Kapitel 30

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Milos POV
Ich konnte meinen Augen nicht trauen, als ich die Halle betrat.
Alles war voll mit, in Klebeband eingewickelten, Päckchen. Adan war ein Dealer und hatte anscheinend auch nicht zu wenig Stoff. Doch von Tiara schien hier jede Spur zu fehlen. Auch Ethan, der gerade von seiner "Erkundungstour" durch die Lagerhalle zurückkam, schüttelte den Kopf und sagte: „Nein, tut mir leid. Hier ist nichts außer der Stoff. Der eigentlich uns gehört." Mit zusammengekniffenen Lippen schaute Ethan mich an, doch ich wich seinem Blick aus.
Ich erschrak kurz, als sich schließlich die Tür der Halle öffnete. Doch es war nur der Fahrer von Ethan, der nun anfing, den Stoff in eine Kiste zu packen.
„Wenn du anpackst, können wir schneller weiter.", rief Ethan mir zu, der mir kurz darauf eine ganze Ladung Stoff in den Arm drückte.
Ich hatte da eine stolze Summe im Arm und wäre Tiara nicht gewesen, wäre ich wahrscheinlich jetzt unfassbar stolz drauf. Aber die Zeit eilte und ich wollte so schnell wie möglich wieder los.

Sogar zu dritt brauchten wir noch weitere 20 Minuten bis wir schließlich endlich die Kiesauffahrt vor der Halle wieder verließen. Innerlich war ich unfassbar wütend, doch ich blieb still, denn ich wollte nicht auch noch Ethan gegen mich aufhetzen. Er und seine Männer taten so viel für mich.
„Wir fahren jetzt nochmal ungefähr so eine Dreiviertelstunde. Wir müssen einmal komplett durch die ganze Stadt und dahinter ist noch ein Lager von Adan. In den anderen war ebenfalls nichts. Zwei von meinen Männern sind jetzt noch auf dem Weg zu einem anderen.", gab Ethan mir als Zwischenstand. Als er anscheinend merkte, wie unruhig ich wurde, sagte er noch: „Wir finden dein Mädel, vertrau mir."
Stumm nickte ich und schaute wieder aus dem Fenster. Die Häuser am Stadtrand zogen an uns vorbei, bis wir schließlich wieder mitten im Großstadtverkehr landeten. Jede Ampel, an die wir kamen, war rot und auch die anderen Verkehrsteilnehmer meinten es nicht gut mit uns. Alles vergeudete Zeit.

Ich wurde hellhörig, als auf einmal Ethans Handy klingelte.
Ich hörte nur ein paar Wortfetzen, da er extrem leise sprach und zwischendurch nur mit dem Kopf nickte. Er schaute auf, als er bemerkte, dass ich ihn erwartungsvoll ansah und legte kurz darauf auf.
„Sie haben sie. Sie haben dein Mädchen."
Es war, als würde mir ein Stein vom Herzen fallen. Alle Sorgen und alle Ängste waren wie weggeblasen. Wir hatten sie. Ich konnte es kaum glauben.
„Geht es ihr gut?", vergewisserte ich mich. Ethan zog scharf die Luft ein und ich wusste genau, was das bedeutete. Nichts gutes.

Tiaras POV

-Zwanzig Minuten vorher-

Keuchend richtete ich mich an der kalten Steinwand auf. In den letzten Stunden war ich mehrmals ohnmächtig und meine Energie wurde mit jedem Mal weniger. Lange würde ich es sicher nicht mehr aushalten.
Ich hatte so schrecklichen Durst, meine Kehle war staubtrocken und mein Hals brannte. Außerdem hatte ich unfassbare Schmerzen, die sich mittlerweile über meinen ganzen Körper verteilt hatten. Es war wohl ein Wunder, dass ich noch nicht verblutet war, aufgrund der Wunde unter meiner Brust. Doch so langsam merkte ich, wie die letzten Reserven meines Körpers endgültig zur Neige gingen.
Ich zitterte am ganzen Körper und doch war mir extrem heiß. Mir fielen immer wieder die Augen zu und es fiel mir schwer, sie länger als eine Sekunde offen zu lassen.
Das war mein Ende. Ich hatte es im Gefühl. Mein endgültiges Ende.
Langsam glitt ich wieder in einen leichten Schlaf.

„Du bist so wunderschön.", flüsterte Milo und strich mir sachte eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sanft küsste er mich auf die Nasenspitze und zog mich noch näher an sich heran. Ich schaute ihm tief in die Augen und da stellte ich fest, was er war. Er war mein zu Hause. Zu Hause musste kein Ort sein und erst jetzt verstand ich, was das bedeutete. Er war mein zu Hause. Mein Zufluchtsort.
Er gab mir Geborgenheit und Schutz. Etwas was ich noch nie verspürt hatte.
„Ich liebe dich.", flüsterte ich und küsste ihn zärtlich. Jedes Mal, wenn wir uns küssten, löste er in mir ein Feuerwerk aus. Seine Lippen, sein vertrauter Geruch, einfach seine ganzes Dasein ließen mir einen angenehmen Schauer über den Rücken fahren.
„Ich liebe dich, Baby.", sagte er und ließ seine Hand an meine Wange wandern. Ich schaute ihm in die Augen und verspürte etwas, was ich vor schon lange nicht mehr gespürt hatte. Frieden. Frieden mit mir selbst und Frieden mit der Welt.
Ich hatte mich immer gefragt, ob ich jemand retten könnte.
Er hatte es geschafft. Er hatte mich gerettet. Gerettet vor mir selbst. Mit einem Lächeln auf den Lippen schlief ich endlich in seinen Armen ein.

Erschrocken fuhr ich hoch. Das bereute ich allerdings kurz darauf, als sich ein stechender Schmerz in meinem Körper ausbreitete. „Milo?Milo, hier bin ich.", schrie ich so laut ich konnte. Es dauerte kurz bis ich realisierte, dass das gerade eben alles nur ein Traum war. Milo war nicht hier, niemand war hier. Verdammte Scheiße, niemand war hier. Und ich würde hier verkümmern.
Höllische Schmerzen machten es mir schwer weiterhin regelmäßig zu atmen und mein Körper geriet an seine Grenzen. Ich war am
Ende. Das war mein Ende. Unser Ende.
Der Tod. Das war immer alle was ich gewollt hatte. Allerdings war das vor Milo. Jetzt wollte ich leben. Fast schon ironisch wie sich das Blatt wenden konnten.
Jetzt wo ich hier mit Höllenschmerzen lag und meine Augen anfingen zu flackern, wollte ich leben. Toll gemacht, Tiara.
Ich konnte meine Augen nicht länger offenhalten, auch wenn ich irgendwie dagegen ankämpfen wollte. Ein Nickerchen konnte ich mir doch erlauben.
Doch ich schlief nicht ein. Ich glitt eher in eine Trance. Alles fühlte sich so schwerelos an und ich stand plötzlich in einem Raum, der eigentlich kein Raum war. Hier war nichts. Kein Anfang und kein Ende. Nur Wolken.
Je länger ich allerdings hier stand, desto erträglicher wurde es. Sogar meine Schmerzen waren weg und ich konnte normal atmen. Tief atmete ich ein und ließ die Luft in meine Lungen. Woooow!
„Tiara?", hörte ich jemanden rufen. Ich drehte mich im Kreis, doch ich konnte niemanden sehen. Wieder ertönte „Tiara?". Diesmal hinter mir. Schnell drehte ich mich um und hinter mir stand plötzlich wirklich jemand. Niemand geringeres als-

Jemand fing an an meiner Schulter zu rütteln. Nein, nicht jetzt. Jetzt, wo wir endlich wieder vereint waren.
Doch noch immer rüttelte jemand an meiner Schulter. Nachdem ich nur kurz meine Augen von ihr abgewendet hatte, blickte ich wieder zu ihr. Sie war weg. Nein. Nein. Nein.
Auch der Raum aus Wolken verschwand und ich riss erschrocken die Augen auf.
Ich blickte mich um. Steinwände. Kälte überkam mich.
„Bist du Tiara?", fragte nun jemand, der noch immer an meiner Schulter rüttelte. Ich öffnete langsam, und noch immer in Trance, meine Augen.
Neben mir kniete ein Mann und schaute mich an. Sein Gesichtsausdruck war kalt, aber ich sah, dass er sich bemühte, wenigstens ein wenig zu lächeln.
„Bin ich tot?", fragte ich noch immer benommen. Ich konnte nicht mehr zwischen Realität und Traum unterscheiden.
„Nein, du bist am Leben. Zumindest bis jetzt noch. Verreck mir bloß nicht, bis dein Lover kommt."
Mein was? Mein Lover? Wen meinte-

„Sie kennen Milo?" Plötzlich war ich, so weit wie es mir möglich war, wieder wach.
„Ja, Schätzchen. Er kommt bald. Er ist auf dem Weg."
Er hatte es wirklich hinbekommen. Er hatte mich gerettet. Er. Mein Milo.

can you save me?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt