Ein Brief für Georgie

12 1 0
                                    

Georgie Fitzgerald hielt fest seinen Nagel umklammert. Seine dünnen Gelenke waren ganz weiß und manchmal zitterte seine ganze Hand ein bisschen. Vielleicht übertrieb er auch ein bisschen und wackelte seine Finger extra hin und her, das wusste er selbst nicht so ganz. Jedenfalls hielt er seinen Nagel sehr doll fest; der war nämlich das einzige Gute heute. Er hatte den halben Tag die Leute an der großen Straße angebettelt, und dann hatte er den halben Tag mit den anderen Kindern am Straßenrand Murmeln gespielt. Und als es grade dunkel wurde und man die Murmeln gar nicht mehr richtig wiederfand, war er schnell nach Hause gelaufen. Aber auf halbem Weg, eigentlich mehr auf dreivierteligem Weg, er war nämlich schon fast da gewesen, hatte ihm irgendein grober Kerl ein Bein gestellt und ihm sein hart ermurmeltes Geld wieder abgeknöpft. Wie der Mistkerl gegrinst hatte! Und jetzt war der blöde Nagel in seiner rechten Hand das Einzige, was Georgie geblieben war. Er hätte ihn einfach diesem blöden Grobian ins Auge pieksen sollen, dachte er. Dann hätte er immerhin noch seine drei Münzen gehabt und seine hübsche Murmel, und Vater würde nicht wieder so schrecklich rumbrüllen.

Georgie war jetzt fast Zuhause und wurde ein bisschen langsamer. Er tapste vorichtig den engen, staubigen Eingang hinunter und hinein in die dunkle Wohnhöhle. Er blieb kurz stehen und hielt die Luft an und lauschte auf das leise Atmen von Pip und John. Pips Atemzüge rasselten, und durch die Luft, die er aus seiner Lunge emporkämpfte, tanzte im letzten Sonnenstrahl der schwarze Staub. Vater war noch nicht da. Vielleicht war er wieder trinken oder lange Arbeiten. Vorsichtig schlich Georgie durch den kleinen Raum, tastete unter sein Kopfkissen und schob mit den Fingerspitzen seine Nagelsammlung beiseite. Dann ließ er sich langsam in sein Bett sinken. Sein Rücken schmerzte sehr, aber schon kam der rettende Schlaf über ihn.

Georgie wurde ein paar Mal wach und blinzelte schlaftrunken einem Flackerlicht entgegen, das kurz über die Wände tanzte. Sein Vater kam spät und still und brachte kaum das Nachtgebet über die Lippen, ehe er neben Georgie auf sein Stroh fiel. Er roch süßlich und schwer und schlief eng und gekrümmt, Arme und Beine fest an den großen Körper angezogen.

Das Frühschichtgetrappel riss die vier Geschwister aus dem Schlaf. Vater, Onkel John und der alte Cricket waren schon auf und zogen sich zügig an. Vom Eingang zog der Duft von Porridge herein und weckte Georgies Lebensgeister; rasch stand er auf und krabbelte rüber zu Pip. "Willst du, dass ich dir was mitbringe?" "Nein", raunte Pip, "lass mich in Ruhe".

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 21, 2020 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Hogwarts 1834 - Georgie FitzgeraldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt