salami und Reibekäse brauchte für die Pizza, die es am Abend geben sollte. Meine Schicht brachte mich um, daher habe ich es mir verdient an meinem freien Wochenende mal zu schlemmen. Bei meiner Diät kann ich mich auch morgen entschuldigen. Heute muss es mal was fettiges sein. Den ganzen Tag im Laden rumzurennen und Farbeimer von A nach B zu bringen geht mit der Zeit aufs Kreuz. Während ich in der Bahn saß betrachtete ich meinen Ausweis, welchen ich rausholte um meine Fahrkarte zu verstauen. Blondes, schulterlanges Haar, graue Augen und einen leichten Drei-Tage-Bart. Meine Nase ist etwas schief, das ist auf eine Schlägerei auf dem Pausenhof zurückzuführen. 22 Jahre ist es her, dass ich das Licht der Welt erblickte. Nun bin ich knapp 1,90m groß und kann einen leicht definierten Körperbau mein eigen nennen. Meine Mutter sagte immer, dass ich ein gut-aussehender Mann geworden bin und was Mütter sagen stimmt ja bekanntlich. Trotzdem hat es noch nicht für die richtige gereicht. Ein paar versuchten den Platz an meiner Seite einzunehmen, doch ist es alles irgendwann in die Brüche gegangen. Einmal lag es sogar an einer zerbrochenen Tasse. Ich wollte sie abtrocknen, sie wollte sie mir aus der Hand reißen und brach den Henkel ab. Das war vielleicht ein Streit. 

"Nächster Halt: Marktviertel."

Die Durchsage holte mich aus meinen Erinnerungen raus. Ich schnappte meinen Rucksack und stand auf um vor der Tür zu warten. Die Bahn kam an einem belebten Platz an. Viel Personenverkehr unterwegs. Autos, Busse, Bahnen, Menschenmassen. Stets belebt hier, viele Läden von Discountern über Schuh- und Schreibwarenläden und Obstläden mit dem ein oder anderen Restaurant dazwischen. Das ist das Marktviertel. Ich wollte mich auf den Weg zu meinem Lieblingsladen machen, als sie an mir vorbei lief. Eine junge, umwerfend aussehende Dame. Langes, voluminöses, schwarzes Haar. Wunderschöne grüne Augen. Ein weinrotes Top, was bis zum mit einem Piercing verzierten Bauchnabel reichte und Hotpants, welche keinen Raum für Fantasie ließen. Ich bin keiner der an Liebe auf den ersten Blick glaubte, aber sie blieb mir im Gedächtnis, nachdem wir für den Bruchteil einer Sekunde Blickkontakt hatten. Was mir aber wirklich nicht mehr aus dem Kopf oder besser gesagt aus der Nase gehen wollte, war ihr Duft. "Lavendel" Ein Gedanke der meinen Mund verließ und für umstehende so klang, als würde ich überlegen, welches Duschgel ich mir noch besorgen wollte. So einen penetranten Duft vernahm ich noch nie. Nicht mal, wenn es den Erdbeerkuchen von Oma gab und das ganze Haus nach Kuchenteig roch. Es war, als hätte sie ihre Parfümflasche zerbrochen und sich mit einer in Flüssigkeit getränkter Scherbe den Duft in die Haut zu ritzen. Je länger ich drüber nachdachte, desto mehr wurde mir bewusst, dass ich nicht nur Leuten im Weg stand, sondern dass ich immernoch meinen Einkauf erledigen wollte.

26,50€ musste ich im Laden lassen um meinen Einkauf, verpackt in einer Plastiktüte, aus dem Laden mitnehmen zu können. "Mein Wochenendeinkauf ist erledigt. Ab nach hause" dachte ich mal wieder laut und bewegte mich in Richtung Eigenheim. Ein großes Problem von mir ist, dass ich schon immer laut dachte. Ich setzte meine Kopfhörer auf. Musik sollte mir helfen um diese Frau aus dem Kopf zu kriegen. "Die seh ich eh nie wieder" redete ich mir selbst ein, während meine Bluetooth-Kopfhörer sich mit meinem Handy verbunden haben. "Young Kira - Grind" stand auf dem Display. Deutscher Rap war nie wirklich mein Genre, bis ich von einem Freund auf Rapper wie tj_beastboi, Young Mokuba und ein paar weitere aufmerksam gemacht wurde. Mittlerweile sind deren Songs aus meiner Playlist nicht mehr wegzudenken. Während ich auf dem Weg nach hause die Schlüssel aus der Hosentasche holen wollte blieb ich mit dem Schlüssel an einer Naht hängen, was sie mir aus der Hand riss und vor mir zu Boden fielen. Als ich nach ihnen greifen wollte, kam eine weibliche Hand mir zuvor. Schwarz lackierte Fingernägel welche zu einem Gesicht gehörten, von dem ich dachte es niemals wieder zu sehen. Sie war es. Die Dame, die nach Lavendel duftete. "Ist das der Schlüssel zu deiner Wohnung oder zu deinem Herzen?" Ein schelmisches Lachen zierte das Ende des Satzes. "Dürfte ich fragen, wer sie sind?" entgegnete ich ihr höfflich. "Mein Name ist nur von Bedeutung, wenn wir uns wiedersehen sollten." Eine geschickte Umgehung meiner Frage an sie. Diese Frau ist geheimnisvoll und genau das trifft meinen Nerv. "Hören sie, ich hätte gerne meine Schlüssel wieder, sonst komme ich nicht nach hause. Die Frühschicht war die Hölle!" Nun etwas aufgebraust um ihr zu zeigen, dass ich aufgrund von Hunger und leichter Müdigkeit keinen Spaß verstehe. Erst recht nicht, wenn es sich um solch wichtigen Eigentum wie meinen Wohnungsschlüssel handelt. "Wie wäre es, wenn du ihn dir holen kommst?" Diese Frau will mich doch verarschen dachte ich mir, während ich beobachtete wie der Schlüssel in ihrem Ausschnitt verschwand. Sie hatte einen sehr schönen Körper. Während ich überlegte, wie ich ihr klar machen konnte, dass ich die Polizei rufen werde, wenn sie mir nicht meinen Schlüssel wiedergibt, konnte ich nicht anders, als zu schätzen, welche Körbchengröße sie haben könnte. D? Doppel D? "Ich kann auch die Polizei rufen!" langsam wurde ich lauter. So gerne ich auf ihren Vorschlag eingehen möchte so sehr möchte ich auch einfach nach hause gehen und schlafen. Sie grinste mich an und auf einmal rannte sie weg.

"Wie konnte sie so schnell rennen, trotz ihrer Stilettos?" ebenso wie andere Fragen verließen mich, als ich ihr hinterher jagte. Sie rannte Hauptstraßen und Seitengassen entlang bis wir am Hafen ankamen. Sie blieb vor dem Hafenbecken stehen und griff in ihren Ausschnitt. Ich kam an, als ich den Schlüssel zwischen ihren Fingern in der Sonne aufblitzen sah. Sie holte aus. "Nicht!" rief ich ihr zu, aber der Schrei stieß auf taube Ohren und sie warf den Schlüssel ins Wasser. Ich kann nicht glauben, dass sie das getan hat. Sie blickte mich an. Ihre gift-grünen Augen durchdringten Meine Seele als ich den Abstand zwischen uns auf etwas weniger als 30cm reduzierte. "Ups." Das war alles, was sie sagte. Ich holte mein Handy raus um die Polizei zu rufen, als sie dieses nahm und auf den Boden warf. Sie trat drauf und der Stiletto bohrte sich durch das Display. "Keiner weiß dass du hier bist, richtig?" Diese Frage warf mich aus meiner Wutschiene und lies mich kurz verdutzt dastehen. Mit der Frage "Hab ich nicht recht, Patrick?" kam sie meinem Gesicht mit ihrem sehr nahe. Trotz meiner Wut und auch meiner Angst, was diese Frau vorhat, konnte ich nicht anders als ihre mit Lippenstift versehenen Lippen zu betrachten. Ich wollte diese Frau. Ich spürte ein Verlangen nach ihr. Ich wollte sie küssen. Sie scheint meine Gedanken hören zu können, denn sie schloss die Lücke zwischen unseren Lippen und ich spürte wie es knisterte. Wie tausend intensive Stromschläge. Was sich anfühlte wie zwei Ewigkeiten hörte nach ein paar Sekunden direkt wieder auf. Ich konnte nicht anders und wollte mehr. Sie legte ihren Zeigefinger auf meine Lippen und ließ mich wieder klar denken können. "Wenn du mehr willst musst du es verdienen." und als sie das sagte, wurde mir schwarz vor Augen.

Ich kam in einem dunklen Raum wieder zu mir. Eine flackernde Lampe. Das Rauschen von einem Radio mit schlechtem Sendeempfang sowie der Duft, der mir nur zu bekannt vorkam und mich schlagartig daran erinnerte, was geschehen ist. "Lavendel" hörte ich es hinter mir. Ich wollte mich umdrehen aber ich konnte nichts hinter mir erkennen. Die Lampe ließ das Gesicht allerdings im Schatten. Sie musste es sein. Wer sonst? Sie hat mich entführt. Was will sie von mir? Was hat sie vor? Plötzlich trat sie ins Licht. Sie hatte nichts an außer einem roten Desues. So weinrot wie ihr Top, was sie anhatte. Ich konnte nicht anders, als sofortiges Verlangen zu spüren, mein ganzer Körper wollte den ihren erforschen. Nichts unberührt lassen. Sie spüren und spüren lassen. "So schauen sie mich alle an. Das verwende ich gerne gegen sie. Und ich dachte du bist anders" sprach sie mit großer Enttäuschung in ihrer Stimme. Sie zog die Fesseln an meinem Arm fester zu und ich spürte den Schmerz meinen Körper durchfahren. Doch der Schmerz machte mich nur noch wilder. Ich wollte die Fesseln durchtrennen und ihr die Reizwäsche vom Leibe reißen. Sie verließ mich danach wieder. Es wurde dunkel. Und so blieb es für eine ganze Weile.

Ich weiß nicht wie viel Zeit verging. Eines Tages holte sie mich heraus. Sie nahm mich in ihrem Auto mit. Ich war abgemagert. Mein Haar zerzaust und filzig. Meine Klamotten dreckig und verschwitzt. Mein Gesicht leicht eingefallen mit starken Augenringen. Mir fehlte die Kraft zum sprechen. Sie fuhr zurück zum Hafen und hielt an. Es war Nacht. Der Vollmond am Zenit seiner Reise. Sie stieg aus und öffnete mir die Tür. Sie führte mich zum Hafenbecken und blickte mir in meine glanzlosen, toten Augen. Ihre Augen leuchteten im Mondlicht. "Warum ist es so einfach euch Männer zu verführen? So simple Kreaturen. So unterentwickelt im Gehirn. Es ist so traurig, wie es lustig ist. Damit wären es 134." Mit diesen Worten stieß sie mich ins Wasser. Dank meiner Hand- und Fußfesseln konnte ich nicht schwimmen. Ich kam auf dem Grund an und entdeckte einen Schädel, in dessen Augensockel ein Schlüssel lag. Wer den wohl verloren hat? Er kommt mir bekannt vor. Ich blickte weiter um mich, während mir langsam die Luft knapp wurde. Leichen von ihren Opfern. Nur noch die Wellen können ihre Geschichten erzählen. Ich öffnete meinen Mund und das Wasser flutete meine Lungen und während der Nebel in meine Augen zog und das Leben mich verließ war alles, was sich noch in einem Kopf befand nur eines. Ein ganz gewisser Duft. Doch die Erinnerung verblasste bevor mir der Name des Duftes einfiel. Ebenso wie ich verblasste. Nur einer von vielen ihrer Opfer.

Möge ich der Letzte sein...

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 22, 2020 ⏰

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