Kapitel EINS

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Blaue Farbe fließt dir als dünner Rinnsal die rechte Schläfe hinab. Mit zusammen gekniffenen Augen stehst du in gekrümmter Haltung vorgebeugt da, deine Hände schützend vor dein Gesicht haltend, damit niemand deine Tränen sieht, die sich langsam in deinen Augen sammeln. Der Aufprall gegen deinen Kopf  hat diesmal etwas mehr wehgetan als sonst. Verdammt. Das wird bestimmt eine Beule geben. "Nicht schon wieder. Nicht nochmal. Warum immer ich?" Während sich die Farbe in deinen haselnussbraunen Haaren verteilt und sich langsam einen Weg über deine Wange zu deinem T-Shirt bahnt, spähst du ängstlich durch deine Finger hindurch. Gehetzt suchst du die Umgebung mit deinen Augen ab, bis du beim Anblick einer weiteren Farbbombe zusammenzuckst, deine Arme vor dir ausstreckst und schwach versuchst auszuweichen. Du versagst kläglich und die Farbbombe zerplatzt direkt auf deiner Stirn. "Volltreffer!" hörst du ihn rufen, seine Freunde lachen dich gehässig aus und loben den großgewachsenen, muskelbepackten Jungen vor dir, der dich abgeworfen hat. Dieser grinst dir hämisch zu, du wendest dich müde mit hängendem Kopf ab und streichst dir die quietschgelbe Farbe aus dem Gesicht, welche über deine Nase fließt und von deinem Kinn auf dein T-Shirt tropft. Angewidert spuckst du gelbe Farbe aus, die sich in deinen Mund verirrt hat. Das Blau und Gelb auf deinem Gesicht und in deinen Haaren vermischt sich zu einem Grün, welches du unter anderen Umständen als hübsch empfunden hättest. Langsam warst du es sowas von leid, dauernd von explodierenden Farbgeschossen getroffen und ausgelacht zu werden. 

Erschöpft und genervt möchtest du nach deinem Rucksack greifen, der vor dir im Staub liegt, doch eine große, schwielige Hand ist schneller und schnappt blitzschnell danach. Steif schaust du auf, in die widerlichen, verachtenswerten, blauen Augen deines Gegenüber. Er hält den Rucksack außerhalb deiner Reichweite und schüttelt ihn. Man hört etwas rascheln. "Nein" denkst du entsetzt. "nicht mein Notizbuch". Du hast deinen Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, da öffnet er mit seinen farbverschmierten Händen deinen Rucksack und zieht ausgerechnet dein Notizbuch heraus, welches von einer verschließbaren Plastiktüte umschlossen wird - es war ja nicht das erste Mal, dass dir verschiedenste Arten von Flüssigkeiten an den Kopf geknallt wurden und somit auch öfter in deinen Rucksack flossen. Vor Wochen hattest du diese Schutzmaßnahme für dein Heiligtum getroffen, jetzt bist du heilfroh darüber. Erleichtert atmest du aus, erstarrst jedoch zu einer geschockten Statur, als du beobachtest wie er den Rucksack fallen lässt und mit den Worten Na was haben wir denn da? Ne Bibel oder was?" nach dem Verschluss der Tüte greift und diesen provozierend langsam zu öffnen beginnt. Du ballst deine Hände zu Fäusten und springst ihn aus einem Impuls heraus mit einem lauten, schrillen "Pfoten weg!" an. Vor Überraschung lässt er das Notizbuch fallen und taumelt ein paar Schritte zurück. Du ergreifst deine Chance, packst das Notizbuch und deinen Rucksack und sprintest so schnell du kannst Richtung Zuhause. Dort bist du sicher. Dorthin können sie dir nicht folgen. Dort können sie dich nicht mobben, dich nicht schlagen, dir nichts wegnehmen.

Im Laufen verschließt du die Plastiktüte wieder luftdicht und presst dein Notizbuch an deine Brust, der offene Rucksack schlägt dir bei jedem Schritt deines schnellen Sprints auf den Rücken, doch du ignorierst ihn. Nur weg, weit weg von ihnen und ihren dreckigen Gesichtern, den groben Händen und dem gehässigen Lachen. Als du schnelle Schritte hinter dir hörst, beschleunigst du deinen Lauf, deine Muskeln schmerzen und brennen protestierend, doch du treibst sie zu Höchstleistungen an. Mit pfeifender Lunge und einer immer stärker werdenden Atemnot, welche dem Lauf und deiner wachsenden Panik geschuldet ist, rennst du durch die verlassenen Straßen deines Dorfes. "Asthma, nicht jetzt!" fluchst du verzweifelt und keuchend, als dich deine Lunge plötzlich im Stich lässt und dir die Kraft zum Atmen nimmt. Mit einem panischen Griff zu deinem Hals, bei dem dir fast dein Notizbuch aus der anderen Hand gleitet, versteckst du dich hinter der nächsten Ecke und lehnst dich kraftlos an die schmutzig grauweiße Hauswand. 

Du wirfst deinen Rucksack vom Rücken und durchwühlst ihn nach dem Notfallspray, welches du immer für einen solchen Moment dabei hast. Du atmest schneller, bekommst aber nicht genug Luft in deine Lunge, Sternchen beginnen vor deinen Augen zu tanzen und dir wird schwindelig. Nun völlig in Panik erkennst du, dass dir das Spray bei deiner überstürzten Flucht aus dem offenen Rucksack gefallen sein musste. Mühsam versuchst du, mehr Sauerstoff in deine Lunge zu bekommen, stellst dich mit dem Gesicht zur Wand, hebst deine Arme über den Kopf und stemmst deine Unterarme verschränkt gegen die Hauswand, welche dir dreckige Striemen auf den Armen beschert, die dir im Moment jedoch herzlich egal sind. Als das nicht hilft, fängst du mit Blick zum Boden schluchzend an zu weinen, was deine Atmung noch mehr verschlechtert und pulsierende, dunkle Flecken vor deinen Augen auftauchen lässt. Fast schon röchelnd nach Luft stehst du einsam da, als von links plötzlich eine schlanke, feingliedrige Hand in dein Sichtfeld rückt, welche dein Notfallspray in den langen Fingern hält. Hektisch greifst du danach, schüttelst es kurz, reißt den Deckel auf dem Mundstück ab, setzt es an deinen Mund und atmest mühsam und krampfhaft das Mittel so tief in deine Lunge, wie dein Körper es zulässt. Als du einen zweiten Zug inhalierst und allmählich Besserung bemerkst und tiefer einatmen kannst, seufzt du erleichtert und lässt dich einfach mit dem Rücken zur Wand zu Boden sinken. 

Zögernd schaust du auf in das schockierte und besorgte Gesicht deines Retters. Schon diese kleine Bewegung strengt dich enorm an und du lässt den Kopf wieder sinken. Mit geschlossenen Augen und den Kopf auf den Knien deiner angezogenen Beine abgestützt, flüsterst du leise und heiser ein schwaches "Danke" und konzentrierst dich auf deine Atmung. Er hockt sich neben dich und berührt sachte deine Schulter. Du zuckst erschrocken zusammen und schaust ihn mit weit aufgerissenen Augen an. "Geht es dir besser?" fragt er unsicher und seine grünblauen Augen funkeln sachte im Schein der Abendsonne. "Kann ich noch irgendetwas tun? Ich hatte das Spray vorne auf der Straße liegen sehen und weil ein früherer Kumpel von mir auch Asthma hat habe ich sofort erkannt was es ist. Dann habe ich dich schluchzen gehört und habe dich schlussendlich hier gefunden." Er beendet seine Erläuterungen und setzt sich mit einigen Zentimetern Abstand neben dich.

Falls es jemanden interessiert: 1068 Wörter :D

Vielleicht feile ich noch etwas an den ganzen, mal sehen. Freue mich auf eure Kommentare/Rückmeldungen/Reaktionen/Meinungen/Verbesserungsvorschläge! ❤️

Grüßlen, DrummerGirlKiggels 😘

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 03, 2022 ⏰

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