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Ein unsanftes Knuffen in die Seite weckte Freya am frühsten Morgen. Brummelnd öffnete sie die Augen, streckte ihre Glieder, die von der ungewohnten Strohmatte ganz steif waren. 

"Aufstehen Freya! Heute ist ein neuer Tag!" flötete das junge Menschen-Mädchen Mia ihr entgegen. Für die Elbe war es unbegreiflich, wie sie als Sklavin nur so froh sein konnte. Freya war inzwischen schon eine Woche im Dorf des Eichenschildclans und jeden einzelnen Tag begrüßte Mia strahlend. So als wäre sie zufrieden mit ihrem Leben. 

Grummelnd machte sich Freya über ihre morgendliche Katzenwäsche, während Mia ununterbrochen plapperte, um Freya zum hundertsten mal an ihre heutigen Pflichten zu erinnern. Die Elbe ging nicht auf das junge Ding ein, sobald sie fertig war, verschwand sie wortlos aus ihrer gemeinsamen Kammer im Häuptlingshaus. Sie wollte mit niemandem reden, sondern einfach nur allein sein. 

Krerik Stahlhorn, der Häuptling des Clans - Moment, nein - der MEISTER - äffte Freya in Gedanken, hatte zwei persönliche Sklavinnen. Sie selbst und die siebzehnjährige Mia, die ihm immer das Essen brachte und in der Clanküche arbeitete. Man konnte es wohl als Luxus betrachten, dass sie eine eigene Kammer, mit einer gut gepolsterten Strohmatte und vielen Decken hatten... Sie beide mussten keine ständigen, schweren, scheuernden Fesseln - abgesehen von dem Sklavenmal auf ihrer Stirn - tragen und waren - bisher - von körperlichen Bestrafungen, verschont geblieben. Freya wusste nicht, wie es den anderen relativ wenigen Sklaven im Dorf erging. Doch sie musste zugeben, dass es sie nicht interessierte. Die Elbe wollte einfach nur Heim, zurück, egal wohin, nur wollte sie frei sein! 

Frustriert stampfte sie gegen den kleinen Weidekorb voll Dreckwäsche. Versuchte ihre schmerzlichen Gedanken in eine andere Richtung zu lenken. Leise summend nahm sie den Korb und wanderte durch das Haus, um die letzten Kleidungsstücke aufzusammeln. Auf Zehenspitzen huschte sie an der Tür des -Meisters- vorbei, unter der seichtes Schnarchen durchsickerte. Die Elbe musste schmunzeln, denn der große, gefährliche Orkkrieger schnarchte - irgendwie fand sie es putzig. 


Der Weg zum Wäschehäusschen, einer kleinen Steinhütte, die teilweise über dem See gebaut war, führte durch das halbe Dorf. Im frühmorgendlichen Glanz der Sterne hatte Freya Schwierigkeiten nicht bei jedem Schritt im Schnee auszurutschen und die ganze Wäsche zu verteilen. Summend ging sie am Clanhaus, einem lang gezogenen, großen Steinbau, indem die Junggesellen und alleinstehenden Greise des Clans lebten, vorbei; um dann einen gewundenen Pfad hinab zum See zu steigen. Neben dem Wäschehäusschen befanden sich auch zwei Badehäuser, die Freya leider bisher nur von Außen gesehen hatte. Bald würde sie Mia fragen müssen, wie die Körperhygiene der Sklaven hier genauer aussah. 

Mit der Hüfte stieß sie die Tür der kleinen Steinhütte auf, in der bereits sechs andere Sklavinnen über ihrer Arbeit knieten. Wortlos gesellte sie sich zu ihnen, versuchte ihre leisen Gespräche auszublenden. Zum Glück ließen sie die sechs Frauen in Ruhe und versuchten nicht wie Mia sie in ein Gespräch zu verwickeln. Das hatten sie nach dem zweiten Versuch am dritten Tag aufgegeben, als Freya taub und stumm wie ein Stein blieb. 

