Kapitel 6

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Tiaras POV
Das Eis essen mit Tamo war schön und ich konnte wenigstens für eine kurze Zeit die Sache mit Maila vergessen. Ich wollte es genießen, denn vielleicht war es das letzte Mal.
Tamo erzählte mir von der Grundschule und seinen Freunden. Dabei hatte er die ganze Zeit ein Lächeln auf den Lippen und hörte nur kurz auf zu reden, wenn er ein Löffel Eis nahm.
Hach, wie gerne würde ich auch wieder so klein sein. Keine Sorgen, keine Probleme.

Aber leider konnte man die Zeit nicht zurück drehen, aber ich hätte es schon alleine wegen Maila längst getan.
Ich hätte ihr viel früher gesagt, dass sie zum Arzt gehen soll, denn damals war es leider schon zu spät.
Sie hatte nie wirklich krank gewirkt, sie war immer nur ein wenig blass und sah müde aus. Hätten wir gewusst, dass der Krebs damals schon so fortgeschritten war, hätte man sie heilen können. Aber jeder dachte, dass sie nur müde war und Stress von der Schule hatte.
Danach ging es rasend schnell und ein paar Monate später war sie gestorben. In meinen Armen.

Ein Stich durchzog meinen Körper und ich musste mich zusammen reißen nicht laut aufzuschluchzen. Zum Glück bekam Tamo nichts mit, denn der erzählte voller Euphorie weiter von seinen Freunden.

Bleib stark, nur noch zwei Wochen. Dann seid ihr wieder vereint. Für immer.

Mittlerweile lag ich in meinem Bett und lauschte der Stille in unserem Haus. Ich hatte Tamo nach dem Eis essen zurück zu Grandma gebracht und war dann wieder heim gegangen.
Nun war es mitten in der Nacht und mal wieder wälzte ich mich schlaflos in meinem
Bett. Draußen hörte ich die Grillen zirpen und das Rauschen der Blätter in dem leichten Sommerwind der Nacht.

Meine Gardinen bewegten sich ein wenig durch den Wind und durch mein Fenster fiel Mondlicht auf meinen Schreibtisch. Genauer gesagt auf das Bild, dass dort stand. Eines der wenigen in meinem Zimmer. Doch es hatte eine wahnsinnige Bedeutung für mich.
Auf dem Bild waren ich und Maila zu sehen. Das war kurz vor ihrer Diagnose. Wäre ich damals aufmerksamer gewesen, dann hätte ich es sehen müssen. Aber ich war zu der Zeit zu viel mit mir selbst beschäftigt. Die Streitereien mit meinen Eltern wurden damals immer heftiger und ich legte meinen Fokus darauf. Hätte ich nur mehr auf Maila geachtet. Ach Maila, ich vermisse dich so sehr. Aber bald, bald sind wir wieder vereint, ich verspreche es dir. Dann ärgern wir gemeinsam als Geister Leute und holen das nach, was uns genommen wurde.

Mein Blick wanderte nun durch mein Zimmer und ich bemerkte, dass es mir eigentlich garnicht mehr gefiel. Die fliederfarbenen Wände und die verschnörkelten Möbel passten nicht mehr zu mir. Damals war dieses Zimmer sozusagen eine perfekte Beschreibung für mich und meinen Charakter.
Das glückliche, zufriedene Mädchen, das sein Leben im Griff hatte. Und jetzt? Beinahe musste ich über mich selbst lachen.
Mittlerweile war ich einfach nur noch eine kalte, traurige Seele, die alles beenden wollte.
Wie konnte man sich nur in sechs Monaten so verändern?

Da noch immer nicht an Schlafen zu denken war, ging ich runter und entschied mich schließlich dazu in ein paar alte Familienalben zu schauen. Das machte ich oft, meistens wenn ich meine Eltern vermisste.
Auch wenn ich die beiden hasste, ich vermisste sie. Die Art von meiner Mutter, wenn sie mir einen Rat gab und das Lachen von meinem Vater, wenn er einen Witz riss. Beides geschah sehr selten, aber solche Momente bedeuteten mir die Welt.
Und trotzdem war das nicht genug, um mich hier zu halten. Selbst Tamo war nicht genug, so leid es mir auch tat.
Die einzige, die mich am Leben halten könnte, wäre Maila. Was eine Ironie, nicht wahr? Eine tote Person.

Ich sah mir die verschiedensten Fotos in den Alben an und stieß plötzlich auf eins, dass ich noch nie gesehen hatte. Darauf waren meine Eltern und ich als Baby zu erkennen. Wir sahen aus, wie eine Familie aus einem Film.

Meine Eltern sahen anders aus. Glücklich? War ich das Glück von den beiden? Selbst wenn, nun war ich es nicht mehr.
Das einzig wahre Glück für die beiden war Geld. Geld und Macht. Das machte meine Eltern überaus glücklich. Allerdings war davon nicht mehr viel übrig, wahrscheinlich waren sie deshalb so verbissen.

Mein Vater hatte damals relativ viel von unserem Vermögen bei einem Deal verloren. Nun versuchten meine Eltern seit ca. 10 Jahren unsere Firma zu retten. Jedoch ohne Erfolg. Doch sie gaben es nicht auf in der Hoffnung auf ein Wunder.

Seit 10 Jahren hatte ich theoretisch keine Eltern mehr. Mit dem Geld war damals auch das Glück meiner Eltern verschwunden und damit auch die Liebe zu mir. Was ein Scheiß. Mir flossen Tränen über die Wangen, aber nicht weil ich traurig war. Ich war wütend auf meine Eltern. Sie hatten mich im Stich gelassen. Sie hatten unsere Familie eingetauscht gegen arbeiten. Sie wollten immer nur perfekt sein und das Beste haben. Ich hoffe, sie würden endlich die Augen aufmachen. Aber dann war es wahrscheinlich schon zu spät. Zumindest für mich.

Vielleicht waren die beiden dann endlich mal bessere Eltern für Tamo. Er hatte es verdient. Er verdiente alles Glück der Welt.

Mit einem heftigen Ruck schlug ich das Album zu und pfefferte es auf den Boden. Ein Vorteil, wenn die Eltern wenig da waren. Man konnte einfach soviel Krach machen, wie man wollte, selbst nachts.

Was sollte ich jetzt noch machen? Irgendwas musste es doch geben. Ich könnte raus gehen. Ich könnte es auch einfach jetzt beenden. Aber nein, ich tat es nicht wegen Tamo. Ich wollte noch einmal mit ihm ins Kino und ins Schwimmbad gehen. Das hatte ich ihm versprochen.

Irgendwann musste ich wohl eingeschlafen sein, denn ich wurde morgens von meinem Wecker geweckt. Und der gleiche Albtraum, der sich Schule nannte, begann.

Hallooo:) Jetzt wisst ihr ein wenig mehr über die Eltern von Tiara und warum das Verhältnis so schlecht ist.
Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen, danke für die ganzen Reads, Votes und Kommentare. Das bedeutet mir unglaublich viel. DANKE<33

can you save me?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt