Kapitel 24

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„Warum muss ich das tun?" will ich entsetzt von meiner Mutter wissen. Immer noch klammere ich an meinem Vater und versuche mich hinter ihm zu verstecken. Es ist mein Vater der mir antwortet.

„Prinzesschen, wir müssen es tun. Es ist das Gesetz und wenn wir es nicht tun dann kommen die Männer des Königs und nehmen dich weg." Er kniet sich vor mich, schaut mir tief in die Augen und legt seine Hände auf meine Wangen. Mit den Daumen wischt er mir die Tränen beiseite.

„Aber ich habe Angst" gebe ich nun ehrlich zu und weitere Tränen kullern meine Wange hinunter.

„Ich weiß Schatz aber du musst stark sein" erwidert nun meine Mutter die sich hinter meinen Vater stellt und ihre Hand auf seine Schulter legt. Ich blicke nur kurz zu ihr auf und richte meine Augen wieder zu meinem Vater.

„Aber ich bin nicht stark. Ich bin doch noch klein" versuche ich zu argumentieren, entlocke stattdessen nur ein Lachen von meinem Vater.

„Prinzesschen, wahre Größe kommt von innen. Du bist das stärkste, schönste und hübscheste kleine Mädchen das ich kenne." Er streicht mir durchs Haar bevor er mich zu einer Umarmung an sich heranzieht.

„Okay ich mach es. Aber nur wenn du mit kommst" flüstere ich meinem Vater ins Ohr. Freudig drückt er mich noch fester an sich und hält mich in seinem Arm.

Mit der Hand meines Vaters fest verschlungen treten wir gemeinsam in den kleinen stickigen Raum. Mehrere Feuer brennen um uns herum und erhitzen die Luft. Das Geräusch von Metall das auf Metall schlägt lässt mich immer wieder zusammenzucken. Ängstlich schaue ich in die Augen meines Vaters der versucht mir Mut zu zusprechen. An einem holz Schemel an einem Tisch bleiben wir stehen und mein Vater zieht mich auf seinen Schoss.

Ein schmieriger verschwitzter Mann Mitte dreißig schaut uns entgegen und sagt etwas zu meinem Vater das ich nicht verstehen kann. Dieser nimmt meinen Arm und legt ihn behutsam auf den Tisch.

„Schau mich an Prinzesschen okay" höre ich meinen Vater hauchen.

Ich drehe meinen Kopf in seine Richtung und Blicke in seine Haselnussbraunen Augen. Sie strahlen so viel Wärme, Liebe und Gutmütigkeit aus das ich ihm ein Strahlen schenke. Er legt mir seine Hand auf die Wand so dass ich meinen Kopf nicht drehen kann und streicht mir mit dem Daumen darüber. Er küsst meine Stirn zaghaft und wispert „ich liebe dich Prinzesschen."

Plötzlich breitet sich ein höllischer Schmerz auf meinem Arm aus. Alles um mich herum geschieht in einem erhöhten Tempo. Ich schreie laut auf. Der Griff meines Vaters erhöht sich und er drückt mich näher an seine Brust. Mit seiner anderen Hand hält er meinen Arm fest auf den Tisch gedrückt. Mein Herz schlägt schneller und eine Dunkelheit legt sich über meine Augen. „Ich liebe dich" höre ich das Echo meines Vaters. „Ich liebe dich."

Schlagartig reise ich meine Augen auf und tastete meinen Arm ab. Ich fühle die Wölbungen meiner alten Narben und ertaste den Verband meiner neuen. Ich nehme einen tiefen Atemzug. Halte ihn einige Sekunden. Und atme wieder tief aus. Dreimal wiederhole ich die Atemübung und mein Herzschlag normalisiert sich wieder.

Im Zimmer ist es noch dunkel und nur das Mondlicht schimmert leicht durch die Fenster. Ich schließe meine Augen und sehe das Gesicht meines Vaters wieder vor mir. „Ich liebe dich" Er lächelt mir Aufmunternd zu. Seit Jahren habe ich nicht mehr von meinen Eltern geträumt und habe die Erinnerung an sie verdrängt.

Nun scheint der Damm gebrochen zu sein und sie holen mich nachts ein. Lange halte ich meine Augen geschlossen um die Erinnerung an meinen Vater nicht verblassen zu lassen, doch langsam löst sich das Bild in Luft auf und es bleibt nur eine Dunkelheit zurück.

Die AusleseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt