karamellfreundin

Es wird Zeit, wieder was zu schreiben.

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          “Niemand hatte sich je die Zeit genommen, den Scheffel ausfindig zu machen, unter dem mein Licht stand; der Scheffel war der Satz selbst, der Scheffel waren die Wände, gegen die nachts die Aschenbecher flogen, der Scheffel war ´Sei still´ und ´Sprich lauter´, zwei Forderungen, die ich gleichzeitig erfüllen sollte. Paradox oder nicht, schlussendlich war es meine eigene Schuld, dass ich ihnen nicht Folge leisten konnte. Ich hatte die Verantwortung für mein Licht zu tragen, ich war es gewesen, die es versteckt hatte unter einem der alten Lampenschirme meines Großvaters. Die Bedeutung dieses Sprichworts war mir gewaltsam entrissen worden. Ich konnte es nicht hören, ohne vor Wut die Fingernägel in meine Handflächen zu bohren. Halb erstickt war dieses Licht jetzt, aber nicht totzukriegen.” (S. 167)  - (Deniz Ohde, Streulicht)
          
          Diese Stelle beschreibt viele meiner Gefühle gut, denn ich bin es gewohnt gefragt zu werden, wieso ich mein Potenzial nicht ausschöpfen würde. Ich stelle mein Licht angeblich unter einen Scheffel, verstecke mein wahres Talent, nur weil ich nicht an mich selbst glauben würde. Die vierzehn Punkte in einer Klausur könnten ja fünfzehn Punkte sein, da habe ich mein Potenzial wohl nicht ausgenutzt und mich wieder ausgebremst. Viele Menschen in meinem Umfeld sagen mir, dass ich doch zu so viel mehr in der Lage wäre und wollen deswegen Verantwortung für mein Leben übernehmen, so als hätte ich nicht das Wissen und die Reife, das selbst zu tun, selbst darüber zu entscheiden.

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            Ich würde mich absichtlich nicht bemühen, das ginge doch nicht so weiter. Und jedes Mal, wenn mir so ein Satz gesagt wird, habe ich das Gefühl, die größte Versagerin zu sein. Anstatt dass ich mich wehre und sage, dass ich selbstständig genug bin und dass es meine Sache sei, wie ich mein Potenzial nutze, lasse ich mir sagen, was das Beste für mich sei. “Neuro - Chirurgin wolltest du doch mal mit zwölf werden, wieso jetzt nicht mehr?” - “Du solltest unbedingt Psychologin werden! Wenn dein NC schon nicht für Medizin reicht...”  Meine Träume und Wünsche werden von den Erwartungen anderer erstickt. Diese Erwartungen – sie sind mein Scheffel, unter den ich mein Talent stellen muss. Und ich habe das Gefühl, gegen dieses Drängen und all diese Forderungen machtlos zu sein. So wie die namenlose Ich - Erzählerin, die deswegen ihr Leben an sich vorbeiziehen lässt, bis es zu spät ist. Und jetzt, da es wirklich ernst wird, musste ich mich entscheiden: Willst du dein Licht unter dem Scheffel lassen oder lässt du es endlich scheinen?  
            
            Ich habe mich dafür entschieden, es scheinen zu lassen. Es könnte irgendwann mein Talent sein, an Gehirnen zu operieren, aber es ist mein Talent, zu schreiben und Literatur zu analysieren. Und auch wenn mein Licht halb erstickt war, es ist nicht totzukriegen, so wie im Buch.   
            
            
            Das ist eigentlich für meine Deutsch - Hausaufgabe zu einer Lektüre gedacht, aber vielleicht bringt es euch ja mal zum Nachdenken - Eine kleine Erinnerung, dass eure Träume ganz viel wert sind <3
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