Teil 2

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„Sag mal, Elliot, wie habt ihr euch denn eigentlich kennengelernt?“, fragte ihre Mutter betont beiläufig und bediente sich dabei am Salat. Während sie immer wieder zu Elliot hochschielte, räusperte sich dieser ausführlich.
„Au“, stieß er hervor und Naomi lächelte entschuldigend. „Ähm… wir haben uns in einem Club kennengelernt.“
„So ein Bastard!“, dachte Alex. Sie, er und Elliot, hatten sich in einem Club kennengelernt, einem Schwulenclub.
„Naomi geht in Clubs?“, warf Henri mit vollem Mund ein und kaute danach weiter wie ein Wiederkäuer. „Das…“, wieder ein Kauen, „ist doch gar nicht ihr Ding.“
„Es war vor dem Club, richtig?“, sprang Alex seinem Freund zur Hilfe.
„So hast du’s mir doch erzählt“, richtete er seine Worte nun an Naomi. „Nebenan ist das Kino, in das du immer gehst, und statt wieder zu seinen Kumpels in den Club zu gehen, ist er mit dir in einen Film.“
„Richtig.“
„Ist das nicht ein Treff der Schwulenszene?“
Gegenfrage: Konnte Henri nicht einmal seine Scheißklappe halten?
„Ein schwuler… Freund hat seinen Junggesellenabschied dort gefeiert.“
„Hat man dich dann nicht auf der Feier vermisst?“, warf seine Mutter ein.
„Es war… nur ein…“, Elliot sah sich hilfesuchend um und mit einem Seitenblick auf Alex ergänzte er: „der schwule Bruder einer Kollegin.“
Alex‘ Vater meldete sich auch mal mit einem geistreichen „Aha…“ zu Wort.
„Ihr geht also beide gerne ins Kino. Das ist schön.“ Die Mutter schien entschlossen, alle Skepsis ihres Mannes im Keim zu ersticken. „Naomi schaut doch so gerne diese Marvel-Filme. Wart ihr in so einem? Ich hab davon ja gar keine Ahnung.“
„Ich mag Superman“, platzte es aus Elliot hervor. Genauer gesagt schwärmte er für ihn. Wie er diese Haartolle nicht ausstehen konnte.
„Ist Superman nicht DC?“ Alex warf seinem Bruder einen warnenden Blick zu, aber der schien ihn gar nicht zu bemerken.
„Ja, haha. Er macht nur Witze. Stimmt’s, Schatz? So ist er eben. Ich liebe seinen Humor“, presste Naomi hervor und er hätte ihr am liebsten vor die Schuhe gekotzt.
Ihr Fake-Freund lachte verlegen und wich Alex‘ Blicken aus, während seine Schwester offensichtlich verwirrt darüber, was denn gerade bitteschön geschehen war, Blickkontakt mit ihm suchte.

„Wie war es denn bei dir und Amanda? Wo habt ihr euch kennengelernt?“, lenkte Naomi die Unterhaltung auf Alex und seine falsche Freundin und Elliot bekräftigte sie auch noch: „Das würde mich ebenfalls interessieren.“
Alex warf ihm einen mahnenden Blick zu. Er hatte wohl kaum das Recht ihm Vorwürfe zu machen. Schließlich spielte er das gleiche Spiel mit seiner Schwester.
„Wir haben uns bei meiner Arbeit kennengelernt“, erklärte Amanda, als Alex sie unterbrach.
„Ich habe Sachen für ein Rendezvous gekauft.“ Es musste ja keiner wissen, dass das eine Analdusche, Kondome, Gleitmittel und Kerzen bedeutete. „Sie kam gleich darauf, was ich geplant hatte und hat mir Tipps gegeben.“
„Beim nächsten Mal habe ich ihn gefragt, wie es lief“ – „Gar nicht…“ – „und dann haben wir uns auf einen Kaffee verabredet.“
Genau genommen hatte sie ihm mit einem Zwinkern viel Spaß gewünscht, ihm geraten seine Lieblingsmusik zu spielen, um die Atmosphäre etwas aufzulockern, und er war rot wie eine Tomate geworden, hatte etwas gestammelt von „Das ist nicht das wonach es aussieht!“. Amanda hatte lachend mit „Klar, sicher nicht“ reagiert und sich ein paar Tage später für ihre Übergriffigkeit entschuldigt. Nachdem sie meinte, sie hätte schon immer einen schwulen Freund gewollt und ihm damit ein Lachen entlockte, hatten sie sich tatsächlich auf einen Kaffee getroffen.
Alex sah wie seine Mutter beifällig nickte und Henri seinen Wuschelkopf, so krumm wie er dahockte, fast in der Bratensoße versenkte.
„Woher kommst du, Amanda?“, legte seine Mama unschuldig nach und vermutlich war sie sogar so naiv, das zu glauben. Scham trieb Alex die Röte ins Gesicht.
„Äh… als ich klein war sind wir von NRW hierher gezogen.“
„Ach, und… woher kommen deine Eltern. Also…“
Er wollte gerade schon ansetzen, um sie zu unterbrechen, als ihm seine Fake-Freundin beruhigend eine Hand auf den Oberschenkel legte. „Meine Mama wurde in Uganda geboren. Im Herzen ist sie aber Deutsche.“
„Woher kommt denn Elliot?“, setzte Amanda zuckersüß nach und als ihr durchdringender Blick auf ihn fiel, schluckte er sein scheinbar erst halbgekautes Bratenfleisch hart hinunter.
„Tatsächlich kommt mein Vater aus Polen. Er ist im Herzen auch immer noch richtiger Pole. Ihr wisst schon – trinkt gerne Bier und Wodka, hat sich noch nie eine DVD gekauft und hat eine konservative Einstellung.“
Alex‘ Vater verschluckte sich vor Schreck oder vor Erheiterung – so genau konnte er das nicht sagen – an seinem Pils und gleichzeitig hörte er, wie Henri auf der anderen Seite des Tisches mühsam ein Lachen unterdrückte.
Die Augen seiner Mutter wurden groß, doch sie schien fest entschlossen, sich davon nicht unterkriegen zu lassen. Zuverlässig hielt sie das Gespräch am Laufen - sie hasste Stille - obwohl es ihm lieber gewesen wäre, wenn sich jeder nur noch mit seinem Teller beschäftigt hätte. „Und was macht ihr denn zu Zweit? Gemeinsame Interessen sollen ja die Bindung stärken.“
„Wir zocken zusammen und schauen Supernatural“, listete Amanda auf und zählte gleichzeitig an ihren Fingern ab.
„Und Prince Charming, eine schwule Dating-Show“, ergänzte Alex in Gedanken, ließ das aber lieber unerwähnt.
Sein Vater schaltete sich auch mal ein: „Ihr schaut eine Serie?“
„Supernatural hat immerhin 15 Staffeln“, und einen heißen Dean Winchester.
„Henri spielt übrigens auch andauernd. Wie hieß das nochmal?“
„Eine Alliteration“, sprang ihr Ehemann seiner Frau zur Seite.
„Final Fantasy“, nuschelte der jüngste Sohn peinlich berührt. Gott sei Dank, war Alex nicht das Nesthäkchen.
„Cool, ich liebe Final Fantasy! Welcher Teil ist dein Liebster?“, überraschte Amanda alle am Tisch mit ihrer Begeisterung. „Meiner ist Final Fantasy 7. Die Story ist einfach genial.“
Nur Henri schien noch entgeisterter als der Rest zu sein. „Sechs“, war alles, wozu er sich überwinden konnte.
Während sie ehrlich interessiert den Jüngsten weiter nach seiner Meinung fragte, begegnete Alex ihrem Blick nur mit hochgezogener Augenbraue.
Als Henri weiter eingeschüchtert schwieg, trieb seine Mutter das Gespräch weiter voran: „Wie sieht es eigentlich bei dir aus, Henri? Bringst du uns auch bald mal jemanden mit, von dem wir noch nichts wissen?“
Naomi besiegelte dessen Schicksal, als ihr rausrutschte, dass er doch schon ewig in diese eine Kassiererin im dm verknallt sei. „Der muss die Deos schon bunkern, weil er dauernd reingeht, um ein Deo – und mehr nicht – zu kaufen, nur um sie zu sehen.“
Alex beobachtete, wie sein kleiner Bruder hochrot anlief und unter Amandas schockiertem Blick noch weiter in sich zusammenzuschrumpfen schien als eh schon. Während er zwischen beiden Beteiligten verwirrt hin und her blickte, dämmerte es ihm: Amanda war die Kassiererin, doch seine Freundin, zumindest glaubten das alle.

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