Das Tankstellen-Cordon-Bleu

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Heute bin ich unterwegs, als mich der Heißhunger packt. Ich fahre an der Ausfahrt der Raststation ab und deponiere mein Auto im gelb eingezeichneten Parkplatz. Ich lege einen Sprint hin, dass Usain Bolt vor Neid platzen würde, bremse vor der Tür ab und betrete außer Atem die Tankstelle und schlendere zugleich gelassen unter heftiger Schnappatmung an die Feinkosttheke, wo ich gleichlaufend ein Cordon Bleu erspähe, das letzte seiner Art, wie es gemütlich zwischen den beiden, nicht sehr einladend aussehenden, metallenen Platten der Warmhaltevitrine sein Leben chillt und seine Entscheidungen überdenk. Vielleicht sogar stoned.

Ich trete näher heran. Das Feinkostfachverkaufspersonal bemerkt mich schließlich. Eine junge Dame schaut genervt über die alte Registerkasse, die locker dieselbe aus dem Kondomwerbespot mit Ingolf Lück aus dem Jahre 1989 sein könnte, und fragt in ihrem freundlichsten Ton: „Wat darfs sein, der Herr?!" Schon amüsant, wie alt und neu ein so schroffes Duo ergeben können. Das letzte mal, als ich so einen ironischen Zusammenhang gesehen habe, war das, als eine Frau Mitte vierzig auf der Parkbank mit ihrem Hund über ihre Arbeitskolleginnen zu lästern begann und dem Hund nur hin und wieder ein kleines Bellen zu entlocken war, als sie ihm ein Leckerchen über der Nase hinhielt

Etwas großklotzig denke ich, aber man zahlt ja auch bei anderen Imbissen, wie Starbucks, nicht für die Produkte, sondern für die Erlebnis. Ich bestelle mein Cordon Bleu und warte geduldig, während das Mädel mein Fleisch aus der Vitrine holt und, ohne nachzufragen, auf einem Pappteller rotweiß mit extra Fettlache darunter, liebevoll und fast schon ungezwungen anrichtet. Ich sehe in ihrem Gesichtsausdruck die Verachtung, die sie sowohl mir gegenüber, aber auch gegenüber dieses Berufes empfindet. Ich verstehe sie. Sie drückt mir die Pappassiette und das typische Plastikbesteck in die Hand und verabschiedet sich mit einem fast schon natürlich wirkenden: "Mahlzeit!". Ich entgegne ihr mit einem Mahlzeit meinerseits und setze mich an den einzigen freien Tisch in diesem ohnehin großzügig überfüllten Abstellräumchen der Tanke.

Beim Schneiden kommt mir eine Idee für ein neues Buch – Fleischhacken für Anfänger. Denn es ist genauso, wie man sich das Schneides eines abgestandenen Tankstellen-Cordon-Bleu vorstellt – trostlos und schwerfällig, wie mein Körper, wenn ich versuche Sport zu betreiben.

Bei allem Respekt, wäre da nicht dieses Schild mit der Aufschrift „Cordon Bleu, 3.99€" und der Käse der zwischen den beiden plattgelatschten Gummischuhsohlen, die locker ein Autogramm von Moses aus der Zeit nach seiner Wanderung tragen könnten, wie Öl herauslaufen würde, wäre ich nicht davon ausgegangen, dass dies etwas Essbares sei.

Naja, aber wie das so ist im Leben ist, sind es oft die nach Kupfer schürfenden, die wahre Schätze bergen können. Nur eben diesmal nicht.

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