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Ich lief beeindruckt die Stallgasse entlang. Die meisten Pferde wirkten sehr freundlich und gut gepflegt. Doch ganz hinten, gab es eine Box die extra vergittert und mit einer Kette gesichert war. In der Box stand ein nicht sehr großes, schlankes Pferd. Das Pferd war schwarz. Rabenschwarz. Es hatte ein sehr feines Gesicht und seine Augen strahlten Kälte aus. Sein ganzes Erscheinungsbild wirkte so, als wäre er sich überhaupt nicht sicher, warum er hier eingesperrt war. Sein Fell war sehr schmutzig. Er schien Wochenlang nicht mehr geputzt worden zu sein. Dark Angel las ich, was auf dem Messingschild an der Box geschrieben stand.

Ich streckte die Hand durch die Gitterstäbe. Dark Angel fuhr erschrocken zurück.
„Hey, ich tue dir doch nichts", flüsterte ich ihm zu. Vorsichtig kam er näher und schnupperte an meiner Hand.
„Bist du wahnsinnig?!", schrie eine Stimme hinter mir. Dark Angel wich wieder zurück und bäumte sich wiehernd auf. Seine Hufe donnerten gegen die Boxentür. Ruckartig drehte ich mich um. Dort stand eine junge Frau mit roten Haaren, die sie zu einem lockeren Pferdeschwanz gebunden hatte. Die Frau ging zu Dark Angels Box, um ihn heraus zu holen. Wahrscheinlich wollte sie ihn irgendwohin bringen, wo er sich wieder beruhigen konnte, doch Dark Angel erschrak und galoppierte nach draußen, auf den Hof.

Er lief auf den offenen Reitplatz, und galoppierte ein paar Runden, bevor er schweratmend stehen blieb. Schnell schloss ich das Gatter. Der Hengst tänzelte nervös auf der Stelle. Die Frau kam herbeigeeilt. Doch als sie sah, das der schwarze Hengst eingesperrt war atmete sie erleichtert auf und klopfte mich auf die Schulter.
„Gut gemacht", sagte sie.
„Darf ich hier am Gatter bei Dark Angel sitzen?", fragte ich sie. Sie nickte nur gnädig und verschwand dann wieder im Stallgebäude.

Ich musste eingeschlafen sein, denn als ich wieder aufwachte, schnupperte Dark Angel an meinem Gesicht. Ich musste lachen. Langsam stand ich auf, und schlüpfte vorsichtig unter dem Zaun durch. Ich ging weiter bis ich vor Dark Angel stand. Vorsichtig streichelte ich ihm übers Gesicht, und nahm das Halfter, das am Zaun des Reitplatzes hing. Dark Angel wich wieder zurück und raste über den Reitplatz. Ich seufzte. Wenigstens hatte ich ihn streicheln können. Zwar nur kurz, aber immerhin etwas. Vielleicht würde er ja nächstes Mal sogar noch länger stehen bleiben.

Plötzlich kam mir ein Geistesblitz. Vielleicht wollte er ja einfach nicht, das man ihm das Gefühl gab eingesperrt zu sein. Und bestimmt fühlte er sich von mir bedrängt. Genauso wie bei mir oft. Man hatte schon öfter versucht, mich in ein Heim zu stecken. Doch dort hatte man mich eingesperrt. Bis jetzt war ich jedes Mal aus dem Heim entkommen. Auch aus Pflegefamilien war  ich immer geflohen, da sie mich, außer für die Schule nie rausgelassen hatten. Doch in meinem jetzigen Heim fühlte ich mich sehr wohl. Es war ziemlich klein, hatte dafür aber einen umso größeren Garten und ich hatte sogar mein eigenes Zimmer. So musste ich mich nicht mehr von meinen eigenen Zimmerwänden eingeengt fühlen. Oder von den Leuten die bei mir wohnten bedrängt. Wahrscheinlich fühlte sich Dark Angel ähnlich.

Mit gesenktem Kopf ging ich Schritt für Schritt auf ihn zu, immer darauf bedacht, stehen zu bleiben, wenn es ihm zu viel wurde. Als ich nur noch einen Meter von ihm entfernt war, blähte er die Nüstern auf und guckte mich ängstlich an. Ich blieb stehen, und drehte ihm den Rücken zu. Ich wartete. Minuten verstrichen. Dann endlich kam Dark Angel auf mich zu, und verpasste mir einen Stups an den Rücken. Ich lächelte und strich ihm vorsichtig über die Stirn. Dark Angel schnaubte, senkte den Kopf, und begann zu kauen. Er entspannte sich! Als er völlig entspannt da stand, ging ich ein paar Schritte vor, und er folgte mir. Während ich innerlich jubelte, blieb ich äußerlich völlig ruhig. Er vertraute mir.

Zwei Herzen: Zusammen werden wir fliegen                                Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt