"Sometimes I think everyone is just pretending to be brave, and none of us really are. Maybe pretending is how you get brave." — George R.R. Martin
Die Zeit bis zur Party verstrich langsam. Ich machte meine Hausaufgaben, zeichnete ein wenig was und nahm ein Bad. Dennoch war ich ein gutes Stück vor 22 Uhr fertig mit allem, würde mich jedoch erst richtig herrichten können, wenn meine restliche Familie zu Bett gehen würde. Keiner von ihnen durfte wissen, dass ich heimlich das Haus verlasse. Niemals würden sie mich auf eine Party gehen lassen, sie trauten mir nicht genug dafür und vermutlich war ich in ihren Augen auch noch einfach zu jung. Ich war zwar 18, aber in ihren Augen nicht alt genug spät in der Nacht allein durch die Gegend zu wandern, zu trinken und das an abgelegenen, gefährlichen Orten. Nein, ich würde nie um Erlaubnis fragen und mich hoffentlich auch nie erwischen lassen.
Es war 21 Uhr und ich wusste, dass meine Großeltern gleich zu Bett gehen würden vermutlich. Tante Lilien würde sich dann sicher in irgendeines der Zimmer verschanzen und mit Freundinnen für Stunden telefonieren, doch sie würde nicht mehr nach mir schauen, das tat sie nie. Ich trug zum Vorwand bereits meinen Schlafanzug, lief die Treppe hinab und wollte allen eine Gute Nacht wünschen, als ich jedoch hörte, wie das Gespräch in der Küche sich um mich drehte. Ich verharrte an der Treppe, lauschte den Worten, konnte es gar nicht verhindern.
„Ich mache mir lediglich Sorgen um das Mädchen", sagte meine Großmutter in dem Moment, klang wirklich aufgewühlt.
„Ihr geht es doch gut, Beth. Wir sollten Malia Vertrauen schenken. Wenn es ihr wieder schlechter geht, würde sie es uns sagen", beruhigte mein Großvater sie und ich ließ mich langsam auf die Stufe unter mir nieder, fühlte mich jetzt schon schlecht von dem Gespräch. Mein Großvater vertraute mir so sehr und ich würde ihn gleich heute noch bitter enttäuschen. Er dürfte nie erfahren, wie tief ich in der Scheiße mich begebe. Es wäre so enttäuscht.
„Ich weiß immer noch nicht, ob es eine gute Idee ist, dass sie ihre Tabletten abgesetzt hat. Was ist, wenn es wieder schlimmer wird?"
„Mutter, wir würden es doch sehen", sagte Tante Lilien nun recht theatralisch, war auf der Seite meines Großvaters.
„Sie hat heute nach der Schule aufgewühlt gewirkt", merkte meine Großmutter an und ich schloss kurz die Augen. Also hatte sie mir angesehen, dass ich zerzaust war. Natürlich. Sie alle achteten zu penibel auf mich und mein Verhalten. In ihrer aller Augen war ich wohl eine tickende Zeitbombe, die jeden Moment wieder hochgehen könnte, doch das würde ich nicht, das wollte ich nicht!
„Sie kam aus der Schule, wer ist da nicht aufgewühlt oder genervt?", fragte Lilien, schien mir ohne Zweifel zu vertrauen und ich fühlte mich schlecht diesem Vertrauen nicht gerecht zu werden. Ich erhob mich, wollte nichts mehr hiervon mitanhören müssen und lief deswegen geradewegs in die Küche, wo natürlich die Gespräche ein Ende fanden, alle mich bestürzt ansahen, doch ich versuchte so zu tun, als ob ich nichts gehört hätte.
„Ich gehe mal zu Bett", sagte ich breit lächelnd und bekam von allen dreien ebenso breite Lächeln zurück.
„Gute Nacht", wünschten sie mir alle und ich wandte mich hastig wieder ab, lief eilig zurück nach oben, wo ich meine Türe hinter mir absperrte. Ich wollte nicht zu sehr über das Gespräch gerade nachdenken. Ich musste sie wieder enttäuschen, ich musste es, wenn ich Jason retten wollte. Sie würden davon nichts erfahren. Es wäre eines meiner kleinen Geheimnisse und das war besser so. Keiner von ihnen würde sich damit belasten müssen.
Ich suchte mir passende Kleidung aus dem Schrank, entschied mich für eine schwarze Jeans, ein dunkles Top, dazu eine Lederjacke und Boots. Ich trug meine braunen längeren Haare offen, würde jedoch Schminke auftragen, viel Schminke. Ich liebte es mein Gesicht als Malunterlage zu verwenden, es machte mir Spaß aus mir selbst ein Kunstwerk zu machen, mich selbst wie bei meinen Zeichnungen zu Leben zu erwecken, mir Farbe zu verleihen. Ich nutzte die viele Zeit mein Gesicht zu neuem Glanz erstrahlen zu lassen, bis ich schließlich die langersehnte Nachricht von Jane erhielt. Ich hatte meine Großeltern schon gehört, wie sie in ihr Zimmer gegangen waren und kaum öffnete ich meine Türe, konnte ich auch Lilien wie gewohnt am Telefonieren hören. Mich würde keiner vermissen. Mit meinem Handy und einem Hausschlüssel ausgestattet lief ich leise nach unten, geradewegs aus der Haustüre heraus, wo meine Freundin schon im Taxi wartete und in das ich sofort einstieg.
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Bad Habits [18+]
Romansa'Wir alle sind unseren Gewohnheiten verfallen wie fucking Junkies ihren Drogen.' Malia versucht stärker als ihre Vergangenheit zu sein, dem ewigen Aufenthalt der vielen Kliniken zu entfliehen und endlich mehr von der Welt zu sehen. Ihre Hoffnung auf...