Prolog

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Maybe you have to know the darkness before you can appreciate the light. — Madeleine L'Engle

3 Jahre früher...

Ich wusste nicht, wieso es so schmerzte. Ich wusste nicht, wieso die Sache mich so berührte, doch das tat sie. Weinend ließ ich mich von meinen Beinen tragen, immer weiter fort von all den Leuten im Haus, die mir versuchten vorzuschreiben, wie ich mein Leben zu leben hatte. Ich wollte fort von dieser eigenartigen und auch so befremdlichen Welt, in der alles und auch nichts möglich zu sein schien. All diese Regeln, all diese Erwartungen. Man übersah so schnell bei alledem, wie schlecht es einem ging. Keiner von ihnen schien meine Trauer wahrzunehmen, keiner von ihnen schien zu sehen, wie überfordert ich mit einfach allem war. Doch das war meine Welt, die Welt, in der eben alles ein wenig anders als bei normalen Leuten war.

Ich war so aufgewachsen. Ich hatte, seit ich ein Kind war, gewusst, dass meine Familie anders war, dass wir Dinge wussten, die normale Menschen nicht wussten. Ich hatte, seit ich ein Kind war, gelernt, an die Dinge zu glauben, die für andere Fiktion oder Aberglaube waren, und es hatte mich nie bedrückt, ganz im Gegenteil sogar, doch irgendwas hatte sich seit meiner Kindheit verändert. Ich hatte mich ganz einfach verändert. Ich war schon lange nicht mehr so voller Leben wie einst, ich war schon lange nicht mehr so glücklich wie einst. Das war jedoch belanglos. So war das eben, wenn man langsam erwachsen wurde, zumindest redete ich mir das oft ein. Mir einzugestehen, dass ich Hilfe brauchte, es war keiner meiner Stärken, doch Hilfe würde ich sowieso nicht von den Leuten bekommen, vor denen ich gerade floh. Ich wollte nur weg von ihnen und dieser ganzen Sache und am allermeisten wollte ich weg von ihm.

Wie konnte eine Person nur so grauenvoll sein wie er? Während ich halb blind fortrannte, kaum was sah von den vielen Tränen, die ich vergoss, kam mir wieder sein Gesicht vor Augen. Kellin Wentworth. Die schlimmste Person, der ich je begegnet war, und ausgerechnet die Person, mit der ich von heute an bis ans Ende meiner Tage verbunden war.

Ich schluchzte auf von dieser Gewissheit, war überfordert von alledem und das Wetter reagierte auf meine Emotionen. Es regnete in Strömen, blitzte und donnerte und kein Mensch war weit und breit ohne Regenschirm oder einer Regenjacke zu sehen, nur ich Verrückte eilte in einem dünnen Kleid völlig durchnässt durch die Gegend. Mir war es egal, was die Leute dachten. Mein Kopf war so laut, ich konnte da nicht auch noch auf die Worte all der anderen Rücksicht nehmen. Ich reagierte sicher über, das tat ich oft, doch mich hatte niemand gefragt, ob ich all das wollte. Niemand hatte je nach meiner Meinung gefragt, nach meinen Gefühlen oder wie es mir hierbei ging. Nein, alles wurde immer über meinen Kopf hinweg entschieden und nun wäre ich bis ans Ende aller Tage mit jemanden verbunden, den ich nicht ausstehen konnte und der mich mindestens genauso wenig ausstehen konnte.

Ich wurde langsamer, ehe ich mich kraftlos auf eine Parkbank setzte, nicht mehr weiterrennen konnte und wollte. Wieso meinte das Leben es nur so schlecht mit mir? Kellin war älter als ich, strahlte eine Gefahr aus, die mir Angst machte und die Abneigung, mit der er mich angesehen hatte, als ob ich nur dieses dumme 15 Jahre alte Mädchen wäre, das nun seine Bürde wäre, es war furchtbar. Nein, Bindung hin oder her, wir zwei würden nichts miteinander zu tun haben. Es war nicht gang und gäbe mit seinem Seelenpartner was zu tun zu haben, viele waren eher aus Not heraus verbunden. Wir mussten keine Freunde sein, wir mussten auch nichts miteinander zu tun haben und das wollte ich nicht. Ich hatte die Gerüchte über ihn gehört. Ich war nicht blöd, ich wusste, was er tat, was er für eine Person war und das konnte ich nicht gebrauchen. Ich hatte ihm angesehen, dass er keine Anstalt machen würde den Kontakt zu mir zu suchen. Er hatte Besseres zu tun als sich um ein halbes Kind zu kümmern und ich würde ihm nicht in die Quere bei alledem kommen. Ich würde ihm nicht im Wege stehen bei seinen Plänen der gefürchtetste Drogenboss der Stadt zu werden. Ich wollte mit solchen Dingen nichts zu tun haben müssen. Ich wollte nur endlich Normalität, doch würde ich das jemals haben? Ich schien skurrile Dinge magisch anzuziehen, war regelrecht umgeben von einer eigenartigen Welt. Wie konnte ich da je auf Normalität hoffen?

Bad Habits [18+]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt