Letztens stand ich in der U-Bahn. Geschlagene 30 Minuten. Wegen einer Fahrzeugstörung verschmolzen die schwitzigen Hände mit den Stangen, die Alltagsmasken mit den Lippen und die Körper völlig fremder Menschen miteinander. Jeder war genervt über so einen Mist, passend zum Feierabend.
Da kam ein älterer, gebrechlicher Herr rein. Sein Gehstock zitterte, seine Hand zierte einen Verband und sein kahle Schädeldecke wies unzählige Altersflecken auf.
Es gab natürlich schon lange keinen Sitzplatz mehr, da die Passagiere den Mindestabstand nicht einhalten konnten - wie im Sitzen als auch im Stehen. Alle Plätze waren belegt von Erwachsenen, etwas älteren, augenscheinlich fitten Menschen. Keiner zuckte auch nur mit der Wimper, versuchten den alten Herrn zu ignorieren.
Doch da saß noch ein Junge. Vielleicht dreizehn, kurze Haare, schwarzer Jogginganzug, weiße Nikes und hörte Musik über seine Kopfhörer (keine Air Pods, Kopfhörer)
Er sah den hilfesuchenden Mann, stand auf und bot ihm den Platz an. Keine Sekunde dachte er darüber nach. Er musste noch nicht einmal gefragt werden. Der Mann bedankte sich mehrmals mit einem breiten, ehrlichen Lachen im Gesicht - und er tat es noch während der Fahrt. Doch es war nicht wie in der Werbung, dass alle dem Jungen Beifall klatschten, die meisten schienen es zu ignorieren und waren froh, dass sie nicht "dran glauben" mussten.
Der Junge stand noch ein paar Stationen so da, aber Scheiße, dieser Teenager war der verdammt nochmal krasseste Ficker in dem gesamten Zug.
Vielleicht gab es doch noch Hoffnung.