Wonderful Life

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Es war eine kühle Novembernacht, als Susie entlang des Severn durch Worcester schlenderte. Das nasskalte britische Wetter jagte der jungen Frau immer wieder einen kalten Schauer über den Rücken. Trotzdem, den abendlichen Spaziergang ließ sich das zarte Wesen nicht nehmen, auch wenn ihr der aufkommende starke Wind teilweise schwer zu schaffen machte. Sie strich sich energisch die blonden Strähnen, welche immer wieder in ihr hübsches Gesicht wehten, hinter die Ohren und setzte ihren Lauf fort.

Als sie sich nach einiger Zeit doch dazu entschied eine kurze Pause einzulegen und an dem Geländer einer Brücke innehielt, spürte sie die Präsenz einer weiteren Person. Ein kurzer verstohlener Blick nach links, offenbarte ihr einen Mann etwa Mitte 30, welcher schwer die Luft aus seinen Lungen stieß. Weinte er etwa? Ein weiterer Blick und Susie erschrack. Der Mann hatte sich nicht so wie sie nur an das Geländer gelehnt, sondern stand auf der anderen Seite der Brüstung. War er gewillt zu springen? Susie zog bestürzt ihre Hände vom Geländer und wie als wäre sie ferngesteuert setzte sie einen Fuß vor den anderen. Sie wollte näher an den jungen Mann herantreten. Dadurch erhoffte sie sich zu erkennen, dass sich ihre Befürchtung als eine Täuschung offenbarte. Nach näherer Betrachtung ließ sich dies jedoch ausschließen.

„Sie werden mich nicht abhalten.", sprach der Mann plötzlich panisch, der Susie wohl bemerkt haben musste. „Sicher?", fragte die Frau in einem unglaublich ruhigen und gefassten Ton. Mittlerweile stand sie direkt neben ihm und sah, so wie er, auf den durch den Mond beschienenen Fluss. „Bitte, gehen Sie doch. Es ist nicht meine Absicht Sie in die Sache zu verwickeln." - „Das ist wohl bereits geschehen." - „Verstehen Sie doch, ich habe meinen Entschluss gefasst. Es ist zu viel passiert. So viel.. scheiße einfach." - Als er diese Worte sprach, bebte seine Stimme ein wenig und man hörte ihn laut schlucken. Susie drehte ihren Kopf nun in die Richtung des Mannes und auch er warf ihr nun, als er sich eigentlich für einen Moment unbeobachtet fühlte, einen heimlichen Blick zu. In der Dunkelheit der Nacht trafen sich die beiden Augenpaare und auch wenn zu dieser Zeit kein Wort gewechselt wurde, schienen unendlich viele Sätze gesprochen worden zu sein. Die Stille. Die Blicke. Dieser eine Augenblick. Susie nutze die Chance und legte sanft ihre Hand auf die des Mannes und übte ein klein wenig Druck aus.

Mittlerweile peitschte der Regen erbarmungslos auf die beiden nieder. Die Tränen des Mannes verbanden sich mit den Tropfen des Niederschlages. Dann schloss er die Augen. „Sie können mir nicht sagen, dass dies Ihr Ende sein soll. Sie möchten nicht die traurige Schlagzeile der nächsten Morgenzeitung sein. Springen Sie nicht. Lassen Sie dieses wundervolle Leben nicht einfach so los." - Ihre Aussage schmiegte sich wie ein zartes Seidentuch um die Ohren des Mannes und plötzlich riss er sich los. Ein paar Bewegungen später, stand der junge Herr vor Susie. Der Brüstung hatte er nun den Rücken zugekehrt. Susie atmete erleichtert auf und ein Lächeln formte sich auf ihren Lippen. „Kommen Sie, wir gehen ein Stück. Mein Auto steht gar nicht so weit von hier."

Gemeinsam gingen die beiden den Weg zurück. Sie sprachen nicht viel, doch es wirkte sowieso so, als bräuchten sie kaum Worte, um sich wirklich zu verstehen. Peter, so hieß der junge Mann, wie Susie mittlerweile erfahren hatte, nahm auf dem Beifahrersitz ihres PKW platz. Auf der Strecke von Worcester nach Westminster, eine Strecke welche über zwei Stunden in Anspruch nahm, kamen sich beide näher. Peter drückte sich oft in das weiche Leder des Sitzes und ab und an kullerte eine Träne über seine Wange, welche Susie zärtlich mit dem Handrücken abwischte. Er erzählte von seiner Familie. Seinen Kindern, seiner Frau und von den nicht so schönen Dingen seines Lebens. Die alltäglichen Probleme haben ihn ans Ende seiner Kräfte gebracht und ihn in die Knie gezwungen.

Susie lauschte geduldig seinen Erzählungen, bis sie die Temple Station erreichten. Die Station der London Underground, von der aus Peter bis nach Worcester vorgedrungen war. „Wir sind da.", sagte sie mit unverzogener Miene, doch in ihr brach ein Sturm los. Sie wusste nicht so recht warum, doch sie wollte Peter nur ungern dem nächtlichen London überlassen. Er war ihr in der kurzen Zeit sehr ans Herz gewachsen, auch wenn sie sich dies selbst nicht erklären konnte. Es fühlte sich einfach so an, als wäre es Schicksal gewesen, dass sich die beiden heute trafen. Für sie war er über die wenigen Stunden, die sie miteinander verbracht haben, zu ihrem Traummann geworden, auch wenn es albern klang. Susie stieg aus, öffnete dem schlacksigen Peter die Autotür und ließ ihn ebenfalls aus dem Wagen treten. Nun standen sich beide ein weiteres Mal gegenüber und es war fast so, als könnte man das Knistern zwischen den beiden förmlich hören.

Ohne eine weitere Reaktion von Peter abzuwarten, schubste sie ihn gegen eine der feuchten Hauswände und küsste ihn leidenschaftlich. Zuerst überrumpelt von der Aktion, stieg nun auch Peter in den Kuss mit ein und nahm das zarte Wesen fest in seine Arme. Endlich schien er, ohne richtig zu verstehen warum, zu realisieren, was sie meinte. Dieses Leben kann so unglaublich wundervoll sein, wenn man nur die schönen Momente wirklich auskostet.

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