TW
ES, M***B*****
Der tägliche Geruch nach Erbrochenen, die ständigen Würgegeräusche, das kratzige Husten. Der Alkohol, den er heimlich trinkt, die ganzen Tabletten, die er einwirft. Die Wutausbrüche, das Anfassen. Die ganze Zeit dieses... Anfassen...
Das Fressen, wie sie alles in sich rein frisst, wie sie alle fünf Minuten isst. Wie er ihr sagt, sie sei zu dick und könne doch ruhig noch mehr essen, es würde keinen Unterschied machen. Wie sie nicht mehr lächeln kann, wie sie diesen Terror nur erträgt und den Mut nicht findet, ihn zu verlassen.
Wie sie, die andere, isst bis ihr kotzübel ist. Wie sie sich andauernd in ihrem Zimmer versteckt, sich in Musik flüchtet. Wie sie schreit, sobald man sie berührt. Wie sehr sie Angst hat. Wie sie gefüllt nichts anderes tut, außer zu essen, sie kriegt es ja nicht anders vorgelebt.
Und sie, die wiederrum andere, hat das Gefühl zu ersticken. Sie isst immer weniger, kontrolliert Kalorien. Sie will dünn sein, hübsch sein und sie will ein Stück Freiheit zurück, welche sie nicht hat. Sie ist nicht in der Lage, Beziehungen aufzubauen, da er es ihr kaputt gemacht hat. Sie erträgt Berührungen nicht. Sie versteckt sich in viel zu weiten Klamotten oder im Gegenteil so engen, sodass man ihre Reize erkennt. Denn sie will nicht, dass man ihr in die Augen schaut, denn wenn man das tut, sieht man, welchen Schmerz sie in sich trägt und wie kaputt sie ist. Wie kaputt ihre Haut ist, wie kaputt ihre Seele ist, man kann sehen, dass sie keine Woche ohne Drogen oder Alkohol auskommt, sie erträgt das alles nicht mehr.
Denn Seelen heilen nicht einfach. Seelen brauchen Zeit, um zu heilen. Traumata können... Nein, man kann lernen, mit ihnen zu leben, aber das sind Wunden, die niemals heilen werden.