Es war ein sonniger Nachmittag an diesem Sonntag, jedoch durchfuhr Elenora ein Schauer, als sie vor dem Tor des alten Herrenhauses ankam. Die Nervosität hatte sie jetzt doch gepackt, als sie hier vor dem Eingang zur Malfoy-Residenz stand und unsicher den gepflasterten Weg anstarrte, der sich hinter dem eisernen Tor zum Haus hin erstreckte. Die spitzen Türme des imposanten Landsitzes ragten in den wolkenlosen Himmel hinauf und Elenora fühlte sich auf einmal sehr klein. Als Lucius Malfoy sie vor einer Woche nach der Konferenz der Schulräte zum Tee eingeladen hatte, war sie auf jeden Fall selbstsicherer gewesen und hatte beinahe mit Freuden zugestimmt. Jetzt war diese Freude verflogen und hatte sich in ein mulmiges, fast ungutes Gefühl verwandelt. Unschlüssig trat sie von dem einen Fuß auf den anderen, als sich plötzlich das eiserne Tor öffnete und den steinernen Weg freigab. Es war immer noch niemand zu sehen, weswegen sich die junge Hexe nur langsam und vorsichtig auf die Haustür zubewegte. Trotz ihrer verhältnismäßig guten Beziehung zu den Malfoys waren es immer noch die Malfoys, mehr oder weniger treue Anhänger Voldemorts und gefürchtet von vielen. Nicht dass Elenora Angst hatte, aber ihr Misstrauen gegenüber der Familie war noch nicht ganz erloschen. Als sie bei der Haustür ankam, öffnete sich auch diese automatisch für sie und ein Hauself kam dahinter zum Vorschein, der sich tief vor ihr verbeugte. „Ms. McGonagall, bitte tretet ein. Ihr werdet bereits erwartet." Elenora trat in den Hausflur und sah sich um. Alles war in einem kühlen und edlen Stil dekoriert, und die Persönlichkeiten in den Gemälden an den Wänden beachteten sie nicht oder warfen ihr abwertende Blicke zu, so als ob sie spüren konnten, dass sie nicht hierhergehörte. Elenora schlüpfte aus ihrem Mantel und strich ihr Kleid glatt, dann folgte sie dem alten Hauselfen, der sie den Gang hinunter geleite. Schließlich blieb er vor einer dunklen Holztür stehen, gebot Elenora zu warten und schlüpfte durch einen Türspalt in das Zimmer. Man hörte gedämpftes Gemurmel, dann öffnete sich die Tür ganz und Elenora blickte in einen Raum, der wohl eine Art Wohn- oder Tagesraum darstellte. Lucius Malfoy kam mit einem höflichen Lächeln auf sie zu und streckte ihr die Hand hin, die Elenora schüttelte. „Ms. McGonagall, es erfreut mich, Sie wiederzusehen. Bitte, kommen Sie rein." Elenora lächelte schüchtern und ließ sich von ihrem Gastgeber zu einer Sitzgruppe aus eleganten Sitzmöbeln geleiten. Bevor sie sich setzten konnte, trat plötzlich eine weitere Person ins Zimmer, die Elenora schon öfter im Tagespropheten gesehen hatte. „Mrs. Malfoy, es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen." Narzissa Malfoy setzte ein wohlgesonnenes Lächeln auf und deutete Elenora, sich zu setzten. „Die Freude ist ganz meinerseits, Ms. McGonagall." Als sich Elenora auf einen Sessel in der Nähe einer der Marmorkamine im Raum niedergelassen hatte, setzten sich auch die beiden Malfoys auf das gegenüberliegende Sofa und Narzissa rief in einer plötzlich gebieterischen Stimme: „Thelonius!" Sofort erschien der Hauself von vorhin wieder und verbeugte sich vor seiner Hausherrin. „Herrin?" „Der Tee, Thelonius." „Sofort, Herrin." Das kleine Geschöpf verschwand im Nebenraum des Wohnzimmers und erschien wenig später wieder mit einem Serviertablett, auf dem ein wunderschönes Teeservice platziert war. Während Thelonius mit dem Einschenken beschäftigt war, gestattete sich Elenora, ihren Blick durch den Raum schweifen zu lassen. Er war genauso edel eingerichtet wie der Hausflur, jedoch war die Atmosphäre aufgrund der beiden lodernden Kamine und den samtbezogenen Sofas um einiges gemütlicher. Der Hauself stellte eine Tasse mit grünem Tee auf den kleinen Tisch vor ihr und verbeugte sich noch einmal, bevor er wieder verschwand. Lucius nippte an seinem Tee und sah sie dann erwartungsvoll an, mit dem gleichen höflichen Lächeln, mit dem er sie auch schon empfangen hatte. „Nun, was macht die Arbeit? Ich hoffe, die letzte Woche war nicht allzu anstrengend?" „N-nein, ganz und gar nicht. Tatsächlich war es eine eher entspannte Woche." Elenora hatte ihre Tasse wieder abgestellt, aus Angst, sie könnte mit ihren zittrigen Händen etwas verschütten. „Lehrerin für magische Geschöpfe, richtig?" schaltete sich nun auch Narzissa ein und Elenora haderte etwas mit sich, bevor sie antwortete: „Zurzeit schon, ja. Mein primäres Fachgebiet liegt allerdings eher in Verteidigung gegen die dunklen Künste" gab sie etwas geknickt zu, voller Angst, das Gespräch im Keim erstickt zu haben. Natürlich musstest du das jetzt erwähnen, vor den Anhängern des größten Schwarzmagiers der Welt, dachte sie bei sich und wollte sich am liebsten selbst ohrfeigen. Dieser Kommentar schien jedoch weder Lucius noch Narzissa zu stören und so erwiderte der Slytherin nur: „Oh, ich bin mir sicher, ihre Zeit als Professorin in diesem Fach wird auch noch kommen. Ich könnte sogar ein gutes Wort bei den Schulräten für Sie einlegen" fügte er hinzu und zwinkerte. Er zwinkerte. Elenora fragte sich, wie viele Menschen Lucius Malfoy wohl je in ihrem Leben hatten zwinkern sehen. Vermutlich nicht sehr viele. Verunsichert und verwirrt von dem Verhalten des sonst so überheblichen und stolzen Mannes lachte sie nur höflich und senke den Blick auf ihre Teetasse. „Das... das ist ein wirklich schönes Teeservice..." stammelte Elenora, um das Gespräch aufrechtzuerhalten. Narzissa neigte dankend den Kopf und erklärte: „Es war ein Hochzeitsgeschenk meiner Mutter. Es ist schon sehr lange im Besitz unserer Familie." Lucius wedelte mit dem Zauberstab um die Kohlen des Kamins etwas anzuschüren und kommentierte schelmisch: „Die Malfoys vererben Amulette und Gemälde, die Blacks vererben ein Teeservice." Seine Frau sah ihn mit einem genervten Seitenblick an, doch dann schlich sich ein leises Grinsen auf ihre Lippen. Sie faltete ihre Hände im Schoß und sah wieder Elenora an. „Ms. McGonagall, ich möchte Ihnen auch noch einmal persönlich danken, dass Sie meinen Sohn und sein Haus in Hogwarts unterstützen. Wie Lucius schon sagte, Slytherin hat aus mir unbegreiflichen Gründen einen nicht ganz so glänzenden Ruf wie die anderen Häuser, und es braucht kompetente Lehrkräfte wie Sie, um diesen Unterschied auszugleichen." „Oh ja, das tut es. Glauben Sie mir, auch als ehemaliger Slytherin hängt dieser schlechte Ruf einem manchmal immer noch nach." schloss Lucius sich seiner Frau an. Der schlechte Ruf kommt wohl eher von etwas anderem, kommentierte Elenora Lucius Aussage im Inneren und setzte dann ein Lächeln auf. „Das ist für mich doch selbstverständlich. Die Häuserzugehörigkeit sollte für keinen Schüler ein Nach- oder Vorteil sein, sondern lediglich ein Zugehörigkeitsgefühl vermitteln." „Wahrhaft edel ausgedrückt, meine Liebe" grinste Lucius und goss sich noch eine Tasse Tee ein. So langsam wärmte sich das Gespräch auf und die Themen wechselten von Hogwarts zu Quidditch bis hin zum Ministerium. Lucius hatte inzwischen eine Flasche Feuerwhiskey angebrochen und Thelonius schenkte gerade allen das nächste Glas nach. Wahrscheinlich war es der Alkohol, aber Elenoras Nervosität war vollends verschwunden und auch die Malfoys schienen sichtlich entspannter zu sein. „Mr. Malfoy, wenn ich fragen darf, was genau ist eigentlich ihr Job im Ministerium? Arbeiten Sie in der Strafverfolgung?" Der blondhaarige Mann lachte und antwortete sichtlich amüsiert: „Nun, erstmal arbeite ich nicht im Ministerium, sondern bin sozusagen ein... freiwilliger Angestellter. Mein offizieller Titel lautet 'Berater des Ministeriums'. Und bitte, nennen Sie mich Lucius." Erstaunt über dieses Angebot starrte Elenora den Slytherin an, dann strich sie sich verlegen eine Haarsträhne hinters Ohr. „Nun denn, dann dürfen Sie beide in Zukunft auch meinen Vornamen benutzten." Narzissa lächelte und sah jetzt viel freundlicher drein als am Anfang. Elenora räusperte sich und fuhr fort: „Also, Lucius, was bedeutet 'Berater'?" Lucius seufzte und machte eine ausladende Handbewegung. „Meistens wohne ich Prozessen der Strafverfolgung bei oder stehe dem Minister in schwierigen Sachverhalten als Gesprächspartner zur Seite. An manchen Tagen sitze ich allerdings auch einfach nur im Hörsaal und muss stundenlang langweilige Befragungen aushalten." schloss er seine Erzählung und nahm einen großen Schluck aus seinem Glas. „Lucius hat einfach gerne seine Nase in den Angelegenheiten anderer Leute" grinste Narzissa und bekam einen bösen Blick ihres Mannes zu spüren. Elenora kicherte und leerte ihr Glas. Dabei fiel ihr Blick auf die Uhr an der hinteren Wand des Zimmers und sie erschrak. „Du meine Güte, schon so spät? Die Zeit ist wirklich verflogen!" rief sie erstaunt. Tatsächlich war es schon nach neun Uhr abends, was bedeutete, dass sie schon volle fünf Stunden in diesem Sessel saß. „Sagen Sie bloß, Sie müssen morgen früh unterrichten?" fragte Lucius und sah zu Elenora, die etwas bleich im Gesicht geworden war. „Nicht nur das, ich habe auch noch eine Lehrerkonferenz vor dem Frühstück." beichtete sie und bekam einen mitleidigen Blick von Narzissa geschenkt. Die Gryffindor seufzte. „Ich mache mich dann wohl besser auf den Heimweg. Vielen Dank für die Einladung." Lucius lächelte und erwiderte: „Es war uns eine Freude. Ich begleite sie nach draußen." Nachdem sie mit Narzissa Hände geschüttelt hatte, ließ sie sich von Lucius zur Tür begleiten. „Das war ein äußerst angenehmer Abend, Ms. McGo – Elenora." Diese lächelte ihren neu gewonnenen Bekannten an und erwiderte: „Ganz meine Meinung, Lucius." „Grüßen Sie Severus von mir!"
„Mache ich. Auf Wiedersehen!" Mit diesen Worten trat sie aus der Tür und machte sich auf den Weg zum Eingangstor. Sie bereute die Wahl ihrer hohen Schuhe zutiefst, denn der Alkohol zeigte jetzt noch deutlicher seine Wirkung. Wer hätte denn auch erwarten können, dass ich mit den Malfoys heute noch eine Flasche Whiskey köpfe, dachte sich Elenora und schloss das eiserne Tor hinter sich. Es war höchste Zeit für sie, nach Hogwarts zurückzukehren.
Am nächsten Morgen kam eine äußerst müde aussehende Elenora ins Lehrerzimmer gestolpert und ließ sich ohne ein Wort auf ihrem Platz nieder. Severus Snape, der ihr gegenübersaß, klappte seine Zeitung herunter und begutachtete seine Kollegin mit einem beurteilenden Blick. „Sie sehen geschafft aus, McGonagall. Dabei hat der Tag erst begonnen" kommentierte er ihr Aussehen und klappte seine Zeitung wieder hoch. „Ich habe vielleicht gestern etwas zu tief ins Glas geschaut." murmelte Elenora und unterdrückte ein Gähnen. „Wer in aller Welt betrinkt sich Sonntag abends alleine?" kam es hinter der Zeitung hervor. „Es war ein... ungeplantes Trinken. Ursprünglich sollte es nur eine Tasse Tee sein" erwiderte die Gryffindor. „Und überhaupt, ich war nicht alleine. Ich war bei den Malfoys zu Besuch." Die Zeitung fiel plötzlich auf den Tisch und ein äußerst ungläubig dreinschauender Severus starrte seine junge Kollegin an. „Du hast dich mit den Malfoys besoffen!?" Trotz ihres Unwohlseins brachte Elenora ein Grinsen zustande. „Das ist das Meiste, was ich je an Emotionen in deinem Gesicht gesehen habe, Snape. Und erst die Wortwahl, extravagant." Zu Unglauben kam jetzt noch Wut in Severus Gesicht hinzu und er schüttelte nur den Kopf. „Ich glaube, ich möchte gar nicht wissen, wie diese Verbindung zustande gekommen ist." Elenora grinste nur und sagte dann noch beiläufig: „Ach übrigens, ich soll dich von Lucius grüßen." Jetzt war der Tränkemeister endgültig baff und wusste offensichtlich nicht, was er sagen sollte. „Ihr nennt euch beim Vornamen? Dann bist du ja fast schon Teil der Familie" erwiderte er dann schließlich halb spöttisch, halb verwirrt. Elenora war definitiv zu verkatert, um diese Sticheleien fortzuführen, weshalb sie einfach nur ihren Kopf auf die Arme stützte und nach vorne zu Albus Dumbledore sah, der die Konferenz eröffnete. Nach zwei Minuten schaltete Elenora jedoch schon ab und dachte noch einmal an den vergangenen Abend. Die Malfoys mögen äußerlich zwar kalt und überheblich wirken, aber eigentlich sind sie doch ganz nette Leute, dachte sie und fragte sich, ob das in Zukunft auch so bleiben würde...
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Eine Löwin im Schlangennest
HumorElenora McGonagall ist bei den Malfoys zum Tee eingeladen. (Oneshot zu "A Hogwarts Love Story") THE ARTWORK IS MINE; DO NOT COPY IT THX