Liguster

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Es war der 26. Mai des Jahres 1619. Jojen wanderte in seinem Lager umher. Der große Krieg, der letztes Jahr begann, wurde später als der Dreißigjährige Krieg bezeichnet - was natürlich zu dem Zeitpunkt, an Anfang des 17. Jahrhunderts, noch niemand wusste, geschweige denn geahnt hätte.
Jojen war Soldat im Dienste der Protestantisch-deutschen Armee. Er glaubte an die Falschheit des Papstes, der katholischen Kirche, wie schon der Mönch Martin Luther vor ihm. Er war am Rande des Lagers angekommen. Vor dem Auge des jungen Mannes erstreckte sich eine lange und breite Fläche nichts. Nur ein brachliegendes Feld, welches schon lange mit Gras und anderen Pflanzen zugewuchert worden war. Er wanderte über das Feld. Seine Schritte gingen durch Löwenzahn, Brennnesseln, Ringelblumen, kleinerem Unkraut und größeren Gräsern. Dann stieß er auf eine komisch aussehende Pflanze. Sich zu ihr hinkniend, betrachtete er sie
Er hatte zwar noch nie eine dieser Art selbst gesehen, hatte aber davon gehört - eine weiß-blühende Liguster-Pflanze.
Einfach hier, mitten auf dem Feld, stand eine Pflanze, die in Europa nur selten vorkam.
Behutsam ließ er von ihr ab und richtete sich auf. Hinter ihm lag sein Lager und vor ihm...er sah das katholisch-deutsche Heer auf dem Hügel aufmarschieren. Schnell kehrte er um und schlug Alarm. Die befehlshabenden Offiziere traten aus ihren Zelten und beobachteten durch ihre Ferngläser den Feind. Sie entschieden, dass es jetzt keinen Sinn mehr hatte, mit dem Feind zu kämpfen, da es für eine Schlacht dieser Größe zu spät war.
Auch die Katholiken bauten schon ihre Zelte auf.

Am nächsten Morgen ertönten dann die Hörner der verfeindeten Lager. Jeder Einzelne bereitete sich auf die Schlacht vor.
Auch Jojen reinigte seine Waffen, sein Gewehr und ein Degen, und stählte sich für den Kampf.
Die Heere nahmen Aufstellung. Jojen stand in einer Abteilung Pikenkämpfer, die mit ihren langen Stangenwaffen verhindern sollten, dass die darinstehenden Musketenschützen angegriffen werden.
Es begann. "Laden, Anlegen, Zielen, Feuer!" ertönten die ersten Kommandos. Zig Kanonen spuckten Feuer, Rauch und Eisen aus, hunderte Musketen warfen ihre Ladungen auf den Feind.
Getroffene Soldaten sanken in das Gras, welches Jojen gestern noch so bewundert hatte. Auch er feuerte ausgiebig aus seinem Gewehr, auf die Masse an Leibern zielend, die vor ihm aufmarschiert waren. Doch auch seine Abteilung stand unter Beschuss von mehreren Kanonen und einem Bataillon Musketen des Gegners.
Plötzlich spürte Jojen einen dumpfen Aufprall auf seiner Brust, gefolgt von einem scharfen Schmerz.
Seine Beine gaben nach und er stürzte zu Boden.
Sein umherirrender Blick fand die Liguster-Pflanze des gestrigen Tages. Sie gab ihm Halt, so etwas reines an einem derart von Gott verlassenem Ort...mit diesen Gedanken färbte sein Leben das Weiß rot.

~Geschichten von Freude und Leid~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt