Für Prinzessin Sayu würde sie jederzeit bereitwillig ihr Leben opfern.Jin verlagerte ihr Gewicht von einem Bein aufs andere und lächelte bei dem Gedanken an den sanften Glanz in Sayus Blick, sobald sich die Gespräche auf den Prinzen Sun Quan lenkten. Offensichtlich war sie tatsächlich verliebt. Ein Gefühl, das Jin nicht kannte. Sie hoffte, Sayu verschenkte ihr Herz nicht vergebens.
Durch einen glücklichen Zufall hatte sie die Prinzessin einst getroffen – und gerettet. Zum Dank hatte Jin in ihre Dienste treten dürfen. Dadurch war es ihr möglich gewesen, ihren eigenen Clan zu verlassen und das Vertrauen des anderen zu gewinnen. Ihr eigener war seit Urzeiten durch Dämonen verseucht.
Sun Quan stand vor seinem Zelt, fuhr sich durchs dunkle kurze Haar und richtete seinen Kimono. Er wirkte ein wenig nervös. In seinen Augen entdeckte Jin ebenfalls einen Schimmer. Einen, der ihr nicht behagte.
Möglicherweise missfiel ihr bloß der Gedanke, dass Sun Quan weitere Ehefrauen sein Eigen nannte. Hatte Sayu nicht vollkommene Liebe verdient, statt lediglich Bruchstücke davon?
Jin seufzte. Was wusste sie schon von alldem. Zudem diente die Hochzeit höheren Zielen als der Liebe. Doch sollte der Prinz Sayu jemals ein Haar krümmen, so hatte sie geschworen, ihn zu töten – selbst wenn es Jin anschließend das Leben kostete.
Wie abgesprochen erschien die Prinzessin genau vor ihrem Zelt auf der anderen Seite, nachdem der Prinz wieder in seinem verschwunden war.
Sayu sah so wunderschön aus, dass es Jin die Sprache verschlug und sie einen Moment brauchte, das strahlende Lächeln der Prinzessin zu erwidern.
Ihr blondes langes Haar, kunstvoll mit dekorativen Haarnadeln hochgesteckt, umrahmte das schmale, blasse Gesicht mit den rot geschminkten Lippen. Sayus blaue Augen strahlten an diesem Tag mit der Sonne um die Wette. Mit einem Mal nahm Jin die bunten Blumen wahr, die überall um sie herum blühten, als hätte Sayu selbst sie soeben zum Leben erweckt.
Sie nickte der Prinzessin zu, ehe diese in Sun Quans Zelt trat.
»Darf ich Euch etwas anbieten? Bester Sake, gebraut von –«
Jin runzelte missbilligend die Stirn. »Nein«, unterbrach sie den jungen Mann entschieden und schüttelte den Kopf. Anschließend musterte sie ihn von oben bis unten. Pflanzen aller vier Jahreszeiten zierten seinen Kimono. Er lächelte unschuldig. Offensichtlich setzte ihm der Sakegenuss zu, denn aus welchem Grund sonst würde er es wagen, ihr, der Leiterin der königlichen Leibgarde, eine gedankenlose Frage dieser Art zu stellen.
»Ich weiß nicht, ob Ihr lediglich ein Narr seid, zu scherzen beliebt oder es tatsächlich gut meint, aber Euer Angebot beleidigt mich zutiefst. Denkt Ihr, dass ich meine lebenslange Ausbildung mit einem törichten Schluck Alkohol zunichtemache? Dazu noch auf Prinzessin Sayus Hochzeit? In dem Moment, in dem der Aku-No-Clan und der Rigu-Clan endlich eine Verbindung eingehen? Haltet Ihr mich für derart unehrenhaft? Dann sagt es geradeheraus wie ein Mann und wir klären die Angelegenheit hier und jetzt.«
Ihr schroffer Ton ließ den jungen Kerl zusammenfahren. Er schien mit jedem ihrer Worte kleiner zu werden. »Ich bitte um Verzeihung, obwohl mein Verhalten unverzeihlich war, ehrenwerte Jin Ten.« Entschuldigend verneigte er sich vor ihr, so tief, dass sein zum Zopf gebundenes Haar über die Schulter fiel und den Boden berührte.
»Geht, wenn Ihr nicht kämpfen wollt.«
Er zog sich mit geröteten Wangen zurück.
Jin straffte sich. Sie wusste, dass der Blick aus ihren roten Augen ihrem Zorn bedrohlichen Nachdruck verlieh. Ein angemessener Zorn bei solch einer Frage kurz vor einer Hochzeit, die ohnehin schon inmitten einer von Krieg und Tod dominierten Zeit stattfand. Die Youino, die Verlobung, war friedlich verlaufen und jede Menge Geld in verzierten Umschlägen sowie andere Geschenke hatten die Besitzer gewechselt. Jin hatte der Prinzessin ebenfalls etwas geschenkt: einen wunderschön bemalten Teller, für den sie trotz guter Bezahlung ihrer Dienste lange gespart hatte.
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Aus der Welt von Fabula Ensis
Short StoryAuf startnext.de/fabula-ensis findest du eine Crowdfundingaktion von mir und DeSade. Wir wollen den Roman „Fabula Ensis" auf Papier bringen. Unterstützt uns gern dabei, und sei es, indem ihr die Aktion oder die folgenden Kurzgeschichten teilt! Um eu...