Lena:
Wir betreten den nächsten Raum. Es handelt sich wieder um ein Durchgangszimmer. Es ist der größte Raum den ich in dieser Wohnung bisher gesehen habe. In ihm befinden sich zwei große Sitzecken. Die eine direkt an der Tür durch welche wir den Raum soeben betreten haben. Die andere genau am anderen Ende des Raumes an der nächsten Tür. Die Mitte des Raumes ist komplett leer. Aber DER Raum ist trotzdem so voll, dass er einen regelrecht erschlägt. Den an den Wänden prangen riesige, dunkelbraune Bücheregale die alle bis zum bersten gefüllt sind.
„Die Bibliothek?“, frage ich in sarkastischem Ton. Er nickt.
Wir schreiten in schnellen schritten durch den riesigen Raum. Er hält direkt auf die nächste Doppelflügeltüre zu. In diesem Raum gibt es also offensichtlich nichts für mich zu sehen. Als er jedoch die nächste Tür öffnet, bin ich überrascht.
„Es gibt hier ja doch einen Flur!“, platzt es aus mir heraus. Und ein sehr langer noch dazu.
„Von diesem Flur gehen die Schlafzimmer ab.“, erklärt er. „Selbstverständlich sind die Schlafzimmer keine Durchgangszimmer.“, fügt er in ironischem Ton hinzu als sei dies von Anfang an ohne jeden Zweifel klar gewesen.
„Und die Badezimmer?“
„Jedes Schlafzimmer verfügt über ein eigenes Bad. Welches dann jeweils von dem betreffenden Schlafzimmer abgeht. Eine Verbindung zum Flur besteht bei keinem der Bäder um die Privatsphäre zu wahren.“
Privatsphäre. Hier. Na sowas. Damit hätte ich jetzt gar nicht mehr gerechnet.
„Hier am Anfang des Ganges befindet sich das Zimmer von Jonas.“, er deutet zu der ersten Tür auf der rechten Seite. „Das Zimmer hat er sich damals selbst ausgesucht als wir hier eingezogen sind. Er wollte unbedingt das erste Zimmer im Gang, direkt neben der Bibliothek.“
Das ist ja süß. „Wie alt war er damals?“, frage ich lächelnd.
„Ich glaube 6 oder 7!“, erklärt er. „Wir sehen uns sein Zimmer aber jetzt natürlich nicht an. Ich hoffe sie haben Verständnis dafür! Ich will und muss ihm seine Privatsphäre lassen!“
Ich nicke. Er führt mich weiter durch den Gang. Wir gehen wortlos an drei geschlossenen Türen vorbei zu denen er nichts sagt. Diese Zimmer stehen vermutlich leer. Dann bleiben wir schließlich an einer Türe stehen, auf der ein ganz offensichtlich selbstgebasteltes Bildnis eines Schneemanns aus einem beliebten Kinderfilm zu sehen ist.
„Olaf!“, platzt es erfreut aus mir heraus. Wenige Sekunden später wird mir bewusst, wie peinlich ich mich gerade verhalten habe. „Tut mir leid!“, sage ich kleinlaut und wende meinen Blick verschämt zu Boden.
„Sie sind Zielgruppenorientiert! Das gefällt mir!“, sagt er in bestimmten Ton. „Das muss Ihnen also überhaupt nicht leidtun.“
„Ich habe den Film nicht angeschaut, weil ich beruflich mit Kindern in dieser Altersgruppe zu tun habe.“, gebe ich verschämt zu. „Ich liebe den Film!“
„Das ist noch besser! Das macht sie authentisch und Authentizität ist mir noch viel wichtiger. Also kein Grund um verschämt zu Boden zu schauen.“, sagt er und als ich zu ihm hinaufschaue, sehe ich wie ein lächeln seinen Mund umspielt.
„Ich nehme dann mal an, dass dieses Zimmer einem der Mädels gehört. Wer hat das tolle Bild mit den beiden gebastelt?“, frage ich neugierig.
„Das ist das Zimmer von beiden Mädels. Sie teile sich ein Zimmer. Und den Olaf habe ich mit ihnen gebastelt.“
ich bin perplex. Er und basteln. Kann ich mit überhaupt nicht vorstellen! Und warum teilen sich die beiden ein Zimmer? Hinter den drei Türen an denen wir vorbei gegangen sind werden sich doch unter Garantie, leere Zimmer befinden. Und selbst wenn dem nicht so sein sollte, wird es doch wohl in dieser riesigen Luxuswohnung die Möglichkeit geben, beide Kinder in getrennten Räumen unter zu bringen.
Es irritiert Sie, dass die beiden sich ein Zimmer teilen. Das sehe ich Ihnen an! Die beiden sind unzertrennlich. Ich habe mehrfach versucht, einer der beiden einen Auszug in ein anderes Zimmer schmackhaft zu machen. Aber bisher immer Erfolglos! Sie hängen beide an diesem Zimmer und an einander. Die Kapazität um beiden ein eigenes Zimmer zu geben ist gewiss da. Ich bin soeben mit Ihnen an drei Schlafzimmern vorbeigegangen, die komplett Leerstehen. Ich finde es sogar schade, dass diese Räume komplett leer sind. Verschwendeter Platz! Aber es ist nun mal nicht zu ändern.“
„Vielleicht heiraten sie ja doch nochmal und bekommen weitere Kinder. Die werden die unbesetzten Räume schon füllen!“, witzele ich. Plötzlich ändert sich etwas. Sämtliche Gesichtszüge entgleiten ihm. Plötzlich kann ich in seinem Gesicht lesen wie in einem offenen Buch. Schmerz und Trauer sind zu erkennen. Aber auch Wut.
„Ich will und werde keine weiteren Kinder haben. Ich weiß, dass sie es nur Scherzhaft gemeint haben. Aber solche Witze werden Sie nie wieder in meiner Gegenwart machen. Ansonsten sind Sie diesen Job sofort los. Das garantiere ich Ihnen. Haben wir uns da verstanden?“, fragt er erbost. Ich nicke nur. Schon wieder bin ich in ein Fettnäpfchen getreten und habe seine Gefühle verletzt. Und dieses Fettnäpfchen scheint mehr in ihm auszulösen als seine tote Ehefrau. Warum auch immer. Vielleicht werde ich das noch herausfinden.
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Even more Shades-Eine "Fifty Shades of Grey" Fanfiction
FanfictionDie 23-jährige Studentin Lena versucht über die Runden zu kommen und ihr Studium zu finanzieren. Dann bekommt sie eine Anstellung bei dem mysteriösen CEO Marius, der ihre Welt vollends auf den Kopf stellen wird.