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"Was heißt das, ihr habt noch nie mit ihm geredet?" fragte Jeongguk seinen neuen Freund Cheol, während er den jungen Mann mit den langen, zugegebenermaßen ziemlich herunter gekommenen braunen Haaren beobachtete. "Naja, wie sollen wir mit ihm reden? Wir können kein Koreanisch und er versteht wohl kein Spanisch..." seufzte Cheol, nachdem auch er kurz zu dem Unbekannten geblickt hatte. Die Situation war ihm sichtlich unangenehm, auch dem jungen Peruaner tat der Unbekannte von Herzen leid. Vom einen Fuß auf den anderen tretend suchte er nach den richtigen Worten.

"Wir geben ihm Essen und Trinken, aber ich bin mir nicht sicher, ob er das so sieht, oder ob er es als Almosen betrachtet.." meinte der Peruaner, und bekam nur ein Nicken als Antwort darauf. Der junge Koreaner  um den es gerade ging saß ein paar Meter von ihnen entfernt an eine Wand gelehnt und hatte die Augen geschlossen. "Wie ist er hier her gekommen?" stellte der Jüngere dann die Frage, die ihn brennend interessierte. Wie kam jemand hier nach Peru, wenn er nicht einmal die Sprache kannte? "Er wurde eines Tages von einer Reisegruppe im Wald gefunden, ausgehungert und dehydriert... Keiner weiß, wie er es geschafft hat da draußen so lange zu überleben.." sprach Jeongguks neuer Freund, und sofort bekam ich Mitleid mit dem jungen Mann, der dort so müde an der Wand gelehnt saß.

"Ich hoffe du kannst ihm helfen.. Der Älteste wollte ihm schon oft helfen, aber er versteht uns einfach nicht..." legte  Cheol seine Hand auf die Schulter von Guk, lächelte knapp und ließ ihn dann mit dem Fremden alleine. Der junge Mann saß noch immer dort, die Augen geschlossen. Unter dem Vordach, unter welchem er es sich gemütlich gemacht hatte, war es relativ schattig. Die dauernde Hitze in Peru war für Jeongguk schon relativ normal geworden, er hatte sich daran gewöhnt. Es war zwar an manchen Tagen viel zu heiß, an diesem verließ der Schwarzhaarige sein Zimmer nicht einmal.

Die netten Leute, bei denen er das Zimmer zur Untermiete für die Zeit gebucht hatte, verstanden ihn da zum Glück. Sehr nette etwas ältere Leute, die ihm schon den ein oder anderen Secret Place verraten hatten. Unsicher, wie er den Obdachlosen nun ansprechen sollte, machte er einfach ein paar Schritte auf ihn zu. „Hey.." sprach Jeongguk, während er vor dem Mann in die Hocke ging. Anders als erwartet wurde er jedoch ignoriert. Kurz schmollte der schwarzhaarige, fasste sich dann aber ein wenig mehr Mut. Dieses mal legte er seine Hand vorsichtig auf die Schulter des Unbekannten, woraufhin dieser dann seine Augen öffnete. Ohne etwas zu sagen schaute er dann auf Jeongguks Hand, die noch immer auf seiner Schulter verweilte. "Hey, alles gut bei dir?" sprach Guk dann weiter, in der Hoffnung der Andere würde mit ihm reden.

"Du.. Sprichst Koreanisch?" weiteten sich die Augen des Braunhaarigen, als er nach Jeongguks Hand griff. "Oh Gott, ich.." stotterte er weiter, und Guk versuchte ihn irgendwie zu beruhigen. "Ja, ich bin Jeongguk, Hi.." lächelte er daher und sein Gegenüber sah weg, wusste anscheinend nicht, was er antworten sollte. "Du bist..?" hakte der Blogger nach, und der Mann vor ihm senkte erneut den Blick. "Ich- Ich weiß es nicht." murmelte dieser, ließ nun von Guk ab und verschränkte seine Hände in seinem Schoß. "Ich weiß nicht, wer ich bin.. Oder wie ich hier her gekommen bin." lächelte er dann trotzdem, und auch wenn es ein trauriges Lächeln war, so war es wohl das bezauberndste, welches Jeongguk je gesehen hatte.

"Heißt das du-" wollte der Schwarzhaarige ansetzten, doch der Unbekannte unterbrach ihn. "Die Leute nennen mich Perdió, glaube ich." hob er dann seine Hand und streckte sie Jeongguk entgegen. "Perdió.. Ja. So nennen sie dich." nachdenklich nahm Jeongguk die Hand des verlorenen Mannes. "Was heißt das?" hakte der Braunhaarige nach, woraufhin Guk ihn nur aus mitfühlenden Augen ansah. "Verloren gegangen, wenn man es wörtlich nimmt." beantwortete er die Frage, und wieder nickte der Unbekannte nur. "Okay, dann haben sie es wohl ziemlich.. Getroffen." versuchte er sich an einem Witz, doch Guk konnte nicht darüber lachen. Noch immer hockte er hier vor dem Mann, und versuchte sich einen Plan zurecht zu legen. "Hör mal.. Ich möchte dir gerne helfen.. Irgendwie." sprach er deshalb, woraufhin der Braunhaarige nur den Kopf hob.

"Du willst mir helfen? Wie?" fragte er, und Jeongguk stand auf, hielt ihm die Hand erneut hin. "Ich will dich mitnehmen, zurück nach Korea. Ich gehe fest davon aus, dass du von dort kommst. Wie du hier hin gekommen bist, wird sich wohl nicht klären, ehe du deine Erinnerungen zurück bekommst.." setzte Jeongguk nach, der Mann ihm gegenüber starrte kurz auf seine Hand, ehe er ihn wiederum skeptisch ansah. "Warum solltest du einem Mann helfen, den du nicht mal kennst? Ich könnte ein Mörder sein." lachte er auf, und Guk schüttelte kurz den Kopf. "Meine Menschenkenntnis hat mich bisher noch nicht getäuscht." grinste er nur und der Braunhaarige schaute nochmals auf die ausgestreckte Hand. "Ich selbst habe so oft im Leben Hilfe bekommen, dass ich einfach auch jemandem helfen möchte. Und wenn nicht ich dir helfe, was glaubst du wie hoch die Chancen stehen, dass noch ein Koreaner in nächster Zeit hier vorbei kommt? Ich will dir nichts böses, wirklich." versuchte es Jeongguk mit all seiner Überzeugungskraft.

Zögerlich griff der Unbekannte nach der Hand Jeongguks, woraufhin dieser nur breit Grinsen konnte. Guk half dem Braunhaarigen auf die Beine, erst stand er noch recht wackelig, doch es ging. "Danke." meinte er dann zu dem Braunhaarigen, dieser jedoch schien kurz verwirrt. "Ich habe dir zu Danken, schätze ich." lächelte er wieder, und ein weiteres mal musste Guk zugeben, dass dieser Mensch wirklich unfassbar schön war. "Was hältst du davon, wenn ich dich Gom nenne? Dein jetziger Name passt nicht zu dir.. Denn du bist nicht mehr verloren?" schlug Jeongguk vor, auch wenn er sonst nicht wirklich der Mensch für neue Freundschaften war. Doch bei diesem Mann? Jeongguk hatte wirklich eine sehr gute Menschenkenntnis, und diese schien es mit Gom wirklich gut zu meinen.

"Gom?" hakte sein Gegenüber nur nach, und Guk lachte kurz auf. "Beschreibt dich sehr gut finde ich. Es bedeutet Bär." beschämt senkte Gom, so nannte Jeongguk ihn ab jetzt einfach einmal, bis er seinen echten Namen erfahren würde. "Danke.. Ähm.. Ja, klar. Besser ein Bär als verloren?" schüchtern antwortete Gom ihm, und Jeongguk musste lächeln. "Ich hoffe, du hast kein Problem, dir ein Zimmer mit mir zu teilen." griff Guk einfach nach der Hand von Gom, der sich einfach mitziehen ließ. "Mit dir..?" sprach er nur verwundert, worauf Jeongguk nur nickte. "Ja, ich hab ein gemütliches Zimmer hier gemietet, für die Zeit die ich hier bin. Es ist nicht groß, aber ich denke es reicht für uns beide." lief Guk schon zu seiner Bleibe, ließ Gom nicht mal die Zeit irgendwie zu protestieren.

"Danke.." flüsterte er nur wieder beschämt, und auch wenn Jeongguk ihn auf einer Weise verstand, so stand es außer Frage, dass er diesem Mann helfen würde. Niemand hatte es verdient, dass er auf der Straße leben musste, in einem Land, dessen Sprache er nicht einmal sprach. "Ich bin Fotograf, ich hoffe das stört dich nicht.. Ich liebe es Sachen zu fotografieren, und es kann sehr gut sein, dass ich dich auch ein paar mal vor meine Linse nehmen werde.." lächelte Jeongguk dann, als er angekommen war und die Tür aufschloss. "Nein, alles okay.. Wenn ich dir irgendwas geben kann, dann kannst du gern ein paar Fotos machen.." lächelte Gom und sah sich im Zimmer um. "Willst du erstmal etwas Essen oder Duschen gehen?" fragte Jeongguk, und sein Gast war sichtlich überfordert. "Oder schlafen?" legte Guk nach, doch Gom stand auf. "Duschen hört sich wunderbar an." lächelte er und Jeongguk gab ihm ein paar seiner Klamotten. "Danke." wiederholte Gom nur und verschwand im Badezimmer.

Jeongguk wusste, dass es ein wenig riskant war, wenn nicht sogar ziemlich naiv, doch was hatte er als Alternative? Niemals könnte er ihn hier auf der Straße sitzen lassen. Und wenn sich jemand mit Reisen auskannte, dann war es er. Auch wenn es nicht möglich war, Gom auf legalem Weg aus Peru raus zu bekommen, auch in die nicht ganz so Legalen Ecken hatte Jeongguk seine Kontakte. Einen Reisepass zu besorgen für den Mann war sicherlich nicht leicht, aber nichts was er nicht schaffen würde. So lag er nun auf dem Bett und schrieb seinem Kontaktmann, dass er eben jenes Reisedokument benötigte, nach einigem Hin und Her, dem nötigen Kleingeld, welches geflossen war, hatte er die Bestätigung nach einer knappen halben Stunde. Es würde wohl klappen, dass Gom mit ihm nach Korea fliegen konnte.

Wie schnell die Zeit vergangen war, bemerkte der Schwarzhaarige erst, als sein Gast vor ihm stand, die Haare noch Nass aber dieses mal nach Hinten gekämmt. "Danke, ich fühle mich wie ein neuer Mensch.." lächelte Gom nur, und wieder war da dieses flattern im Bauch von Jeongguk, als er dieses offene Lächeln im Gesicht des Mannes sah, den er doch heute erst kennen gelernt hatte.

Amnesia ᵗᵃᵉᵏᵒᵒᵏWo Geschichten leben. Entdecke jetzt