Während sich die Menschen in ihren Häusern einschlossen, um die zunehmende Kälte nicht ertragen zu müssen, begann für Wuschel der wichtigste Teil des Jahres: Die Vorbereitung auf den Winter.
Es ist wieder soweit, dachte er und flitzte über den feuchten Waldboden. Die orangeroten Blätter klebten an seinen Pfötchen – sie waren eines nach dem anderen zu Boden gesegelt.
Flink kletterte er die Rinde einer Eiche hinauf, um den anderen Bescheid zu geben. Hoch oben reckte er seinen buschigen roten Schwanz in die Höhe und gab schnalzende Laute von sich. Es raschelte in den Ästen.
»Rotfell, Fussel«, rief er in die Baumkronen, »es ist wieder Zeit. Lasst uns Nüsse und Früchte sammeln.«
Wuschel hörte ihre tapsenden Pfoten auf der Baumrinde. Zuerst erspähte er Rotfell. Wie hyperaktiv schoss er auf ihn zu. Seine Augen glänzten aufgeregt.
»Hat jemand was von Nüssen gesagt?«, keckerte er. Er hüpfte auf und ab, sodass Wuschel ihn mit einem strengen Blick bedachte. »Haselnüsse! Walnüsse!«, quietschte er. »Ich bin sowas von bereit! Los, los, los!« Er stellte sich auf die Hinterbeine, reckte hastig die Schnauze in die Luft. Sein Fell sah schon wieder so zerzaust aus, als hätte er sich im Laub gewälzt. Obwohl sein weißer Bauch dreckig war, fragte Wuschel lieber nicht nach. Es sah ihm ähnlich, den ganzen Tag in den Blättern herumzutollen.
Ein paar Augenblicke später kam Fussel angetrottet – eines der ältesten Eichhörnchen des Reviers. »Immer mit der Ruhe, Rotfell«, murrte er gelangweilt. »Es ist jedes Jahr das Gleiche. Also los«, meinte er an Wuschel gewandt. »Bleibt uns ja nichts anderes übrig, als uns auf die Suche zu machen.«
Wuschel scharrte über die Baumrinde, um den beiden zu verstehen zu geben, sich zu benehmen. Dann setzte er sich in Bewegung – mit Rotfell und Fussel dicht hinter ihm.
Dabei flitzte Rotfell im Zickzack um uns herum und ließ die Äste beben. »Wir sammeln Nüsschen, juhu! Habt ihr das alle gehört? Wir sammeln Nüsschen.«
»Ruhe jetzt«, ermahnte Wuschel ihn, aber er war nicht aufzuhalten.
»Vielleicht hat er Kaffeebohnen gefressen?«, meinte Fussel brummig und ließ seine Schnurrhaare wackeln.
»Vielleicht solltest du dir eine Scheibe von seiner Motivation abschneiden?«
Dafür erntete Wuschel ein leises Fauchen.
Sie huschten durch den Wald, an den vielen Bäumen und Sträuchern vorbei. Geleitet von seiner sensiblen Schnauze folgte Wuschel dem Duft nach feuchter Erde, Pilzen und verschiedenen Pflanzen. Jede kleine Veränderung wies ihm den Weg. Er hatte sein ganzes Leben in diesen Wäldern verbracht und kannte sich bestens aus.
Nach dem intensiven Moosgeruch mussten sie nach links. Dann geradeaus bis zum schwachen Kastanienduft, danach leicht rechts.
»Gehen wir wieder zum Nuss-Paradies?«, fragte Rotfell, als sie dem Ziel schon sehr nahe waren. Er sprang so energisch von einem Ast zum nächsten, dass beinahe der ganze Baum wackelte.
Wuschel gab nur ein Fauchen von sich, um Rotfell zu bedeuten, ruhig zu bleiben. Aber sobald sie an der blätterbedeckten Wiese mit den unendlich vielen Haselnussbäumen angekommen waren, konnte selbst er sich nicht zurückhalten. Voller Vorfreude wuselte er über den Boden, um sich mit Nüssen einzudecken.
Doch nachdem er ein paar Quadratmeter abgesucht hatte, überkam ihn ein ungutes Gefühl.
Denn er fand keine Nüsse.
Keine einzige war zwischen den Blättern zu entdecken.
Voller Angst lief er zwischen den Haselnussbäumen hindurch. Dabei blieb er mit meinen Pfötchen an ein paar leeren Nussschalen hängen.
Das darf doch nicht wahr sein!, dachte er. Wuschel rief nach Rotfell und Fussel, die sogleich neben ihm auftauchten.
»Wuschel, wo sind nur die ganzen Nüsse hin?«, wimmerte Rotfell. »Haben die Menschen sie aufgesammelt?«
»Möglich ist es.« Doch er hatte jemand ganz anderen in Verdacht. »Kommt mit.«
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Der Nüssedieb
Short StoryWuschel bereitet sich wie jedes Jahr auf den Winter vor. Zusammen mit Fussel und Rotfell - zwei Eichhörnchen seines Reviers - macht er sich auf die Suche nach Nüssen. Doch dieses Mal gestaltet sich die Nahrungssuche schwieriger als gedacht, denn die...