Ich wachte von lautem Geschrei auf. Elsa. Sie ist wach geworden und wollte mit mir kuscheln. Ich zog sie unter meine warme Bettdecke und sie schmiegte sich eng an mich. Wir schliefen zusammen noch einmal ein. Als ich das zweite Mal aufwachte, roch das Haus nach Kaffee und frischen Hörnchen. Ich lies Elsa noch schlafen und zog mir ein lockeren Pullover über meine kurze Schlafhose. Ich ging die Treppe hinunter und sah den gedeckten Tisch im Garten. Es sah wunderschön aus. Aber etwas fehlte. Gran. Das Zimmer neben der Treppe war Grans Zimmer. Ich schob die Tür ein kleines Bisschen auf und roch Grans Geruch. Der Schmerz zog mir eiskalt durch meinen ganzen Körper. Ich zog die Tür wieder zu und ging in den Garten. Mom und ich redeten über das anstehende Wochenende. Gran kam nicht einmal zum Thema. Wir mieden das Thema bewusst, weil wir sonst so in Trauer versinken würden, dass wir nur schwer wieder rauskommen. Nach dem Frühstück weckte ich Elsa und frühstückte mit ihr noch ein zweites Mal. Dieses Mal trank ich nur meinen Kaffee zu Ende aus. Mom saß auf ihrem Bett, als ich sie fragen wollte, was ich beim Einkaufen mitbringen soll. Sie sah nachdenklich und vorsichtig aus. Ich setzte mich neben sie und fragte, worüber sie nachdenkt. "Wir können das Haus nicht alleine bezahlen und Elsas Kitaplatz läuft in einigen Monaten ab". Mir war klar, worauf sie hinaus wollte. Wir ziehen um. Mich hält Nichts an dieser Stadt, aber mulmig fühlte sich es trotzdem an. Sie wird das ganze Wochenende mit den Bestattern und den Anwälten kommunizieren und Häuser in unserer Preisklasse in ganz Amerika suchen. Ich war verunsichert und gab ihr einen Kuss auf die Wange und ging zum Markt. Eigentlich ging ich mit Gran jeden Samstag-Vormittag zum Markt. Ein stechender Schmerz durchfloss meinen Körper, als mich Grans alte Freundin ansprach und nach Ihr fragte. Ich erzählte ihr das was ich wusste und holte alles ein. Von Obst bis zu kleinen Snacks. Alles für die Woche. Ich traf den Oberarzt aka Moms Liebhaber auf dem Weg nach Hause und bekam Beileidswünsche und einen mitleidigen Blick, auf den ich hätte gut verzichten können. Ich packte den Einkauf aus und ging in mein Zimmer. Ich las meinen Krimi weiter. Als es an meiner Tür klopfte, schrag ich hoch und Mom kam herein. "Ich habe alles mit Omas Geld geregelt, aber es wird nicht reichen, um das Haus zu bezahlen. Ich muss ein neues Haus suchen. Eins was ich allein bezahlen kann. Es tut mir so leid Maus" sagte Mom. Ich fühlte nichts. Ich spürte nur ein kleinen kalten Schauer, der über meinen Rücken lief. Es ist wahr. Oma kommt nie wieder zurück. Ich setzte ein Lächeln auf und tat so, als ob ich positiv gestimmt bin, dass wir einen Neuanfang wagen. Mir war es egal wohin wir ziehen. Mom gab mir einen Kuss auf die Stirn und holte Elsa zum Abendbrot. Bauernsalat mit Brot. Wir aßen schweigend am Tisch und Elle erzählte uns von ihrem Traum aus dem Mittagsschlaf. Am Abend legte ich mich voll gegessen in mein Bett und schlief gleich ein. Sonntag, die Woche und die darauf folgende Woche verlief wie im Flug und nun war es schon Donnerstag. Ich habe mir heute einen freien Tag genommen, weil ich mich seit Omas Tod nicht mehr richtig entspannt habe. Ich funktionierte, aber lebte ich? Ich sah Mom durch das Tor kommen und wunderte mich, weil sie nachdem sie Elsa in den Kindergarten gebracht hat, normalerweise ins Krankenhaus fährt. Sie lief mit einem kleinen schmunzeln auf ihrem Gesicht und zwei frischen Säften auf unser Haus zu und dann hörte ich schon ihre Stimme. "Mille, komm runter!". Mir war klar, dass etwas passiert sein musste, das sich Mom frei nimmt. Sie nahm sich nie eine Pause und wenn dann nur im äußersten Notfall. Ich lief die Treppe hinunter und setzte mich zu ihr auf die Couch. "Ich hab ein Haus gefunden. In Nordland. Es gibt dort eine High, eine Kita und ich könnte meine eigene Praxis aufmachen" berichtete Mom. Mir war klar, dass wir dort hinziehen und nichts in aller Welt dies ändern hätte können. "Montag fahren wir nach Georgia und bis dahin muss alles gepackt sein. Ich habe mir bis dahin frei genommen, um so viel wie nur möglich zu schaffen". Ich freute mich innerlich, weil ich es nicht mehr in diesem Haus aushielt. Alles voller Gran. Ich vermisste sie und das umziehen bedeutete noch mehr Abschied zu nehmen. Sofort kam ein kalter Schmerz in meinem Brustkorb. Ich vermisste Gran. Und wie. Ich fing an mir Mom die Kisten aus dem Dachboden zu holen und mein Zimmer auszuräumen. "Wie erklären wir es Elle, Mom?" fragte ich. "Lass das nicht deine Sorge sein. Ich werde es ihr schon irgendwie beibringen können". Erwiderte sie. Mom tischte Elle schon seit zwei Wochen lügen über Omas Verschwinden auf und Elle bekam langsam Zweifel. Am Nachmittag hatte ich meinen Schreibtisch, meine Kommode und meinen Schrank eingepackt und in den Kisten verstaut. Ich holte zusammen mit Mom Elsa ab und Mom erklärte Elsa, dass Oma ganz lang auf einer Reise sein wird und wir auch eine Reise machen. Elle nahm dies erstaunlich gut an und schrie die Stadt zusammen, dass sie verreisen würde. Sie strahlte und ich sah Mom das erste Mal wieder herzhaft lächeln. Am Wochenende packten wir alle sein und tankten unser Auto voll. Zehn Stunden Fahrt erwartete uns. Am Montag Morgen, packten wir die letzten Koffer in unseren großen Jeep und gingen ein letztes Mal durchs Haus. Mom weinte. Hier wohnte sie ihr ganzes Leben lang. 37 Jahre. Ich sah den Schmerz in ihren Augen und umarmte sie fest. Wir schlossen die Haustür ab und fuhren los.