Ich musste tatsächlich noch nie in meinem gesamten Leben nachsitzen.
Nennt mich langweilig, aber bis zum heutigen Tage war das Unartigste, was ich in der Schule getan hatte, die Hausaufgaben zu vergessen. Die Tatsache, dass ich durchwegs gute Noten hatte bewegte die Lehrer nicht gerade dazu, mich aufzuschreiben.
Ich wusste bis heute nicht einmal, dass das Nachsitzen in einem eigenen Raum in der Schule stattfand.
Und als ich in der ersten Reihe am Fenster Platz nahm und meine Gedanken schweifen ließ, war ich bloß froh, dass mein Vater heute den ganzen Tag nicht zuhause war und somit nichts davon erfahren musste.
Mr. Sullivan, der passenderweise auch noch die Aufsicht hatte, saß am Lehrerpult und korrigierte Arbeiten, während er uns manchmal über die tief sitzenden Brille hinweg beobachtete. "Uns" – das waren eigentlich nur vier Personen. Und seltsamerweise war Hunter St. James keiner davon.
Den Unterricht zu schwänzen und dafür Nachsitzen zu müssen war eine Sache, aber dann auch das Nachsitzen zu schwänzen war eine Hausnummer, selbst für jemanden wie ihn.
Ich lehnte mich im Stuhl zurück und starrte aus dem Fenster, und begann gedanklich abzudriften.
Geschlagene zwanzig Minuten nach Beginn der Strafeinheit ging die Tür schwungvoll auf und Hunter spazierte herein, in der einen Hand eine Dose Red Bull und in der anderen sein Handy, auf welches er abwesend starrte.
"20 Minuten zu spät. Mr. St. James, ich bedauere es wirklich zu sagen, aber ich bin überrascht, sie heute überhaupt noch begrüßen zu dürfen. Bitte setzen sie sich."
"Mr. Sullivan.", begrüßte Hunter den Lehrer lässig und nahm an einem der Stühle in der letzten Reihe Platz, bevor er entspannt die Füße hochlegte. "Sie könnten auch einfach sagen, dass sie froh sind, mich zu sehen."
"Das bin ich tatsächlich, vor allem, weil sie die 20 Minuten, die sie zu spät hier erschienen sind, morgen nach der Schule nachholen dürfen."
"Sie wissen, wie man mich glücklich macht, Mr. Sullivan.", murmelte Hunter leise. "Wie bitte, was war das?", forderte unser Lehrer ihn auf, woraufhin Hunter abwehrend beide Handflächen hob und ihm damit signalisierte, nie etwas gesagt zu haben.
"Das will ich auch hoffen für Sie.", raunte Mr. Sullivan in seinen nicht vorhandenen Bart und fuhr mit dem Korrigieren seiner Arbeiten fort.
Ich hatte kaum zehn Sekunden Zeit, mich darüber zu freuen, dass Hunter so weit weg von mir Platz genommen hatte, da knarzte bereits ein Stuhl hinter mir. Und ich musste mich nicht wirklich umdrehen, um zu wissen, wer es war.
"Ist das das erste Mal, dass du nachsitzen musst?", ertönte eine leise, raue Stimme, bei der mir kurze Schauer über den Rücken liefen. Ich drehte mich halb um und dachte darüber nach, Hunter einfach zu ignorieren, doch wohlwissend, dass ihn das nicht zum Schweigen bringen würde, seufzte ich.
"Das kannst du dir doch eh schon denken.", antwortete ich bloß. Ich konnte mir gut vorstellen, was jemand wie er von jemandem wie mir halten mochte. Da brauchte ich ihm nicht auch noch die Bestätigung dafür verpassen.
"Wieso hab ich das Gefühl, dass du noch nie was wirklich Schlimmes angestellt hast?", fragte er leise und ich verkniff mir ein Augenrollen.
"Ich weiß nicht, Hunter. Vielleicht, weil es so ist?"
Hinter mir ertönte ein leises Glucksen. "Dabei kannst du echt frech sein, wenn du willst. Das passt nicht ganz zusammen, finde ich."
"Du kennst mich doch gar nicht.", entgegnete ich leise und zuckte zusammen, als ich sah, wie Mr. Sullivan den Kopf hob, und zu uns herüberblickte. Sofort starrte ich auf die Tischplatte und betete, dass er nichts gehört hatte. Doch kurz darauf wandte sich unser Lehrer wieder ab und ich atmete erleichtert aus.
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The Rose Bet
RomanceHunter St. James und Rosemary Williams. Eine Wette brachte ihn dazu, sie anzusprechen. Aber nicht dass hier irgendjemand zu denken wagt, diese Geschichte würde die üblichen Klischees bedienen. Denn mit ihrer Reaktion hat er nicht gerechnet. ~*~*~*~*...