Als die Elbe ihren Korb fast durchgewaschen hatte, betraten drei junge Orkfrauen - die sehnsüchtig auf das Winterfest warteten, um dort von einem Mann als Gefährtin gewählt zu werden - das Häuschen um ihrer eigenen Arbeit nach zu gehen. Wie jedes Mal beachteten sie die Sklaven genauso wenig wie eine Ameise am Boden, so schien es ihr zumindest. Und wie jedes Mal verrichteten diese nun stillschweigend, unauffällig und so schnell wie möglich ihre Arbeit um zu verschwinden. Freya hasste es wie die Pest! Arbeiten zu müssen, bloß nicht auffallen... am liebsten würde sie die drei Damen anschnauzen gefälligst still zu sein! Als sie dann auch noch die Vorzüge ihre Häuptlings diskutierten und mutmaßten, ob auch er eine Frau aus erwählen würde platzte ihr fast der Kragen. 

Verzweifelt sehnte sie sich nach der Stille ihrer Werkstatt! Nur sie, ihre Werkzeuge, wunderbar duftendes Holz und - Galvin, mit ihm hatte man so gut, schweigend zusammenarbeiten können. Als sie an ihre letzte Begegnung dachte, zog sich ihr Herz schmerzhaft zusammen. Tränen begannen in ihren Augen zu schwimmen. 

Eilig raffte sie ihre Sachen zusammen und flüchtete aus der Hütte. Fast blind vor Tränen stolperte Freya durch den noch dunklen Morgen. Ins Häuptlingshaus wollte, nein konnte sie so nicht. Also floh sie an den einzigen Ort der ihr einfiel. 

Schluchzend brach sie in einem verlassen wirkenden Holzlager am nördlichen Dorfrand zusammen. Freya kauerte sich hinter mächtigen Holzbohlen. Schmerzlich vertrauter Duft umhüllte sie. Die Tränen durchbrachen alle Mauern und sie heulte wie ein Schlosshund. 

Als keine Tränen mehr übrig waren, traf Freya einen Entschluss, der ihr vermutlich das Leben kosten würde. Sie wollte fliehen. 

Mit neuem Mut rappelte sie sich auf. Auf ihrem Rückweg bemerkte sie nicht, dass ein riesiger, grauer Wolf ihr in sicherer Entfernung gefolgt war. 



Es war tiefste Nacht. Krerik Stahlhorn saß grübelnd vor dem knisternden Feuer, er wartete. Als die Tür sich endlich öffnete, sich wieder schloss und Mia vor ihm kniete, erfasste ihn wieder diese Unruhe. 

"Hast du inzwischen etwas herausfinden können?" Er beobachtete das Mädchen genau, sie wurde hier in seinem Haus geboren. 

"Leider nicht. Sie redet kaum ein Wort mit mir, egal was ich mache. Sie bleibt stumm wie ein Fisch." Krerik spürte ihre Frustration, es war das erste Mal, dass sie eine Aufgabe nicht zu seiner vollsten Zufriedenheit erfüllen konnte. "Selbst mit den Anderen beim Wäsche waschen spricht sie nicht." Murmelte sie ängstlich. Er hatte sie noch nie bestrafen müssen, jetzt rechnete sie wohl damit, dass sich das änderte. 

"Aber..." Begann Mia wieder zu flüstern. "Ich glaube sie wird bald versuchen zu fliehen. Freya kam heute mit rot, verheultem Gesicht zurück. Aber etwas hatte sich irgendwie verändert, sie wirkte sehr entschlossen." 

Diese Neuigkeit überraschte Krerik nicht, er hatte durchaus mit eine Fluchtversuch gerechnet. Es erfüllte ihn mit tiefer Zufriedenheit, dass Mia ihm diese Information ohne zu Zögern geliefert hatte und nicht selbst mit dem Gedanken an Flucht spielte. 

"Du darfst heute bei den Feldburschen schlafen." Mia sah ihn ungläubig an. Krerik konnte sich ein kurzes Auflachen nicht verkneifen. "Geh ruhig. Ich weis seit einem Jahr, dass du nach dem Feldburschen Yem verrückt bist und ihr euch seit ein paar Monaten trefft. Aber passt auf - ich will kein schreiendes Baby im Haus haben." 

Das junge Mädchen wurde rot wie eine Kirsche. "Danke Meister!" Hauchte sie und eilte zu ihrem Liebsten. 

Freya die ElbeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt