Am nächsten Morgen erwachte ich früh. Im ganzen Schloss war es still. Ich las eine Weile. Wenig später begann das geschäftige Treiben. Im ganzen Haus hörte man Menschen umhergehen. Ich schloss die Augen. Ich wollte in Ruhe nachdenken. Der gestrige Tag hatte einige Fragen hervorgerufen. Wohin war die Mutter von Siegfried verschwunden und vor allem weshalb? Warum wollte Siegfried seine Mutter unbedingt wieder sehen? Hatte er sie einfach noch nicht aufgeben wollen oder gab es da noch mehr? Vielleicht verbarg sich hinter Siegfrieds Wunsch seine Mutter erneut zu sehen und ihrem anschließend Verschwinden ein Geheimnis. Ich wollte einfach nicht glauben das Siegfried so selbstsüchtig gewesen war. Ich konnte nicht glauben das er jahrelang, nur weil er seine Mutter nicht aufgeben wollte, nach einer Möglichkeit gesucht hatte um sie wieder zu sehen. War es möglich Siegfrieds Mutter wiederzufinden? Warum durfte mir der nichts über unsre Familiengeschichte erzählen? Weshalb durfte ich nur dieses eine Kapitel lesen? Wollte mich der Prinz nur auf die Folter spannen? Plötzlich fiel mir wieder ein, dass Gottfried gesagt hatte, dass die Entscheidung, meiner Eltern, dieses Schloss zu verlassen sei ein Fehler gewesen. Warum war es ein Fehler? Er hatte sich auch gewundert dass mein Vater nach dem Tod meiner Mutter nicht ins Schloss zurückgekehrt war. Warum sollte er auf Grund des Unfalls meiner Mutter seine Entscheidung bereuen? War der Unfall meiner Mutter etwa gar kein Unfall? Wenn der Unfall meiner Mutter kein Unfall war, war dann der Tod... das Eintreten von Hedwig unterbrach meine Gedanken. Hedwig sah etwas verwirrt aus. Doch sie fasste sich sofort wieder.
„Guten Morgen me Lady."
„Guten Morgen Hedwig. Würden sie mich bitte einkleiden?"
„Natürlich me Lady."
Ich stieg elegant aus dem Bett. Hedwig verließ das Zimmer, um mir die Kleider für den heutigen Tag herauszulegen. Wenige Minuten später betrat sie das Zimmer erneut. Doch diesmal hielt sie meine Kleidung für den heutigen Tag in den Händen. Meine Zofe kleidete mich ein. Das Kleid war schwarz und vor allem schlicht. Es besaß zwar einen Reifrock, doch ohne diesen Reifrock hätte es nicht der Mode dieser Zeit entsprochen. Dazu reichte Hedwig mir Absatzschuhe. Meine Haar lies sie einfach offen.
„Danke Hedwig.",mit diesen Worten verließ ich das Zimmer. Langsam ging ich die Treppe hinab ins Speisezimmer. Der Prinz erhob sich, wie immer, als ich das Zimmer betrat. Er lächelte.
„Guten Morgen me Lady. Haben sie wohl geruht?"
„Guten Morgen. Ja danke Sir."
„Was ich ihnen ein weiteres mal sagen wollte: Sie sahen reizend aus gestern. Auch wenn ich zugeben muss das sie heute ebenfalls ein Augenschmaus sind. Lady Lucy."
Ich lächelte verlegen. Während ich meinen Blick auf den Boden richtete, spürte ich wie mein Gesicht rot anlief. Fieberhaft überlegte ich was es sich nun zu antworten geziemte. Schließlich beschloss ich mich zu setzen. Ich gab keine Antwort. Der Diener brachte mir mein Frühstück. Ich aß langsam. Doch nach wenigen Bissen packte mich die Neugier.
„Welchen Teil unserer Familiengeschichte darf ich heute erforschen?"
„Lady Lucy, weshalb diese Eile? Ich denke sie sollten vorerst über das gestern erfahrene nachsinnen."
Ich nickte stumm. Der Prinz war klug. Wenn ich noch einmal über diese Legende nachdachte würde ich bestimmt mehr von diesem Wissen nutzen können um neues darauf aufzubauen.
„Wenn sie Fragen zu dieser Geschichte haben können sie mich natürlich jederzeit aufsuchen."
„Danke, Sir."
Wir aßen langsam zu ende. Im gleichen Moment erhoben wir uns. Wir verließen gemeinsam den Raum. Doch Leopold stieg die Treppe hinauf, während ich mich in die Bibliothek setzte. Ich läutete. Gottfried trat ein.
„Sie wünschen me Lady?"
„Würden sie mir bitte einen Tee bringen."
Mit einem nicken verschwand Gottfried. Ich sah aus dem Fenster. Der Tag war Wolkenverhangen und grau. Ich hatte das Gefühl der Himmel würde auf die Erde herab stürzen. Normalerweise machte ich einen Spaziergang um über solche Dinge, wie diese Legende, nachzusinnen. Doch der heutige Tag war einfach zu trüb für einen Spaziergang. Ich dachte erneut über die Legende nach. Was wollte Siegfried von seiner Mutter wissen? Weshalb war seine Mutter verschwunden? Es gab so viele Fragen auf die ich eine Antwort brauchte. Ich wünschte mir mein Vater wäre noch am leben. Er würde mir alles erzählen was ich zu wissen begehrte. Doch der Prinz würde mir nicht all meine Fragen beantworten. Vor allem nicht die in den es um die Liebe ging. Solche Fragen würde ich dem Prinzen gar nicht erst stellen. Dennoch ich konnte ihn fragen ob noch ein weiterer Grund für Siegfrieds Wunsch bestand. Gottfried betrat den Raum mit einer Tasse Tee in einer Hand.
