WEIT

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Marthas Sicht:

Ich liege in meinem Bett, es ist 23:20 Uhr und ich sollte eigentlich schon schlafen, denn morgen früh ist wieder Schule, aber ich tu es nicht. Meine Gedanken schweifen ab, jetzt denke ich anstatt wie die Schule weiter geht, an mein Freund, ja ihr habt richtig gehört mein Freund Till, so ist sein Name und wir sind  jetzt schon fast 7 Monate zusammen, aber jetzt auch wieder seit fast zwei Monaten getrennt, aber nicht so wie ihr denkt, wir sind noch zusammen, aber wir sind räumlich getrennt, um genau zu sein liegen 324 Kilometer zwischen uns.
Alles fing so richtig an mit seinen Stiefvater, Till wurde das Glück mit mir einfach nicht gegönnt und er hat meinem Till immer irgendwelche Vorwürfe gemacht: "Wie scheiße doch sein Leben ist" "Till hat mich gar nicht verdient, er verdient niemanden, nicht mal mein angebliches Mitleid mit ihm" und so weiter.

Damit fing alles an, Till hat sich diese Vorwürfe von Woche zu Woche immer vorgeworfen, am Anfang konnte ich ihn noch daran hindern irgendwas doofes zu machen und ich hab solange versucht ihm diese Vorwürfe zu nehmen. Doch es musste kommen wie es kommen musste. Eines Tages wollte ich zu Till, dadurch dass wir im Internat wohnen kein Problem, also machte ich mich auf zu Tills Zimmer, ich klopfte an, aber bekam keine Antwort, also ging ich rein und ich sah Till völlig aufgelöst auf seinem Bett hocken, heulend  und sein Arm war voller Blut, Stieftrottel-Lutz hatte es geschafft, dass Till sich jetzt auch selbst verletzt. Ich ging direkt zu ihm, nahm ihn erstmal direkt in den Arm, danach musste ich aber dringend Verbandmaterial holen, also musste ich zu Frau Schiller. Sie kam mit, Verband die Arme von Till und sie entschieden mit ihm ins Krankenhaus zu fahren um zu schauen, ob er sich auch nicht zu tief geschnitten hat.

Nach 3 Stunden warten, auf den Treppen vor dem Internat,kam Frau Schiller zurück, aber ohne Till. Auf meine Frage wo Till sei, kam ne Antwort: "Seine Eltern haben ihn abgeholt."
Daraufhin brach meine Welt an diesem Tag zum ersten mal zusammen, ich wusste nicht ob ich ihn jemals wiedersehen werde, ich muss ihm doch helfen.
Am Abend bekam ich eine Nachricht von ihm:
"Hallo mein Kampfhund, ich weiß du wunderst dich warum ich nicht mit Frau Schiller zurückkam, es ist so: Ich brauche Hilfe, du weißt ich hatte die letzte Zeit so viele Probleme und es war heute auch nicht das erste Mal als ich mich geschnitten hab, nur es war noch nie so schlimm wie heute. Ich werde mir jetzt Hilfe holen und ich werde dich immer lieben egal was passiert, dadurch dass ich mir Hilfe holen werde, muss ich das Einstein verlassen, meine Mutter hat mich abgeholt und wir sind auf den Weg in die Kinder-und Jugendpsychiatrie, bei mir Zuhause in der Nähe, das heißt aber wir sind jetzt 324 Kilometer weit entfernt und ich weiß nicht wann wir uns wieder sehen können und ich brauche diese Hilfe jetzt, ich hoffe du verstehst das. Ich liebe dich. Till"

Ja ich bin stolz auf ihn, dass er das gemacht hat und von selbst ausgesagt hat, dass er diese Hilfe jetzt braucht.
Seit diesem Tag führen wir eine Fernbeziehung und es funktioniert, sehr gut sogar, besser als bei Hasimir, ups Kasimir, ja Till nennt ihn immer Hasimir irgendwann hab ich mir das wohl auch angewöhnt.
Jetzt merke ich, wie sehr ich ihn doch vermisse.
Und dann kam Corona, alle Schulen wurden erstmal geschlossen und somit auch das Einstein, und dann war ich noch weiter von ihm entfernt, und dann durfte ich ihn eh schon nicht mehr besuchen, denn ich durfte kaum raus, wegen dem Lockdown.
Paar Tage später bekam ich auch die Nachricht von ihm: "Ich bin jetzt auf ner geschlossen Station, mich dürfen nur meine Eltern besuchen und nicht einmal meine Geschwister dürfen hier rein und somit auch nicht du. Ich vermisse dich und ich liebe dich.".

Da merkte ich noch mehr wie schlimm es bei ihm geworden ist und ich musste wieder anfangen zu weinen, diesmal hatte ich nicht Sibel um mich herum, die mich ablenken und trösten kann, sondern nur meine Eltern und mein Bruder Lennart.
Ich telefonierte oft und lange mit Sibel am Tag und sie verstand mich und versuchte mich auch auf zu muntern, ich bin so froh, dass sie mich gerade so unterstützt und mir hilft und ich bin super froh, dass sie meine beste Freundin ist.
Keine einzige Minute ist seit dem  vergangen, in der ich nicht an meinen Freund gedacht habe. Ich liebe ihn und er ist so verdammt weit weg von mir und es wird bestimmt auch noch ein weiter Weg werden, dass er wieder gesund ist und wieder zurück aufs Internat darf.
Jeden Abend schreibt er mir, dass er mich endlich wieder sehen will. Ich will ihn auch wieder sehen.

Es sind jetzt fast 2 Monate vergangen, seit er dort fest sitzt und ich vermisse ihn so sehr und ich hatte jetzt einen Monat lang Sommerferien und morgen ist wieder 1. Schultag, nach den Sommerferien, diesmal ohne Till, leider. Corona- Regelungen sind  mittlerweile zum Alltag geworden, in jedem Geschäft, in den Öffentlichen Verkehrsmittel und jetzt auch im Schulhaus und auf dem Schulhof müssen wir ne Maske tragen.
Vor zwei Wochen schrieb mich, dann seine Mutter an „Hallo Martha, ich weiß für dich ist diese Situation auch nicht leicht. Wir haben uns bis jetzt einmal gesehen und ich bin froh, dass du für Till da bist. Ich wollte dich etwas ganz wichtiges fragen und zwar in den letzten Wochen hat Till immer wieder erwähnt, dass er dich endlich wieder sehen möchte. Ich habe das mal mit seiner Ärztin abgeklärt, denn sie ist auch der Meinung, dass ihm das gut tun wird und ihr euch ganz bald wieder sehen solltet. Sie hat grünes Licht gegeben und ich hab gesagt ich kläre es mit dir ab und dann schauen wir mal wann wir das machen können. Also wenn du Zeit und Lust hast kannst du gerne nächstes Wochenende zu uns kommen und wir fahren dann am Samstag zu Till. Du kannst ja alles mal mit deinen Eltern abklären und mir dann Bescheid geben. Aber bitte tu mir ein Gefallen und sag Till noch nichts. Liebe Grüße Susanne"

Damals dachte ich mir, endlich seh ich ihn wieder, doch als ich letzte Woche dann bei seiner Familie war und eigentlich auch bei ihm, lief alles anders als geplant. Er durfte nicht raus und ich nicht zu ihm rein, die einzige Möglichkeit wie wir uns sehen durften war dann, durch ein Zaun. Ich konnte ihn nicht umarmen, nicht einmal küssen und das einzige was ich konnte war meine Hand durch den Zaunspalt zu stecken und seine Hand zu halten. Wir sahen uns genau 20 Minuten, leider nicht mehr, danach verabschiedete ich mich dann auch von seiner Mutter und nahm den nächsten Zug nach Hause. Den Tag den wir uns so schön vorgestellt hatten uns endlich wieder in dem Arm zu nehmen, war da geplatzt, wie eine Seifenblase in der Luft. Als ich mit dem Zug nach Hause fuhr, telefonierte ich ziemlich lange mit Sibel, sie versuchte mich aufzumuntern und war einfach nur für mich da, obwohl sie für mich da war, hätte ich gerne jemanden der mich umarmt und mich gerade einfach festhält. Auch wenn ich auf meiner 4 Stunden Zugfahrt meine Maske tragen musste, ging es voll. Nach 4 Stunden kam ich dann auch Zuhause am Bahnhof an, wo mich meine Eltern dann auch abholten. Die letzte Ferienwoche verbrachte ich zwar noch viel mit meinen Eltern und mit Lennart. Sie versuchten mich so gut es ging abzulenken und wir unternahmen noch mal viele Familienausflüge. Heute morgen wurde ich dann von meiner Mutter zurück ins Internat gefahren, ich war froh, wieder nach langer Zeit hier zu sein, aber ich wäre noch glücklicher wenn Till auch hier wäre, um gemeinsam in unser letztes Schuljahr zu starten.
Als ich heute ins Internat zurück kehrte, hab ich noch kurz mit Viktor geredet, dann er hatte auch viel Kontakt mit Till und ist seit Timo und Nick weg sind auch ein sehr guter Freund von ihm, er sagte mir: „Till ist ein Kämpfer, er schafft das und du weißt das, er sagte mal zu mir "Wer kämpft kann gewinnen, wer nicht kämpft, hat schon längst verloren". Er wird kämpfen und du merkst dich bestimmt auch wie es ihm jeden Tag besser geht und ja es ist ein weiter Weg, aber er wird kämpfen für dich, für eure Liebe und bestimmt auch für uns alle hier. Till ist ein Kämpfer!"
Bis heute hatte ich noch Ferien, und jetzt liege ich wieder in meinem Bett, in meinem Zimmer, in Erfurt, im Internat und kann nicht schlafen, weil ich an Till denke muss, der jetzt wieder 324 Kilometer weit von mir entfernt ist.

Er ist mein Schatz, mein Chef und der Oberturnbeutel der Schule und mein Freund, ich liebe ihn und ich kann und ich werde nie aufhören ihn zu lieben. Ich will ihn nicht verlieren, nicht jetzt und am besten einfach nie.
Bis er wieder entlassen wird und er dann auch wieder alleine klar kommen wird ist es bestimmt noch ein langer und weiter Weg. Ein weiter Weg von dem wir beide nicht wissen, wie lange er ist, dieser weite Weg kann lang, aber auch kurz sein, wir wissen es nicht. Aber er ist auch verdammt weit weg. Ich vermisse ihn und liebe ihn, ich hoffe er wird bald entlassen und kommt hoffentlich auch zurück aufs Internat.
Dieser Weg ist ein weiter Weg, eine weite Strecke von Kilometern liegt zwischen uns, aber unsere Liebe wird das hoffentlich nichts ausmachen, sondern sie nur verstärken.
Viktors Sätze schleichen sich noch in meine Gedanken, denn sie berühren mich und er hat Recht, denn Till ist ein Kämpfer, er wird kämpfen, für uns, auch für mich und unsere Liebe. Der letzte Satz der mir dann noch mal einfällt bevor mir meinen müden Augen zu fallen ist:
"Wer kämpft kann gewinnen, wer nicht kämpft, hat schon längst verloren".

Tillartha OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt