Aschenputtel

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Kühle Luft streicht über mein Gesicht. Es ist schon Winter und ich friere normalerweise schnell, trotzdem ist die Kälte in diesem Moment sehr angenehm. Sie beruhigt mich. Ich stehe am offenen Fester und schaue auf die Straße vor meinem Haus. Es ist eine klare Silvesternacht, noch sieht man die Sterne und alles ist still und menschenleer. Nicht mehr lange und die Geräusche von Menschen und Raketen werden diese Stille durchbrechen, der Rauch wird den Himmel verdecken und mit ihm all die schönen Sterne. Aber daran denke ich jetzt nicht. Ich genieße die Ruhe und vergesse, wieso ich meine Tür abgeschlossen habe und hier am Fenster stehe. Für einen Moment bin ich ganz still, fast schon zufrieden.
Du musst vor meinem Zimmer sitzen geblieben sein. Ich kann deine Gegenwart sogar durch die verschlossene Tür spüren, aber die Stille der Nacht lenkt mich ausreichend ab. Zumindest tut sie das so lange, bis du dich dazu entschließt, Musik anzumachen. Die Titelmelodie von „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" schwingt leise bis zu mir. Du willst das ich sie höre, da bin ich mir sicher. Es ist ein kluger Zug von dir, denn die Musik macht mich nostalgisch. Du lässt sie eine Weile laufen, wartest darauf, dass ich die Tür wieder öffne und es mir anders überlege, aber ich habe mich schon entschieden. Deine Musik berührt mich, aber kann nichts mehr daran ändern. Ich schaue hinauf in die Sterne, vielleicht weine ich sogar ein bisschen, ich kann es nicht genau sagen. Ich bade in einem angenehm schweren Gefühl von Trauer, stelle mir vor Teil einer rührenden Filmszenen zu sein. Die Mischung aus kühler Luft und Nostalgie macht den Schmerz zu einem wirklich schönen Gefühl, er ist gut zu ertragen und lässt mich lebendig fühlen.
Als die Musik verstummt kann ich hören, wie du leise aufstehst und gehst. Scheinbar hast du aufgegeben. Eine Weile bleibe ich noch am geöffneten Fenster stehen, lasse meine Gefühle ziehen und höre deinem Lied nach. Langsam wird es kälter und meine Gedanken wieder klarer. Als mir die Schönheit der Nacht zu langweilig wird, schließe ich das Fenster und gehe zurück zur Tür. Meine eine Hand umschließt die Klinke, die andere greift nach dem Schlüssel. Leise öffne ich das Schloss und lasse die Tür aufschwingen.

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