Angst.
Pure bedingungslose Angst. Mehr spürte sie nicht.
Mit jeder Faser ihres Körpers spürte sie dieses Gefühl. Es zerdrückte ihr Herz und brachte es gleichzeitig zum rasen. Es lähmte sie, nahm ihr die Luft, unterdrückte alles andere. Ihre Gedanken kreisten nur um dieses Gefühl. Füllte sie mit der Angst.
Aber es war kein Gefühl mehr. Die Angst wurde zu einer Präsens, nein, eher zu einer Person. Sie würde real, wirklich, greifbar. Wenn sie nur ihre Hand ausstreckten würde, dann könnte sie die Angst anfassen, berühren. Aber sie fühlte die Angst nicht nur. Sie sah sie auch. Sie veränderte die dunkle, ihr eigentlich bekannte, Umgebung in eine schaurigen, furchterregenden Ort und tauchte ihn gleichzeitig in ein schimmerndes und bedrohliches Licht.
Es umhüllte sie, nahm sie ein, machte sie willenlos.
Die Nerven und der Verstand des Mädchens waren verschwunden. Entführt von der Angst. Verschleppt von einem personifiziertem Gefühl.
Aber die Angst war nicht dumm. Sie ließ ihrem Opfer etwas zurück.
Sie hinterließ ihr die schrecklichsten und grauenergendsten Gedanken und Fantasien. Bilder in ihrem Kopf, die ihr den Atem nahmen, ihr Herz zerbrach und die Angst verschlimmerte.
Und ihre Ohren. Ihre Ohren waren schlimmer als die Bilder, die Szenen, die Fantasien. Sie hörte alles. Alles und noch viel mehr. Sie hörte Dinge die in der Dunkelheit lauerten, die nach ihr riefen. Stimmen die dem Mädchen die furchtbarsten Geschichten erzählten. Oder sie vernahm einfach nur ein Geräusch und sei es noch so leise.Und diese unscheinbaren, undefinierbaren Geräusche verbanden sich mit den Bildern. Ließen die Fantasien realer erscheinen. Unterstützten und bestätigten sie.
Das Mädchen fing unkontrolliert an zu zittern, ihr Körper war klatschnass und das bisschen Kleidung was sie trug klebte unangenehm an ihrem Körper. Ihre Bettdecke hatte das Mädchen wie einen Kokon um sich gewickelt, auch wenn sie dadurch noch mehr schwitzte. Aber das war ihr egal. Lieber überhitze sie, schwitzte sich zu Tode, als ohne Schutz da zu liegen.
Eine Bettdecke war natürlich auch kein Schutz, aber immerhin konnte sie sich darunter verstecken. Frei nach dem Thema "Was ich nicht sehe, kann mich auch nicht sehen."
Das Mädchen wurde wütend. Auf die Situation, auf ihr Verhalten, aber am meisten auf sich selbst. Sie war fast erwachsen. Fast 18 Jahre. Fast volljährig, verdammt! Und sie schaffte es, zum Teufel noch mal, nicht allein zu Hause zu bleiben. Alleine in der Wohnung in der das Mädchen seit 13 Jahren lebte. Die sie in und auswendig kannte. Aber nein. Es wurde dunkel, ihre Familie war nicht da, sie blieb allein zurück und Puff! Das sonst so starke und selbstbewusste Mädchen wurde wieder zu einem kleinen ängstlichen Mädchen. Ein Mädchen das Angst vor der Dunkelheit hatte, Angst vor dem Monster in ihrem Kleiderschrank, vor dem Monster unter ihrem Bett. Es war doch irrsinnig! Die ganze Situation. Irrsinnig, aber nicht das erste Mal. Nicht die erste Situation in der das Mädchen wie gelähmt war. Sie war ein totaler Angsthase. Hasste, verabscheute sich selber dafür aber...
Sie schrie. Aus vollem Hals. Irgendwas hatte sie gerade am Bein berührt. An ihr gezerrt. Sie versucht aus dem Bett zu zerren. Nun weinte sie. Hemmungslos und schamlos. Sie hielt das nicht mehr aus. Es zerstörte sie. Sie konnte nicht mehr Atmen, es fiel ihr schwer Luft in ihre Lungen zu bekommen.
Wieder ein Geräusch. Wieder berührte sie jemand. Diesmal zog es ihr an den Haaren. Nicht doll, nicht schmerzhaft, kaum merkbar...aber da. Die Geräusche wurden lauter, realer.
Sie wollte schreien. Aber sie konnte nicht. Sie bekam keiner Luft mehr. Konnte nicht schreien. Kein einziger Ton kam ihr über die Lippen. Ihr Herz setzte aus, nur um dann wieder schnell schlagend einzusetzen. Immer abwechselnd, ein schauriger und grausamer Takt.
Und plötzlich setzte die Welt aus. Hörte auf sich zu drehen. Stand still. Nur das Mädchen bewegte sich noch.
Und doch hörte auch sie auf sich zu bewegen. Ihr Herz schlug nicht mehr, ihre Lungen versuchten nicht mehr panisch Luft zu bekommen. Sie schwitzte nicht mehr. Sie fühlte nichts mehr. Auch die Angst war verschwunden.
Sie sah sie nicht mehr.
Sie hörte sie nicht mehr.
Sie spürte sie nicht mehr.
Sie war weg, verschwunden.
Das Mädchen setzte sich auf. Sie schwang sich aus ihrem Kokon, warf ihn zur Seite, blickte in die Dunkelheit. Die Welt stand immernoch still.
Ihr Blick schweifte durch ihr Zimmer.
Und auf einmal drehte sich die Welt wieder. Sie hörte wieder die Stimmen. Ihr Herz raste wieder. Sie sah wieder die Bilder.
Die Angst war wieder da. Aber dieses Mal war sie in ihrem Körper.
Wie eine zweite Persönlichkeit versuchte sie die Macht über das Mädchen zu erlangen.
Und dann. Auf einmal. Die Tür schwang auf. Ihr Atem stockte.
Die Angst hatte gesiegt.
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Kurzgeschichten
Historia CortaEinfach ein paar Kurzgeschichten die mir so eingefallen sind :]