„Danke für den Tee, würden sie bitte nach dem Prinzen schicken?"
„Natürlich me Lady."
Wenige Minuten später öffnete Gottfried erneut die Tür. Der Prinz kam hinter der Tür zum Vorschein.
„Guten Tag, Lady Lucy."In seiner Stimme lag Freude. Das geheimnisvolle Glitzern in seinen Augen konnte ich nicht vollständig deuten.
„Guten Tag. Auf ein Wort Prinz Leopold?"
Der Prinz nickte freundlich.Wir setzten uns auf die breiten Sofas.
„Wie kann ich ihnen behilflich sein?"
„Ich würde ihnen gerne eine Frage stellen."
„Natürlich ich bin ganz Ohr."
„Naja ich habe viel über die gestrige Legende nachgedacht. Ich bezweifle das Siegfried nur aus Selbstsucht seine Mutter erneut begegnen wollte. Nach so vielen Jahren hätte er doch ihren Tod irgendwann akzeptiert. Oder nicht? Ich glaube es steckt mehr hinter Siegfrieds Wunsch als die Legende verrät."
„Natürlich besteht diese Möglichkeit, doch ich selbst habe keine genaueren Informationen. Es tut mir leid, dass ich ihnen nicht weiterhelfen konnte. Doch Lady Lucy Ich habe eine Idee wie wir uns anderweitig beschäftigen können. Wir könnten..."
„Besitzen sie eine Leinwand und etwas Farben? Wenn dem so sei könnte ich ihr Porträt malen, natürlich nur wenn sie es erlauben."
„Welch exzellente Idee!"
Leopold läutete. Gottfried betrat die Bibliothek.
„Sie wünschen?"
„Könnten sie uns bitte eine Leinwand und einen Pinsel bringen?", bittete ihn der Prinz.
Kurze Zeit später öffnete sich die Tür erneut, Gottfried trat mit einer riesigen Leinwand unter dem Arm und einer Handvoll Pinsel ein. Er legte sowohl die Leinwand als auch die Pinsel neben dem Sofa auf den Boden. Wenige Minuten verstrichen bis Gottfried die Tür zum dritten Male öffnete, dieses Mal trug er eine Staffelei und Farben. Er baute die Staffelei auf. Vorsichtig platzierte er die Leinwand darauf. Ich lächelte in dankbar an. Mit einer demütigen Verbeugung verließ er den Raum. Nun waren wir allein. Diese Tatsache widersprach dem Protokoll gänzlich. Mein Herz pochte bis zum Hals. Ich hoffte dass ihm mein Porträt gefallen würde. Denn bis zu diesem Moment hatte ich nur das Porträt meines Vaters angefertigt. Es war mir damals eigentlich ganz gut gelungen, doch ich war mir nicht sicher ob es mir möglich war die Vollkommenheit des Prinzen einzufangen. Trotz meiner Zweifel griff ich nach den Farben. Sorgfältig überlege ich welchen der vielen Pinseln ich verwenden möchte. Ich wählte den dünnsten Pinsel, um vorerst grob die Umrisse des Prinzen auf zu zeichnen. Der Prinz lächelte mich an.
„Soll ich ihnen etwas sagen?"
Ich nickte, vertieft in meine arbeite hörte ich ihm gar nicht richtig zu.
„Lady Lucy, wir warten seit fast 14 Jahren auf sie. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich nicht erwartet habe das sie ein so kultivierte Dame sind. Doch ich bin erleichtert das dem so ist."
„Danke",flüsterte ich konzentriert.
„Ich dürfte ihnen das eigentlich gar nicht erzählen, doch habe das Gefühl sie sollten es wissen. Der Tod ihrer Eltern war weder ein Unfall, noch zufällig. Sie ..." Doch er brach plötzlich ab. Die Tür öffnete sich und meine Zofe Hedwig stand im Türrahmen.
„Entschuldigen sie Me Lady,..äh... Sir",sagt sie verlegen als sie den Prinzen bemerkt. Sie knickst ängstlich. „Ich wollte ihre Konversation nicht unterbrechen. Doch ich muss sie sprechen, unter vier Augen me Lady."
Ich nickte schnell um Hedwig zu helfen.
„Es tut mir leid doch mir erscheint es wichtig was Hedwig mir zu sagen hat. Wir hohlen das später nach Prinz Leopold."
Ich verließ schnell mit Hedwig den Raum.
„Worüber wollten sie mit mir sprechen?",fragte ich Hedwig während wir die Stufen zu meinem Zimmer hinauf steigen.
„Me Lady ich bin der Meinung sie sollten wissen das ich verheiratet bin. Außerdem erwarte ich ein Kind. Ich werde meine Arbeit wie gewohnt fortsetzen, doch ich möchte sie bitten, dass sie nachdem ich das Kind geboren habe mich erneut als ihre Zofe einzusetzen."
„Natürlich werde ich das tun Hedwig. Sie können sich sicher sein das ich sie nicht im Stich lassen werde."
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Ein Blick in die Vergangenheit
Roman d'amourLuise ist 17 und lebt bei Ihrem Vater. Als dieser stirbt gerät ihre Welt plötzlich aus den Fugen. Zuerst erfährt sie von einem geheimnisvollen Schlosss, das angeblich im Besitz ihrer Familie ist, dann platzt plötzlich noch ein riesiges Geheiminis ih...