Prolog

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Hauptmann Quart schlich wie Schatten durch die Stadt. Seine schemenhafte Figur zeichnete sich vor einem einsamen Vollmond ab, der die Straßen von Alcara in ein silbriges Licht tauchte. Doch die schlammige Gasse durch die der Hauptmann watete, bot genug Schutz vor den Gästen gewisser Etablissements, die sich feuchtfröhlig auf den Straßen tummelten. Sie waren ohnehin zu beschäftigt ihre Nase in eine Krug Bier oder zwischen die Brüste von Frauen zu stecken. Er stellte den Kragen seines Mantels gegen die Kälte auf, die ihm schon seit Wochen im Nacken saß und die drohende Gefahr ankündigte in die er sich mit jedem weiteren schmatzenden Schritt begab. Sein Herz flehte ihn an umzukehren und in der Wärme vor seinem Kamin Zuflucht zu finden. Doch sein Verstand wusste es besser. Er hatte sich bereits zu weit in das Spinnennetz, gewebt aus Intrigen und Lügen, verwickeln lasse, als das es noch einen Ausweg für ihn oder seine Komplizen gab. Eine eisige Brise verpasste ihm bei diesen Gedanken eine Gänsehaut und trug dabei den beißenden Geruch von Ammoniak mit sich. Quart würgte und versuchte diesen Reiz zu unterdrücken, während seine Finger in die Innentasche seines Mantels glitten und ein Stofftaschentuch zu greifen bekamen, dass er sich vor Mund und Nase presste. Ein minziger Geruch vertrieb den fürchterlichen Gestank und jagte ihm stattdessen die Tränen in die Augen. Er blinzelte stark um wieder eine klare Sicht zu erhalten. Am Ende der schmalen Gasse bog er scharf nach rechts auf eine breite Straße ab und verlangsamte sein Tempo, passte es dem betrunkenen Wanken der Passanten an, um nicht aufzufallen. Dabei musste er aufpassen, auf dem schlüpfrigen Pflaster nicht selbst auszurutschen. Auf der breiten Hauptstraße brannten die Laternen nur noch vor den schäbigen Hafentaverne und Freudenhäuser des westlichen Hafenteils, um ihre Gäste anzulocken wie Motten. Die Lichter von Annelis Haus der Vergnügungen jedoch würden die eingeschlagenen Fenster nie wieder erhellen. Das Gebäude, dessen Fassade von schwarzem Ruß überzogen war, stand in vorderster Reihe und war dazu bestimmt einzustürzen. Denn das windschiefe Dach des ehemaligen Freudenhauses wurde nach dem Brand, der vor einigen Monaten gewütet hatte, gerade noch so von den verkohlten Dachpfeilern gestützt. Mit einem letzten flüchtigen Blick nach rechts und links vergewisserte sich Quart, dass niemand ihn mit besonderem Interesse beobachtete, bevor er mit einem einzelnen sprunghaften Schritt die wenigen Stufen erklomm und beinahe augenblicklich wie ein Geist durch die Tür verschwand. Im Inneren war es stock dunkel, doch Quart brauchte kein Licht um zu wissen, dass er nicht alleine war. Vorsichtig sich vorwärts tastend bahnte er sich seinen Weg tiefer hinein in den Raum, bis er gegen einen verkohlten Tisch stieß. Er klopfte. Einmal lang. Pause. Wieder einmal lang und danach folgten zwei Kurze. „Wir sind hier, Hauptmann", erklang eine flüsternde Stimme aus der rechten hinteren Ecke des Raums und mit ihr entzündete sich eine Öllampe. Die kleine Flamme erhellte die Gesichter von drei Männern, die sich alle um einen noch intakten Tisch scharrten. „Sind wir vollständig?", fragte Quart und richtete dabei das Wort an den kleinen gedrungenen Mann mit der Öllampe in der Hand, bei dem es sich um seinen Leutnant Dawid handelte. Dicht gedrängt neben dem Leutnant standen zwei weiterer Soldaten, beides tapfere und blitzgescheite Männer, die unter dem Kommando des Hauptmanns dienten. Verneinend schüttelte Leutnant Dawid mit dem Kopf. Schwer ausatmen ließ sich Quart auf einen Stuhl fallen, der so aussah als könnte er sein Gewicht gerade noch so tragen. „Uns läuft die Zeit davon", meinte Quart halblaut und konnte dabei die Anspannung nicht gänzlich aus seiner Stimme verbannen. „Sie denken die Intriganten werden bald zuschlagen, Hauptmann?", hakte Dawid unruhig nach. „Ich denke, wenn wir ihnen jetzt kein Ende bereiten, wird sie niemand mehr aufhalten können!" „Der Buchhalter wird noch kommen, vertrauen Sie auf die Götter", versuchte der Leutnant seinen Vorgesetzten zu beruhigen. „Das tue ich, Dawid. Das tue ich." Gemeinsam hüllten sich die vier Männer in den nächsten Minuten in Schweigen, lauschten dem rauen Gelächter auf den Straßen, untermalt von dem fernen Rauschen der Wellen, die sich im Hafenbecken brachen. Immer wieder flogen die Blicke beim kleinsten Anzeichen eins Geräuschs zur Tür, doch der Buchhalter schien sich offensichtlich zu verspäten. Dann, als die Spannung kaum mehr auszuhalten war und jeden Einzelnen die Panik befiel, dass ihrem Informanten etwas passiert war, sprang die Tür mit einem heftigen Ruck aus den Angeln. Daraufhin folgte ein ohrenbetäubender Knall, lauter als jeder Donnerschlag, der die Hauptstadt bei einem Unwetter erschüttert hatte. Der Hauptmann brüllte Dawids Namen, als dieser von einem fremden dunklen Objekt zu Boden geschleudert wurde. „Verschwindet!", befahl Quart schreiend, um sich gegen das Klingeln in seinen Ohren zu behaupten, dass plötzlich aufgetaucht war und seine Sinne betäubte. Er zog das Schwert mit einem metallischen Surren aus der Scheide, stellte sich schützend über seinen blutenden Kammeraden und bildete die Verteidigung zwischen der Tür und seinen flüchtenden Komplizen, die durch den schmalen Hinterausgang

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schlüpften, die Hände auf die Ohren gedrückt, um das schmerzhafte Klingeln zu vertreiben. Quart warf einen Blick auf Dawid, der zwischen seinen Beinen lag und dessen totenstarrer Blick der Decke begegnete. Ein schwarzes Loch klaffte auf seiner Stirn, wo Minuten zuvor noch eine schluchttiefe Sorgenfalte seine Stirn gespalten hatte. Strahlend rotes Blut floss aus einer seltsamen Wunde wie teurer Rotwein an den Iden des März. „Mein aufrichtiges Beileid, dieser Schuss war eigentlich für Sie bestimmt, Hauptmann", entschuldigte sich eine förmliche Stimme und trat mit federnden Schritten in den Schankraum des Bordells. Dabei ächzte der verbrannte Holzboden unter den flachen Absätzen seiner polierten Stiefel. „Diese neue Erfindung ist tödlicher als ich angenommen hatte." „Sie...", knurrte er und streckte seinem Gegenüber die Klinge geradewegs entgegen. Sein Ziel war das Herz dieses Mörders. Ein charmantes Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Mannes aus, ungetrübt von der ihm vorgehaltenen Waffe, denn Quart war umzingelt. Sechs bullige Soldaten drängten sich hinter dem Mann durch die eingetretene Tür, mit scharf geschliffenen Klingen auf ihn gerichtet. Widerstand war zwecklos, er würde nicht schnell genug zur Hintertür gelangen und selbst wenn, musste er sicherstellen, dass niemand den zwei Geflüchteten folgte. Also atmete Quart tief ein, spannte seine harten Muskeln an, festigte den Griff um sein Schwert und war bereit für seine Kameraden zu sterben. „Leg das Schwert hin Quart", sagte eine vertraute Stimme, dessen Klang Quarts Herz einen Stich versetzte. „Ich bitte dich. Es hat keinen Sinn zu kämpfen." Ein zweiter Mann, annähernd so alt wie Quart, betrat den Raum und blickte ihm flehend in die dunkelbraunen Augen. Die Entschuldigung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Trotzdem machte er keine Anstalt den rot gekleideten Soldaten den Befehl zu geben die Waffen fallen zulassen. Der Hauptmann wich zurück, als wäre der junge Mann eine Flamme an der er sich verbrannt hatte und das Schwert fiel ihm fassungslos aus den Händen. „Nein, nicht du..."

Between Shades of JusticeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt