Pilot

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Vor einem halben Jahr verunglückte meine Mutter an einem Autounfall, der bis heute nicht aufgeklärt wurde.

Es war nicht leicht für mich, den Verlust meiner Mutter, welche nach dem Verschwinden meines Vaters, meine einzige Bezugsperson gewesen war, zu verkraften und zu verarbeiten, wenn die ganze Stadt von dem Unglück und dem Tod sprach.

Meine Mutter war eine bekannte künstlerin in New York, daher wurde die Tragödie monatelang in den Medien thematisiert.

Bis heute war ich das Waisenkind, welches eigentlich kein Waisenkind war, denn ich hatte einen Vater, der noch lebte.

Und wie er lebte.

Mein Vater hielt sich irgendwo in Los Angeles auf und lebte sein luxuriöses Leben als Firmeninhaber.

Dabei kümmerte er sich kein bisschen um mich.

Naja, das war nicht ganz richtig. Er schickte meiner Mutter jeden Monat 500$ als Unterhalt und an manchen Geburtstagen bekam ich sogar eine trockene ‚Happy Birthday' Nachricht, welche ich allerdings oft nicht einmal öffnete und direkt löschte.

Nach dem Autounfall meiner Mutter zog ich zu meiner Tante und ihrem Mann Derik.

Die beiden kümmerten sich finanziell um mich und zu meiner Tante Angela, hatte ich tatsächlich sogar eine Art Bindung aufgebaut, da sie oft für mich da war, wenn ich nicht weiter wusste.

Ich hatte mein Zuhause, meine Familie und mein eigentliches Leben an einem Abend verloren. Ein Schicksalsschlag, der für einen 15 Jährigen Teenager nicht gerade leicht zu bewältigen war.

Derik bekam ein Job Angebot in Texas und Angela wurde schwanger. Sie entschieden wegzuziehen und in Texas ein Haus zu bauen.

Da ich wie ein Kind für sie war, war es selbstverständlich, dass ich mit ihnen nach Texas ziehen würde.

Doch bevor ich nach Texas ziehen konnte, entschied sich mein Vater dafür, plötzlich Interesse an mir zu zeigen und forderte mich auf nach Los Angeles zu ziehen.

Zu ihm und seiner kleinen reichen Familie. Ew.

Er hielt Texas nicht für richtig, denn seiner Meinung nach würde ich es dort zu nichts bringen.

Woher die plötzliche Teilnahme an meinem Leben kam, wusste keiner so genau.

Jedoch akzeptierten Angela und Derik die Entscheidung meines Vaters und betrachteten es sogar als Neuanfang für mich.

Mein Vater, oder wie ich ihn lieber nannte: William, war ein materialistisches, selbstzentriertes, geld- und machtfokussiertes riesen Arschloch, der meine Mutter noch nie verdient hatte.

„Ich muss da also wirklich hin?" seufzte ich und sah zu Angela.

„Polly, Liebes. Das ist deine Chance, etwas ganz großes aus deinem Leben zu machen. Deine Chance mit deinem Vater eine Beziehung aufzubauen. Los Angeles, Polly! Dir stehen alle Türen offen, wenn du etwas draus machst!" lächelt sie und strich mir über die Wange.

„Wir wissen doch alle, dass er keinerlei Interesse an mir hat. Er möchte nur vor den Medien gut dastehen und als ‚Vater der immer für seine Tochter da ist' präsentiert werden."

„Wenn die nur wüssten." zischte ich und verzog mein Gesicht.

„Polls. Geb dem ganzen doch mal eine Chance!" meinte Derik und suchte dabei in seinem Rucksack nach meinem Pass und meinem Flugticket.

„Bei uns hast du immer ein sicheres Zuhause und eine richtige Familie, Süße. Sollte etwas sein, werden wir dafür sorgen, dass du wieder zu uns ziehst. Okay? Mach dir keine Sorgen. Probiere nur etwas optimistischer an die Sache heranzugehen."

„Ich möchte seine Familie nicht kennenlernen. Und ihn erst recht nicht. Wieso versteht das keiner!"

„Wir verstehen dich. Wir sind auch keine William -Fans. Aber vielleicht hat er sich geändert. Das Leben dort bietet dir sicher mehr als ein langweiliges Leben in Texas. Es geht um dich. Nur im dich."

Ich schnaubte und fasste an meinen lilanen Koffer.

Als das Bording für meinen Flug erwähnte wurde, war mir klar, dass es Abschied bedeutete.

Von den einzigen Menschen die mir noch etwas bedeuteten.

Angela lächelte und umarmte mich fest.

„Wir lieben dich! Pass auf dich auf! Und wenn du uns besuchen kommst, wartet etwas großes auf dich." Angela fasste sich dabei an den Bauch.

„Komm her, Kleines."

Derik drückte mich und presste mir einen Kuss auf die Stirn.

„Wenn etwas ist, ruf uns an, okay? I-„

„Angi." flüsterte Derik und beruhigte seine Frau, als sie Anfing sich um mich zu sorgen.

„Mein Flug kommt gleich." flüsterte ich und ein leichtes Lächeln bildete sich auf meinen Lippen.

Ich war den beiden mehr als nur dankbar, sie hatten mich vor furchtbaren Heimen oder Pflegefamilien gerettet und sind mir dabei noch sehr ans Herz gewachsen.

Ich würde zwar niemals sagen, dass Angela meine Mutter ersetzt hatte, doch sie war in Zeiten, als ich eine Mutter brauchte, welche man in diesem Alter sehr oft hatte, für mich da gewesen.

Tränen liefen leicht über meine Wangen als ich sah wie Derik und Angela mir hinterher winkten, während ich zu meinem Gate lief.

Zu wissen, dass ich jetzt niemanden mehr hatte und ich auf mich allein gestellt war belastete mich.

Ich zog meinen Koffer durch den riesigen Flughafen.

Von nun an lag es in meiner Hand, was ich aus meinem Leben machen würde.

Das machte mir irgendwie Angst.

Pretty PassionateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt