Sie hatte nie in ihrem Leben gewusst, wie es wirklich ist, etwas so Kostbares in seinen Händen halten zu können. Diese weiche Haut, die sich in ihren Händen so zart anfühlte, als könnte sie in jedem Moment in Asche zerfallen. Die kleinen Finger, die sich sanft um ihren großen Zeigefinger schlossen - wie eine flüchtige Bewegung.
Und doch konnte sie jede Unebenheit spüren. Nein. Dieser Gedanke war nicht richtig. Es gab keine Unebenheiten. Es war perfekt. Er war perfekt."Er ist wunderschön.", flüsterte Ethan in ihr Ohr und strich zärtlich mit seiner Hand über die Wange seines frischgeborenen Sohnes. Dessen Augen waren geschlossen, aber Erica konnte sich vorstellen, dass sich hinter seinen Lidern stahlgraue Augen verbargen.
"Wie nennen wir ihn?", fragte ihr Ehemann, ohne sein Blick von seinem Sohn abzuwenden.
"Noah.", flüsterte sie ohne zu zögern und stupste ganz sanft ihre Nase gegen Noahs. Seine Lippen verzogen sich zu einem süßen Lächeln und offenbarten dabei ein Mund ohne Zähnchen. Erica malte sich schon aus, wie es sein würde, zusammen mit ihm diesen schmerzhaften Prozess gemeinsam zu durchleben. Es würde viele Hürden in seinem Leben geben und viele würde er selbst meistern müssen, aber sie würde ihn beschützen und alles und jeden aus dem Weg räumen, der sich ihrer Familie in den Weg stellen würde.
"Ich glaube, da ist jemand mit seinem Namen zufrieden.", lachte Ethan und drückte seiner Frau einen Kuss auf die schweißnasse Stirn.
Seine Aufmerksamkeit richtete sich jedoch gleich sofort auf den zuständigen Arzt, als dieser an das Bett herantrat. "Herzlichen Glückwunsch, Herr und Frau Cromwell. Sie haben ein gesundes Kind zur Welt gebracht.", sagte dieser mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen, den Erica noch zuvor mit wüsten Beschimpfungen überworfen hatte, als er sie dazu aufgefordert hatte stärker zu pressen, wo sie doch schon am Platzen gewesen war. Sie warf ihm einen entschuldigenden Blick zu und wollte auch schon eine Entschuldigung nachsetzen, aber der Arzt schüttelte nur besänftigend seinen Kopf, als hätte er vollstes Verständnis für sie und verließ auch sogleich den Raum, um ihr und ihrer Familie Zeit für sich zu geben, nicht bevor er noch hinterherwarf, dass sie sich später um den Rest kümmern würden und sie sich ausruhen sollte. Es würden noch einige Behandlungen auf sie warten. Sie konnte es nicht erwarten nach Hause zu kommen und das Krankenhaus, das trotz der Blumen im Zimmer etwas Kaltes und Beunruhigendes ausstrahlte, zu verlassen. Sie wollte wieder in ihren eigenen vier Wänden auf ihrer Lieblingscouch sitzen und ihren süßen Noah vernaschen.
"Du musst ziemlich erschöpft sein.", hauchte Ethan ihr zu und blickte sie mit liebevollen Augen an. Er strich ihr ihre vermutlich zu Berge stehenden Haare aus dem Gesicht und musterte sie dabei. "Das kannst du laut sagen.", seufzte Erica. "Ich habe keine Kraft mehr."
"Das kann ich mir vorstellen.", gab Ethan grinsend zurück und rieb sich seine Hand. "So, wie du die hier zerquetscht hast."Er wackelte mit seiner tatsächlich etwas rötlich erscheinenden Hand in der Luft und zog eine Grimasse. Erica schlug ihm empört gegen sein Oberschneckel, woraufhin er nur noch mehr sein Gesicht verzog und sein Kopf dabei schüttelte.
"Siehst du, was ich hier aushalten muss, Noah? Deine Mutter ist gewalttätig!", äußerte er sich gespielt empört. Erica lachte und wollte ihm aus Spaß diesmal in seine Seite boxen, aber im Gegensatz zu ihr besaß er noch genug Kraft, um ausweichen zu können. Er hob arrogant eine Augenbraue nach oben. Sie streckte ihm nur die Zunge raus und widmete sich wieder Noah, der trotz des Lärms tatsächlich auf ihrer Brust eingeschlafen war.Wie konnte Noah bloß ihr sein?
Womit hatte sie sich ihn verdient?Erica war zu müde, um über diese Fragen gescheit nachdenken zu können. Ethan bemerkte das, nahm ihr das Kind ab und legte es in das bereitstehende Kinderbett. Bevor er seinen Sohn ganz vorsichtig zudeckte, dass er es ja warm genug hatte, trat er wieder an Ericas Bett, gab ihr ein Kuss auf den Haaransatz und verabschiedete sich von ihr für einige Stunden: "Ich werde mich um den Rest kümmern. Schlaf du ruhig. Ich werde auf dich warten.", flüsterte er.
Erica konnte nur schwach nicken. Ihre Augen fielen zu, bevor Ethan zu ihrer Verwunderung den Raum verlassen hatte.
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Rettung
Любовные романыRettung. Warum hilft mir niemand? Warum reicht mir niemand die Hand? Warum wischt mir niemand die Tränen aus den Augen? Weil ich lache. Weil ich schweige. Weil ich leide. Warum musst du alles mit Gewalt lösen? Warum habe ich diese Gedanken i...